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Arbeitnehmerüberlassung

Was bringt das neue Gesetz?

Der Gesetzgeber regelt die Zeitarbeit neu. WiM fragte Experten betroffener Unternehmen

Die Branchenverbände übten harsche Kritik an der Novelle des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes (AÜG): „Zu viel neue AÜG-Bürokratie, kein erkennbarer Vorteil für Zeitarbeitskräfte und illusionsbehaftete Annahme einer Übernahmeautomatik“, so die Bewertung des Interessensverbands Deutscher Zeitarbeitsunternehmen e.V. (iGZ). Auch Personaldienstleister in Mittelfranken gehen hart mit der AÜG-Reform ins Gericht, wie Stellungnahmen von Unternehmen aus der Region deutlich machen.

Ingrid Hofmann

„Ich sehe das neue Gesetz kritisch, da ich keine Verbesserung für irgendjemanden erkennen kann, weder für unsere Zeitarbeitsmitarbeiter noch für unsere Kunden und auch nicht für uns als Personaldienstleistungsunternehmen. 18 Monate Höchstüberlassungsdauer bedeuten, dass unsere Mitarbeiter Kundenunternehmen verlassen müssen, obwohl sie sich dort wohl fühlen und gut verdienen. Die fehlende Definition von Equal Pay birgt Unsicherheiten. Es ist unklar, welche Lohnbestandteile in welcher Form bei der Berechnung von Equal Pay berücksichtigt werden müssen, zumal jedes Unternehmen unterschiedliche Vergütungsformen hat. Für uns als Personaldienstleister hat das Gesetz vor allem kostenintensive IT-Umstellungen, umfangreiche Schulungen der Mitarbeiter und zusätzliche Bürokratie zur Folge. Trotzdem bin ich zuversichtlich, dass wir auch mit dieser Herausforderung fertig werden, zumal wir durch unsere ausländischen Tochterunternehmen bereits langjährige Erfahrungen mit Equal Pay haben.“

Stephan Giesbert

„Verbesserungen durch die Novellierung des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes kann ich tatsächlich nicht erkennen – weder für Personaldienstleister noch für deren Kundenunternehmen. Ganz im Gegenteil: Neben mehr Bürokratie wird die Flexibilität der gesamten Wirtschaft eingeschränkt. Durch die Beschränkung der Höchstüberlassungsdauer auf 18 Monate wird es kaum noch möglich sein, Zeitarbeitnehmer für klassische Vertretungen wie die volle Eltern- oder Pflegezeit einzusetzen, womit die Vereinbarkeit von Familie und Beruf durchkreuzt wird. Und im höher qualifizierten Bereich, in dem Projekte oft länger als zwei Jahre dauern, wird es mehr als problematisch. Angesichts von demografischem Wandel, Digitalisierung und Integration der Flüchtlinge ist das Gesetz nicht nur aus der Zeit gefallen, sondern definitiv kontraproduktiv für den Wirtschaftsstandort Deutschland. Wir sehen vor allem bei Equal Pay und den Sanktionen großes Potenzial zum Nachbessern. Da die Bundesregierung es versäumt hat, eine rechtssichere Definition von Equal Pay vorzulegen, werden wahrscheinlich Arbeitsgerichte ermitteln müssen, ob tatsächlich Equal Pay gezahlt wurde. Und auch die teils überbordenden Sanktionen, die von Bußgeldern im sechsstelligen Bereich bis zum Entzug der zwingend nötigen Arbeitnehmerüberlassungserlaubnis – und damit einem Berufsverbot – führen können, sind unverhältnismäßig und an keinerlei Kriterien wie Vorsatz oder Wiederholung gebunden. Ob mit den neuen Regelungen gegen Europa- und deutsches Verfassungsrecht verstoßen wird, wird auch noch zu prüfen sein.“

Monika Frenzel

„Die durch die Zeitarbeit ermöglichte Flexibilität hat der deutschen Wirtschaft gut getan und dazu beigetragen, die Sockelarbeitslosigkeit zu reduzieren. Eine weitere Regulierung halten wir für unnötig: Die Reform des AÜG war vielleicht gut gemeint, aber nicht gut gemacht und wird nicht zu mehr unbefristeten Festanstellungen führen. Die Novellierung des Gesetzes hat zudem handwerkliche Schwächen, so bleibt etwa die Definition von Equal Pay rudimentär. Das ist mehr als bedauerlich, denn bei Verstößen gegen diese Regelung drohen harte Sanktionen, von hohen Bußgeldern bis zum Verlust der Arbeitnehmerüberlassungserlaubnis, ohne Differenzierung zwischen Vorsatz und größtmöglicher Sorgfalt bei der Umsetzung. Wenn der Gesetzgeber schon so schwere Geschütze auffährt, soll er wenigstens den Grundsatz Equal Pay konkretisieren. Die Festsetzung der Höchstüberlassungsdauer auf 18 Monate bringt in der Praxis allen Beteiligten Nachteile: Beispielsweise ist eine Elternzeit-Vertretung für die Dauer von 24 Monaten deutlich erschwert. Im Projektgeschäft sind die Einsatzzeiten in der Regel länger als 18 Monate. Betroffen ist auch das Segment der Leiharbeitnehmer mit akademischem Hintergrund: Im hoch qualifizierten Bereich sind die Einarbeitungszeiten naturgemäß länger. Die Verkürzung der Höchstüberlassungsdauer kann dazu führen, dass für Entleih-Unternehmen die Relation zwischen Einarbeitung und Einsatzzeit nicht mehr stimmt. Die Alternative ist dann aber nicht zwangsläufig die Festanstellung, sondern das komplette Outsourcing von Aufgaben oder die Verlagerung an andere Standorte.“

Werner Neumüller

„Unter dem populären Motto „gleiches Geld für gleiche Arbeit“ war die jüngste Reform des AÜG vor allem eine politisch motivierte Symbolhandlung, die sich in der Praxis als kontraproduktiv für alle Beteiligten erweisen kann. Grundsätzlich erhöht sich mit der Länge der Einsatzdauer die Wahrscheinlichkeit, vom Entleih-Unternehmen übernommen zu werden. Dieser sogenannte „Klebeeffekt“ stellt sich häufig erst nach 18 Monaten ein. Ich bezweifle, dass die Limitierung der Höchstüberlassungsdauer in den Entleih-Unternehmen zu mehr Festanstellungen führen wird. Erhöht werden lediglich die Verunsicherung der Auftraggeber und der administrative Aufwand. Im Helferbereich wird es durch die AÜG-Reform häufiger zu rollierenden Modellen kommen, das heißt, Leiharbeitnehmer werden abwechselnd bei zwei oder drei Entleihern eingesetzt. So werden die vielleicht guten Absichten der Höchsteinsatzdauer und des Grundsatzes Equal Pay in der Praxis nicht zum Tragen kommen. Im Segment der hoch qualifizierten Beschäftigten ist die Begrenzung der Höchstüberlassungsdauer extrem problematisch: Projekte laufen in der Regel länger als 18 Monate. Außerdem erfordern anspruchsvolle Tätigkeiten, beispielsweise IT- und Ingenieursdienstleistungen, eine entsprechend längere Einarbeitungsphase, die in einem angemessenen Verhältnis zur Gesamteinsatzdauer stehen muss. Diese Relation ist durch die Festlegung der Höchsteinsatzdauer auf 18 Monate teilweise nicht mehr gewährleistet.“ 

 

WiM – Wirtschaft in Mittelfranken, Ausgabe 01|2017, Seite 36

 
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