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Hüttinger

Fränkische Traumfabrik

Hüttinger © Thomas Tjiang

Axel Hüttinger mit dem Ausstellungsstück „Kuglebane“ für das dänische Experimentarium .

Komplexe Vorgänge in Technik und Naturwissenschaft macht das Unternehmen aus Schwaig durch seine Ausstellungsstücke erlebbar.

In der Werkstatt der Kurt Hüttinger GmbH & Co. KG in Schwaig bei Nürnberg kann man in Traumwelten eintauchen. Dort steht eine Vielzahl unterschiedlicher Modelle wie futuristische Autostudien oder ein pedalbetriebenes Luftkissenboot in Matratzengröße, mit dem man über den Boden schweben kann. Tatsächlich allerdings geht es bei Hüttinger Interactive Exhibitions nicht nur um Traumwelten oder Events. Axel Hüttinger, der gemeinsam mit seinem Bruder Jörg die Geschäfte des Familienunternehmens führt, hat sich in den 1990er Jahren auf den weltweiten Markt der sogenannten Science Center spezialisiert. Für diese Ausstellungshäuser konzipiert, plant und realisiert er Ausstellungsstücke (auch Exhibits genannt), die komplexe technische oder naturwissenschaftliche Phänomene erlebbar machen.

Ein Beispiel ist das Projekt „Welthandel“, das für das Experimentarium in Kopenhagen/Dänemark  als Ausstellungsstück „Kuglebane“ gefertigt wurde. Damit sollen globale Handelsströme und Zusammenhänge veranschaulicht werden. Kugeln symbolisieren dabei Rohstoffe, die über ein komplexes Rohrleitungssystem aus 1 500 Einzelteilen von den Entwicklungs- in die Industrieländer rollen.

Ziel der Science- und Experimentiercenter ist es, das vorhandene Wissen der großen und kleinen Besucher spielerisch zu erweitern und das Verständnis von naturwissenschaftlichen Zusammenhängen zu erhöhen. „Darin liegt der Schlüssel unserer Arbeit“, so Hüttinger. Die Besucher lernen an seinen Experimentierstationen den Umgang mit Technik und werden zudem gewissermaßen zum Forscher. Die Lösungen der Firma reichen von einzelnen Stationen bis zur Konzeptionierung ganzer Ausstellungsabteilungen sowie deren technischer Planung, Fertigung und Inbetriebnahme. Das traditionelle Geschäft des Familienunternehmens, der Bau von technischen Infocentern oder die Konstruktion von Messemodellen für Autohersteller und deren Zulieferer, macht mittlerweile nur noch einen geringen Anteil von etwa fünf bis zehn Prozent des Geschäfts aus. In diesem Bereich konstruierten die Ingenieure beispielsweise das Zentrum „Tunnelwelten“ im österreichischen Steinach, das über den Brenner Basistunnel informiert.

Familiäre Leidenschaft für Technik

Urgroßvater Emanuel Hüttinger galt als „Sinnbild eines Technikers“ und leistete als Mitarbeiter der Stadt Fürth einen wertvollen Beitrag, um dort die Elektrizität einzuführen. 1921 legte er dann den Grundstein für den Traditionsbetrieb und beschäftigte bisweilen bis zu 100 Mitarbeiter. Dem Großvater Lucius fehlte als Schulabbrecher zunächst der nötige berufliche Ernst, um den Familienbetrieb erfolgreich weiterzuführen. Als aber sein Zeichentalent während des Zweiten Weltkrieges in einem Wiener Lazarett entdeckt wurde, etablierte er sich als Konstruktionszeichner und konnte nach Kriegsende einen Ingenieurtitel tragen – ohne, dass er einen Universitätsabschluss inne gehabt hätte.

Der Fokus von Lucius Hüttinger lag im Modellbau für Forschung und Entwicklung – er entwickelte zum Beispiel eine Turbinenschaufel für Siemens, um deren Eigenschaften im Windkanal testen zu können. Der Einstieg in den technischen Funktionsmodellbau gelang ihm durch ein Wasserkraftwerk. Dieses sollte nach Pakistan verkauft werden und Hüttinger baute das entsprechende Modell dafür. Axel und Jörg Hüttingers Vater Kurt hatte später das Geschäft auf klassische deutsche Industriekommunikation in der Automobilbranche fokussiert. Außerdem fragten Kunden aus der Energiebranche nach Modellen, die beispielsweise die Öffentlichkeit von der Sicherheit der Atomenergie überzeugen sollten. Seinen beiden Söhnen ließ der Vater viel unternehmerische Freiheit. Eine Verpflichtung gab er ihnen aber mit auf den Weg. Sie sollten in jedem Fall ein Ingenieurstudium absolvieren. „Man ist nur Mensch als Ingenieur“, erinnert sich Axel Hüttinger an eine Aussage seines Vaters. Damit habe er eigentlich nicht unrecht gehabt, räumt er heute ein.

Heute fliegt Axel Hüttinger rund um den Globus, um die fränkischen Lösungen von Kanada über Malaysia und China bis in den Mittleren Osten hinein vorzustellen und zu verkaufen. Aber auch in Deutschland sieht er noch viel Potenzial: Während beispielsweise das Glasgow-Center oder das Londoner Science-Museum bei der Wissensvermittlung als international vorbildlich gelten, sehe es in der deutschen Museumslandschaft derzeit noch anders aus. Hier herrsche immer noch der Leitsatz „Sammeln, Bewahren, Forschen“, der sich mit experimentellen Zugängen schwer tue.


Das Luftkissenboot wird in der Werkstatt getestet.

Firmeneigene Wissensdatenbank

Mit den Exponaten für Messen und Besucherzentren und dem Projektgeschäft setzte das Familienunternehmen im letzten Jahr rund 14 Mio. Euro um. Um diese Zahlen und den hohen Qualitätsanspruch halten zu können, sind kreative Mitarbeiter in allen Bereichen gefragt. Dies gilt sowohl in der Konzeptionsphase als auch für die detaillierte Planung der funktionsfähigen Ausstellungsstücke und deren Umsetzung in der hauseigenen Werkstatt. Damit alle Abteilungen immer wissen, was Anforderungen und Stand der einzelnen Projekte sind, hat sich das Unternehmen dem Grundsatz  „Wahrheit – Klarheit –Transparenz“ verschrieben. In einem firmeneigenen Wiki sind alle Informationen für jeden der 120 Mitarbeiter jederzeit einsehbar. Dort liegen Infos zur Historie von Kundenkontakten, Planungsunterlagen und Kalkulationen vor. Außerdem werden in diese Wissensdatenbank auch Ideen mit Bildern und Beschreibungen eingespeist, die für einen künftigen Auftrag inspirieren können. Das hilft in der Praxis enorm weiter, weil zwischen Auftrag und Auslieferung bis zu zwei Jahre vergehen können. Im Mittel plant und fertigt Hüttinger zwischen 70 bis 100 Experimentierobjekte im Jahr. Mit dem Firmen-Wiki wird sichergestellt, dass jeder den Status und den nächsten Schritt einsehen kann. Manche Wissensdatenbanken scheiterten daran, dass nur bestimmte Informationen nachvollziehbar sind. „Wir verzichten auf unser Herrschaftswissen“, so Hüttinger.

Die Mission von Hüttinger gilt der Aufgabe, technisches Wissen durch Erleben und Erfahren verständlich zu machen. Man wolle Schulkinder und Studenten in den Mint-Fächern (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik) motivieren, beim Lernen durchzuhalten. Ergänzend zur klassischen Wissensvermittlung wie mit einem „Nürnberger Trichter“ sollen Kinder und Erwachsene durch Experimentieren naturwissenschaftliche Phänomene begreifen. Ob eines von Axel Hüttingers drei Kindern, die noch in die Schule gehen, in Zukunft in den Familienbetrieb nachfolgen, ist derzeit noch offen. Wenn es geht, nimmt er seine Kinder zu Ausstellungseröffnungen mit. Ansonsten spielen sie auf dem Firmengelände Fußball oder probieren die Ausstellungsstücke in der Werkstatt aus. Aber auch für ihn ist die Regel klar: „Nachfolger müssen Ingenieure werden.“

Autor/in: 

tt.

 

WiM – Wirtschaft in Mittelfranken, Ausgabe 01|2017, Seite 88

 
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