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Afrika-Forum Bayern

Mehr Handel zwischen Algier und Kapstadt

Die südafrikanische Metropole Kapstadt mit dem Tafelberg und dem WM-Stadion.

Die deutsche Wirtschaft handelt nur wenig mit dem Schwarzen Kontinent. Wie lässt sich das ändern?

Afrika hat sich in der deutschen Öffentlichkeit als Krisenkontinent eingebrannt. Gerade einmal zwei Prozent des deutschen Außenhandels wird mit den 54 Ländern des Nachbarkontinents und seinen rund 1,2 Mrd. Bewohnern abgewickelt. Das entspricht etwa den deutschen Wirtschaftsaktivitäten mit Ungarn. Vor diesem Hintergrund fand unter dem Motto „Mehr Mittelstand nach Afrika: Wagnis und Chance“ das erste „Afrika-Forum Bayern“ in Nürnberg statt. Hierzu hatte das Außenwirtschaftszentrum Bayern (AWZ) eingeladen. Als Partner engagierten sich das Bayerische Wirtschaftsministerium, die bayerischen IHKs sowie der EZ-Scout Bayern – das ist ein Ansprechpartner des Bundeswirtschaftsministeriums, der Unternehmen zu Förderangeboten der deutschen Entwicklungszusammenarbeit berät.

In seiner Begrüßung betonte Nürnbergs IHK-Hauptgeschäftsführer Markus Lötzsch auch im Namen aller bayerischen IHKs, dass aktuell eher Bilder von Flüchtlingen, Kriegen und Armut mit Afrika verbunden werden. Gleichzeitig fänden sich auf dem Kontinent sechs der 13 Volkswirtschaften, die in den letzten drei Jahren weltweit am stärksten gewachsen sind. Deutschland sollte dem tatkräftigen Beispiel Chinas und weiterer Länder folgen.

Immerhin habe Bundesentwicklungsminister Gerd Müller einen „Marshall-Plan“ vorgelegt, auch das Bundesfinanz- und das Bundeswirtschaftsministerium hätten mit „Compact with Africa“ und „Pro! Afrika“ ihre Strategien formuliert. Diese müssten nun mit Leben erfüllt werden. Der Kontinent brauche Handel und Investments, zugleich benötige die Wirtschaft hierfür die Politik für Risikoabsicherung und Finanzierung. Lötzsch forderte auch eine faire Handelspolitik. Als Beispiel kritisierte er subventioniertes Tomatenmark, Hähnchenschenkel und Milchpulver, mit der die europäische Agrarpolitik Kleinbetriebe in Afrika in den Ruin treibe.

Mehr Mittelstand nach Afrika: IHK-Hauptgeschäftsführer Markus Lötzsch, Botschafter Dr. Albrecht Conze, Ministerialrat Ulrich Rieger und Gauff-Geschäftsführer Michael Fischer (v. l.).

Botschafter Dr. Albrecht Conze von der Deutschen Botschaft in Kampala, der Hauptstadt von Uganda, zeigte sich erstaunt über die rund 140 Teilnehmer des Afrika-Forums. Vor zehn Jahren hätte man mit diesem Thema nicht so eine Resonanz gehabt. Vielleicht hätten auch die Schlauchboote vor Lampedusa deutlich gemacht, dass Afrika ein Nachbarkontinent ist. Europa und Afrika gehörten zusammen wie Nord- und Südamerika, „wir fangen langsam an, das zu begreifen“, so Conze. Der langjährige Afrika-Kenner forderte von Europa eine Antwort auf Chinas Vorgehen nach dem Motto „Klotzen statt kleckern“. Die vorfinanzierten großen Infrastrukturprojekte – teils im Rahmen des chinesischen Megaprojekts Neue Seidenstraße – führten Afrika auf den Weg in eine zweite Überschuldung. Er registriere „afrikanische Seufzer“ nach fehlenden deutschen Angeboten. Einen Ansatz sieht Conze in einer europäisch-afrikanischen Entwicklungsbank. Diese könnte selbst mit kleinen Krediten über zehn Mio. Euro für Start-ups viel Positives bewirken. Dadurch würden die örtlichen Kreditzinsen vermindert, die teils mit einem Zinssatz von 21 Prozent für drei Jahre Gründer mit Investitionsbedarf abschrecken. Conze hält das für viel sinnvoller als manches Großprojekt, das nur eine begrenzte Wirkung entfaltet: „Wir können es besser und schneller machen.“

Für wirtschaftliche Aktivitäten von Mittelständlern in Afrika sieht Conze gute Gründe: Die Wachstumsraten seien hoch, die lokalen Märkte entwickelten sich und gerade in Ostafrika gebe es eine gut ausgebildete Mittelschicht. Außerdem machten die günstigen Arbeitskosten und der politische Rückenwind aus Deutschland ein unternehmerisches Engagement attraktiv. Und schließlich habe Deutschland in ganz Afrika einen hervorragenden Ruf. Auch die Gründe, die gegen Investitionen in Afrika sprechen, blendete Conze nicht aus. Die Korruption sei furchtbar, Prozesse dauern – auch wegen der Korruption – lange. Außerdem reichten die Kapazitäten der Regierung nicht aus, um Projekte einzuschätzen und zu prüfen. Bei Grundstücken stoße man immer wieder auf eine „vermaledeite Landfrage“, bei der wegen fehlender Rechtslage Dorfgemeinschaften Ansprüche von ihren Vorfahren ableiten. In solchen Fällen müsse man bis zum Präsidenten gehen, der dann mit Geld eine „Bewegungshilfe“ schafft.

Für die Botschafter sind die Nachteile allerdings nichts Besonderes. Ähnliche Erfahrungen hätten die Mittelständler auch vor über 20 Jahren gemacht, als sie nach Asien gegangen sind. Es komme auf das richtige Produkt an, dann könne man auch jetzt trotz alledem nach Afrika gehen. Der Weg in den Nachbarkontinent erfordere fünf Aspekte: Dazu zählen eine solide Beratung, für die auch die Botschaften in Anspruch genommen werden. Außerdem brauche man örtliche Partner, die gut vernetzt sind und wissen, was sich vor Ort tut. Mittelständler könnten auch mit ihrem Ausbildungskonzept für Menschen vor Ort punkten, während Chinesen ihre eigenen Arbeitskräfte mitbringen. Zusätzlich nennt Conze die soziale Komponente, weil durch ein Investment auch ein Netzwerk mit Unternehmen vor Ort entstehe. Schließlich sei ein langer Atem wichtig: „Schnellen Profit gibt es nicht, es wird eher ein Lebenswerk deutscher Unternehmer.“

Ähnlich schätzt es Michael Fischer ein, Geschäftsführer des Nürnberger Ingenieurdienstleisters Gauff-Gruppe. Das Unternehmen ist seit über 50 Jahren in der Subsahara aktiv, um mit Infrastrukturprojekten Geld zu verdienen. Auch er sieht den Kontinent im Aufbruch mit viel Wachstum in vielfältigen Märkten. Häufig sei „German Know-how“ gefragt, Gauff werde deshalb gern von Regierungen als Bauüberwacher für chinesische Projekte hinzugeholt. Denn ISO- und DIN-Normen haben vor Ort einen guten Ruf, daher müssen auch die Chinesen nach ihnen arbeiten.

Florian Dickopp, Geschäftsführer der Oberasbacher Medicopex GmbH, vertreibt generalüberholte bildgebende Diagnosegeräte für Krankenhäuser. Sein Unternehmen arbeitet sich seit zwölf Jahren in Afrika von Norden nach Süden vor. Wie er berichtete, sei es eine große Herausforderung gewesen, angesichts des großen Bedarfs den Service sicherzustellen. Dafür wurden bei Messen und Delegationsreisen Kontakte geknüpft und ein eigenes Netz von lokalen Geschäftspartnern aufgebaut.

Bei den Finanzierungen sieht sich Christian Toben von der Commerzbank zwar gut aufgestellt, weil sein Haus in vielen afrikanischen Ländern präsent sei und rund 30 Prozent der Importe finanziere. Allerdings bekräftigte er die Forderung nach ergänzenden Finanzierungsinstrumenten und Partnern, denn mittelfristig könnten etwa durch die risikobewusste Basel-IV-Regulatorik keine lokalen Finanzierungen durchgeführt werden.

Delegationsreisen für Unternehmer

Der Freistaat Bayern wolle die mittelständische Wirtschaft für Afrika begeistern, unterstrich Ulrich Rieger, Ministerialrat im Bayerischen Wirtschaftsministerium. Allein in den letzten drei Jahren seien 17 Delegationsreisen unternommen worden, um Kontakte zu vertiefen oder Türen zu öffnen. Die politische Unterstützung sei in Afrika wichtig, um mit Innovationen, Ausbildung und Wissenschaft Geschäfte zu machen. Dagegen brächten die Chinesen lediglich eine 120 Prozent-Finanzierung mit: „100 Prozent für das Projekt, 20 Prozent für den Auftraggeber.“

Rieger verwies auch auf den Koalitionsvertrag der neuen Bayerischen Staatsregierung. Im letzten Absatz haben sich die Koalitionäre auf ein bayerisches Afrika-Paket verständigt. Es soll in sinnvoller Ergänzung der Programme von EU und Bund die Entwicklung afrikanischer Staaten unterstützen, ihre Eigenverantwortung stärken und mehr Hilfe zur Selbsthilfe leisten. Hierfür will der Freistaat künftig enger mit erfahrenen Nichtregierungsorganisationen wie dem Verein „Eine Welt Netzwerk Bayern“ zusammenarbeiten.

Autor/in: 

tt.

 

WiM – Wirtschaft in Mittelfranken, Ausgabe 12|2018, Seite 34

 
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