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Ausbildung

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Kooperationsmodelle in der Berufsausbildung: Gemeinsam alle vorgeschriebenen Ausbildungsinhalte vermitteln.

Viele Unternehmen würden gerne ausbilden, können aber manche Inhalte des Ausbildungsrahmenplans nicht selbst übernehmen. „In solchen Fällen versuchen wir, diese Betriebe mit Partnern zusammenzubringen, damit die Inhalte bei dem anderen Unternehmen vermittelt werden können“, sagt Harald Enderlein, Leiter Referat Technische Prüfungen bei der IHK Nürnberg für Mittelfranken. Die Bildungsberater der IHK unterstützen die Unternehmen dabei und beraten sie über die möglichen Modelle und Vorgehensweisen. „Unser Ziel ist es, möglichst viele Betriebe mit Ausbildungseignung zu haben. Das soll nach Möglichkeit nicht daran scheitern, dass ein kleiner Teil der Ausbildungsinhalte nicht selbst ausgebildet werden kann.“

Eine Lösung ist eine Verbundausbildung – also eine Ausbildungspartnerschaft, bei der sich ein Unternehmen die Ausbildung gemeinsam mit einem anderen Unternehmen bzw. anderen Partnern wie einem Ausbildungsverein teilt (siehe Info-Kasten „Formen der Verbundausbildung“, S. 17). In Mittelfranken bieten zahlreiche Unternehmen sowie Einrichtungen aus dem Bereich der beruflichen Bildung an, für Geschäftspartner Ausbildungsabschnitte zu übernehmen. Das geht manchmal sogar bis zum Austausch von Azubis.

Und wenn nötig, bietet die IHK teilweise auch selbst diesen Service an. Beispielsweise für Drucker: „Digitaldrucker müssen auch die Daten der Vorstufe verarbeiten können. Da es in vielen Unternehmen aber nicht möglich ist, Kundendaten zu verändern, organisiert die IHK dazu eigene Lehrgänge, um die angehenden Drucker auf die Prüfung vorzubereiten“, so Enderlein. Zusammen mit der Technischen Hochschule Nürnberg bietet die IHK außerdem eine überbetriebliche Ausbildung im naturwissenschaftlichen Bereich an. An den Geräten der TH werden die Azubis beispielsweise in analytischer oder präparativer Chemie unterrichtet. Und als während des Lockdowns die Ausbildung nur mit Einschränkungen möglich war, hat die TH zusammen mit Studenten auch Lehrfilme gedreht, die die IHK jetzt den Unternehmen im Rahmen der überbetrieblichen Ausbildung zur Verfügung stellt. Auch bei den Themen CNC, Pneumatik oder Steuerungstechnik ist die IHK aktiv. „Allerdings wollen wir nicht in Konkurrenz zu den Betrieben treten“, so Enderlein. „Wir werden nur tätig, wenn es die Notwendigkeit dafür gibt.“

Ausbildungsverein AAU 

Ein wichtiger Ansprechpartner in der Region ist der Ausbildungsverein AAU e. V. mit Sitz in Nürnberg, der sich insbesondere an Unternehmen ohne bisherige Erfahrung in der Ausbildung richtet: „Viele Betriebe kommen zu uns, die erstmals ausbilden wollen und dabei Unterstützung wünschen“, sagt AAU-Projektleiterin Manuela Demirdag. „Wir haben allerdings auch einige sehr treue Firmen, die schon lange selbst ausbilden könnten, aber unsere Dienstleistungen gerne annehmen.“ Denn der Verein bietet nach eigener Aussage für die Unternehmen ein „Rundum-Sorglos-Paket“.

Ein Kernthema des 1999 als Ausbildungsring Ausländischer Unternehmer gegründeten Vereins ist die Verbundausbildung. Sie steht allen kleinen und mittleren Unternehmen in Mittelfranken offen, die nicht eigenständig ausbilden können. „Die Unternehmen, die sich an uns wenden, kommen querbeet aus nahezu allen Branchen“, so die Projektleiterin. Aktuell betreut der Verein etwa 70 überwiegend kleine und mittlere Betriebe.

Sie werden tatkräftig vom Verein unterstützt, der die gesamte Koordination der Ausbildung übernimmt: Er erstellt den Ausbildungsvertrag, klärt alle Fragen mit der IHK und meldet die Jugendlichen bei der Berufsschule an. Auch die Anmeldung zu den Prüfungen einschließlich Prüfungsvorbereitung übernimmt der AAU. „Wir betreuen die Azubis und die Betriebe während der kompletten Ausbildung“, so Demirdag. Dazu gehören auch ein berufsübergreifendes Kursprogramm und individuelle Unterstützung der Azubis. Und der Verein sucht für Betriebe auch nach Azubis, wenn dies gewünscht wird.

Insgesamt kann der AAU rund 30 Berufe ausbilden, der Schwerpunkt liegt zwar im kaufmännischen Bereich, aber auch einige technische Ausbildungen sind darunter. Der Verein koordiniert innerhalb der Verbundausbildung auch Einsätze in Leitbetrieben, wenn ein Unternehmen Teile der Ausbildung nicht selbst übernehmen kann. Hier lernen die Auszubildenden dann die Teile, zu deren Vermittlung die Ausbildungsstätte nicht in der Lage ist.

Auch für die Auszubildenden gibt es keine Voraussetzungen. „Wir sind offen für alle Ausbildungssuchenden. Weder beim Alter noch bei der Herkunft oder dem Bildungshintergrund gibt es für uns Einschränkungen“, so Demirdag. Überwiegend Jugendliche mit Mittelschulabschluss wenden sich an den AAU, aber auch junge Menschen mit Mittlerer Reife oder Abitur. Aktuell betreut der Verein knapp 100 Auszubildende.

Kooperation zwischen Unternehmen

Eines der Unternehmen, das eine Verbundausbildung anbietet, ist die Baumüller Reparaturwerk GmbH & Co. KG („Baumüller Services“). Als Teil der Baumüller-Gruppe übernimmt die Tochter-Gesellschaft in Nürnberg-Ziegelstein den Service für den gesamten Firmenverbund. Die Gesellschaft, für die 220 Mitarbeiter an den Standorten Nürnberg, München und Kamenz sowie 150 Servicetechniker weltweit tätig sind, ist auf die Instandhaltung, Instandsetzung und Inbetriebnahme von elektrischen Maschinen, Motoren, Generatoren, Transformatoren und Antriebstechnik spezialisiert. Laut Vertriebsleiter Marco Rauscher werden in der Nürnberger Lehrwerkstatt aktuell 26 junge Menschen in technischen Berufen ausgebildet.

„Wir haben in der technisch-gewerblichen Ausbildung langjähriges umfangreiches Know-how. Dieses stellen wir in Form einer Verbundausbildung oder auch in Einzelkursen anderen Unternehmen zu Verfügung, ergänzt Roland Witt, Ausbildungsleiter bei Baumüller Services. Zurzeit bietet Baumüller Services eine ausbildungsbegleitende Unterstützung für die Berufe Industriemechaniker, Mechatroniker, Elektroniker für Maschinen- und Antriebstechnik sowie Elektroniker für Geräte- und Systeme oder Industrieelektriker. Unternehmen aus allen Branchen können dazu Einzelkurse buchen, zum Beispiel für Grundlagen in Pneumatik, Elektropneumatik, Gleichstromtechnik, Wechselstromtechnik oder SPS. Die Module dauern zwei bis fünf Tage. Eine weitere Möglichkeit ist, dass Baumüller Services Teile der Ausbildung komplett übernimmt, beispielsweise bis zur Abschlussprüfung Teil 1. Aktuell durchlaufen 16 Auszubildende die Verbundausbildung bei Baumüller Services. Weitere Auszubildende aus anderen Betrieben befinden sich momentan in der Komplettausbildung vom 1. bis zum 4. Lehrjahr (Informationen: www.baumueller-services.com/de/loesungen/verbundausbildung-einzelkurse).

Bildungsträger als Ausbildungspartner

Das Zentrum für Aus- und Weiterbildung (ZAW) Nürnberg ist spezialisiert auf die praxisorientierte Verbundausbildung im Elektro- und Metallbereich für Firmenkunden aus der Metropolregion Nürnberg. Das Unternehmen in der Nürnberger Südstadt entstand aus der ehemaligen AEG-Lehrwerkstatt und bietet verschiedene Ausbildungsabschnitte für Berufe mit IHK-Abschluss. Derzeit betreut es etwa 170 Auszubildende aus rund 60 Firmen. Der zertifizierte Träger nach DIN EN ISO 9001 ergänzt dabei in den Betrieben fehlende, für die Ausbildung relevante Bereiche: In individuell buchbaren Modulen mit einer Dauer von einer bis zu zehn Wochen bietet das ZAW Spezialthemen an, die die Unternehmen nicht selbst ausbilden können. Dazu gehören zum Beispiel die Grundbildung Metall, Elektrotechnik-Grundlagen, Pneumatik, Hydraulik oder SPS.

In der Lehrwerkstatt mit 2 500 Quadratmetern betreut ein Ausbilder maximal zwölf Azubis in prüfungsrelevanten Themen. Tätig ist das ZAW in diesen Ausbildungsberufen: Elektroanlagenmonteure, Mechatroniker, Elektroniker Betriebstechnik oder Geräte- und Systemtechnik, Elektroniker Gebäude- und Infrastruktur, Industrieelektriker Betriebstechnik, Fertigungsmechaniker, Industriemechaniker, Verfahrensmechaniker, Werkzeugmechaniker, Maschinen- und Anlagenführer und Fachkräfte Metalltechnik. „Im Ausbildungsjahr 2021/2022 führen wir insgesamt 63 Kurse mit 1 338 Wochen durch“, erläutert Leiterin Lydia Olschock.

In den Modulen führt der Bildungsträger auch Leistungstests durch, die Betriebe bekommen am Ende einen Beurteilungsbogen, in dem die Leistungen der Azubis, aber auch Informationen wie Fehltage festgehalten werden. Mit durchschnittlich rund 500 Euro pro Woche und Azubi müssen die Kunden für die Module rechnen. Das ZAW ist Teil der ESO Education Group, einem der bundesweit größten privaten Bildungsträger.

Jugendliche mit besonderem Förderbedarf

Etwas anders gestaltet sich die kooperative berufliche Ausbildung, wie sie die Kinder-, Jugend- und Berufshilfe des SOS-Kinderdorfs Nürnberg anbietet. Die jungen Menschen haben hier einen Ausbildungsvertrag mit der Einrichtung und werden von der Organisation pädagogisch betreut. Die fachpraktische Ausbildung findet dann im Kooperationsbetrieb statt. Infrage kommt dieses Modell für Jugendliche mit besonderem Förderbedarf, die „multiple Vermittlungshemmnisse“ haben. Dies können junge Menschen mit einer Lernbeeinträchtigung oder mit Sprachschwierigkeiten sein sowie Jugendliche aus problematischen sozialen Verhältnissen oder Personen, die aus sonstigen Gründen keinen Ausbildungsplatz gefunden haben.

„Unsere Maßnahmen sprechen Jugendliche und junge Erwachsene an, die zur Aufnahme einer Ausbildung oder zum Erreichen eines Ausbildungsabschlusses und zur Entwicklung ihrer Persönlichkeit eine qualifizierte Unterstützung und gezielte Förderung benötigen“, sagt Einrichtungsleiterin Christiane Stößel. Die Arbeitsagentur vermittelt die Auszubildenden zunächst an das SOS-Berufsausbildungszentrum Nürnberg als Träger der Maßnahme. Die Einrichtung sucht Betriebe als Ausbildungspartner und regelt in einem Kooperationsvertrag die Zusammenarbeit mit diesen Unternehmen. Diese übernehmen schließlich den praktischen Teil der Lehre.

Die Kosten der Ausbildung tragen die Agentur für Arbeit oder die Jobcenter Nürnberg/Fürth. Sie prüfen auch die Voraussetzungen der Jugendlichen und beauftragen den Träger mit der Ausbildung. Für die Betriebe entstehen also zunächst keine direkten Kosten für die Lehre, die Ausbildungsvergütung zahlt die Arbeitsagentur. „Die Unternehmen müssen nur Zeit und Ausbildungsmaterial investieren“, sagt Horst Rumpf, Sozialpädagoge beim SOS-Kinderdorf. Die pädagogischen Kräfte der Einrichtung decken auch den Förderbedarf der Lehrlinge ab und unterstützen sowohl die Azubis als auch die Betriebe während der Ausbildung.

Bei der Lehre handelt es sich um eine ganz normale Regel-Ausbildung. Die Azubis müssen also in die Berufsschule gehen und an überbetrieblichen Kursen teilnehmen. Dazu kommt ein halber Tag pro Woche für die zusätzliche Förderung, der ebenfalls als Arbeitszeit zählt.

Im Rahmen eines Praktikums können beide Seiten prüfen, ob eine Ausbildung sinnvoll ist. „Ziel der kooperativen Berufsausbildung ist ein Wechsel der Auszubildenden in ein betriebliches Ausbildungsverhältnis beim Kooperationsbetrieb, idealerweise nach dem ersten Ausbildungsjahr“, sagt Rumpf. Für die Betriebe sieht er bei diesem Modell einige Vorteile: „Wir übernehmen die schulische und sozialpädagogische Begleitung und unterstützen die Auszubildenden zum Beispiel beim Führen des Berichtshefts oder bei der Prüfungsvorbereitung.“ Derzeit sucht das Berufsausbildungszentrum noch Ausbildungsbetriebe für gut 30 Jugendliche. Das können laut Stößel alle Berufsfelder sein wie Dienstleistung, Wirtschaft und Verwaltung, Technik, IT, Produktion oder Logistik: „Wir suchen Partner für die Ausbildung in allen Bereichen.“

Autor/in: 

Klaus Leonhard

 

WiM – Wirtschaft in Mittelfranken, Ausgabe 11|2021, Seite 14

 
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