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ING3D

Ideenreich mit Vulkangestein

UNT_ING3D-WiM-11-22-Foto-Thomas-Tjiang © Thomas Tjiang

ING3D-Geschäftsführer David Manjura.

Das Fürther Start-up nutzt den Rohstoff Perlit für den 3D-Druck – und will damit auch gefährdete Korallenriffe retten.

Firmengründer David Manjura hat sich Großes vorgenommen: Er will ein Material aus zerkleinertem Vulkangestein für den 3D-Druck nutzen und damit neue Anwendungen für diese Zukunftstechnologie eröffnen. Bisher werden dafür in aller Regel Kunststoff und Metalle genutzt. Ein mögliches Einsatzgebiet von Perlit, das man auch als kleine weiße Kügelchen in Blumentöpfen findet, fasziniert Manjura besonders: Man könnte damit dreidimensionale Strukturen "ausdrucken", um damit die einmaligen Korallenriffe vor der Küste Australiens, das Great Barrier Reef, zu erhalten. Erste Versuche im Labor der Universität Bremen hätten gezeigt, dass sich Korallenlarven gerne auf Manjuras Vulkangestein-Produkten ansiedeln. Ließe sich die Züchtung im Labor auf einen industriellen Maßstab hochfahren, könnte man dem anhaltenden Korallensterben vor Australien etwas entgegensetzen. Für den Werkstoffwissenschaftler Manjura wäre das ein Millionengeschäft. Auch dem Inselstaat Seychellen würde er die Technologie gerne anbieten. Das Ferienparadies verzeichnet bereits Einbußen bei tauchenden Touristen, weil die bunten tropischen Fische auf einen intakten Lebensraum zwischen den Korallen angewiesen sind. Hier könnte sich ein Auftrag für ING3D unmittelbar für das Tourismusgeschäft mit Tauchern auszahlen.

Der Jungunternehmer, Jahrgang 1982, hat nach seinem Abschluss an der Technischen Hochschule Nürnberg seine berufliche Laufbahn zunächst mit einer Festanstellung begonnen. Bei seinem zweiten Arbeitgeber kam er als Leiter der Anwendungstechnik mit dem 3D-Druck in Berührung. Als das Unternehmen 2016 umstrukturiert wurde, verlor er, ebenso wie sein Geschäftsführer und weitere Kollegen, seinen Job. Zu diesem Zeitpunkt war Manjura von den Möglichkeiten des Laserschneidens und Laserschmelzens für den 3D-Druck begeistert. Im Nürnberger "Fab Lab", einer offenen Werkstatt mit entsprechender Technik, tüftelte der Ingenieur weiter. Nach längeren Testreihen kam er auf die Idee, als Rohmaterial statt des bekannten Kunststoffs oder Metalls mit Perlit zu experimentieren.

Nach vielversprechenden Versuchen begab er sich auf Patentrecherche, um sich vom Stand der Technik ein Bild zu machen. "Es gab noch kein Laserverfahren mit Perlit", berichtet Manjura. Daher meldete er sein Verfahren zum internationalen Patent an – mit Blick auf das Great Barrier Reef inklusive Australien. Sein 3D-Fertigungsverfahren, im Fachjargon "Mineral Direct Laser Sintering" (MDLS), habe weltweit zum ersten Mal die additive Fertigung mit Vulkangestein ermöglicht. Der mineralische Rohstoff macht den 3D-Druck seinen Angaben zufolge deutlich günstiger und schneller als herkömmliche 3D-Druckverfahren, etwa beim Kunststoffdruck. Die gedruckten Objekte seien ultraleicht und hitzebeständig bis 1 000 Grad. Manjura zeigt eine ausgedruckte Feuerschale, die man selbst im flammenden Betrieb noch ohne Probleme von unten in der Hand halten könne. Ein weiterer Pluspunkt ist für ihn der nachhaltige Aspekt: Bei der Herstellung kommen nur natürliche Rohstoffe ohne Bindemittel oder Zusätze zum Einsatz.

Schwierige Investorensuche

2018 hob er seine Firma zunächst als Unternehmergesellschaft UG aus der Taufe. Er baute einen Laserschneider erfolgreich als Prototyp in einen 3D-Drucker und zeigte, dass seine Technologie funktioniert: "Die Bauteile kamen am Ende wie gewünscht heraus", sagt Manjura. Sein Jungunternehmen bietet heute von der Einzelanfertigung bis zur Mittelserie individuelle Lösungen für andere Firmenkunden an. Schon zuvor ging der gebürtige Pole, der 1990 mit seinen Eltern nach Deutschland kam, auf Investorensuche. Im Rückblick beschreibt er das zurückhaltend als einen "herausfordernden Zeitraum": Er sei von seinem Produkt überzeugt gewesen und "pitchte vor potenziellen Investoren noch und nöcher", wie er sagt. Doch die unterschiedlichen bayerischen oder bundesweiten Kapitalgeber winkten ab, keiner wollte Risikokapital in die Innovation investieren. "Die Risikofinanzierung in Deutschland ist ganz anders als in den USA oder China." Denn er suchte in der früheren Finanzierungsphase Seed-Kapital, worunter man Beteiligungskapital für ein zukünftiges Unternehmen versteht, um seinen Prototypen zu finanzieren. Entsprechend gab es noch keine Einnahmen. Manjura konnte die Strategien der Finanzierer nicht nachvollziehen: "Kommen Sie mit 100 000 Euro Umsatz wieder", bekam er zu hören.

Letztlich landete er beim Würzburger "Business Angel" Dr. Joachim Kuhn, der selbst als Gründer ähnliche Erfahrungen gemacht hatte. Kuhn hatte im Jahr 2000 den Bayerischen Hochschul-Gründerpreis für seine Idee von energieeffizienten und umweltfreundlichen Dämmlösungen erhalten, die heute von seiner Firma Va-Q-tec AG in Würzburg entwickelt, produziert und vertrieben werden. Er stieg 2020 bei der ING3D GmbH als strategischer Investor ein und sicherte sich zusammen mit einem reinen Finanzinvestor 30 Prozent der Anteile für 1,2 Mio. Euro. Mittlerweile rufe gut jede Woche ein Investor an, um zusätzlich einzusteigen. Für Manjura bestätigt das eine risikoaverse Beteiligungspolitik: "Das ist ein Riesenproblem für vielversprechende Innovationen."

Vom neuen Büro an der Stadtgrenze von Nürnberg und Fürth will ING3D eigens konfigurierte 3D-Druckmaschinen an andere Unternehmen verkaufen, die diese beispielsweise im Bausektor, bei der Dämmung von Öfen oder beim Gemüseanbau für das "Vertical Farming" einsetzen können, also dem landwirtschaftlichen Anbau auf mehreren Ebenen übereinander. Das geht allerdings nur über einen Umweg: "Aktuell entwickeln wir Prototypen für Produkte, die es noch gar nicht gibt", sagt Manjura. Dabei geht es etwa um schalldämmende Lösungen für die Baubranche, spezielle Abluftrohre oder kleine Pflanzbehälter im Vertical-Farming-Gewächshaus. Einerseits mögen die kleinen Pflanzen das Vulkangestein, andererseits kann der Roboter automatisiert die Setzlinge in den formstabilen Behältern gut greifen und verschieben. Lediglich von der Automobilindustrie will er vorerst die Finger lassen. Über einen ersten Entwicklerauftrag hat er sich zunächst gefreut: "Wer würde das nicht als Start-up", fragt er rhetorisch. Allerdings habe er für die gewünschte Dämmlösung vor lauter Verschwiegenheitserklärungen anderer beteiligter Zulieferer keine ausreichenden Informationen bekommen. "Das war für uns Engineering in the dark", fasst er seine Erfahrung zusammen.

Weitere Visionen im Hinterkopf

Mittlerweile ist sein Team auf sechs Mitarbeiter gewachsen, darunter Software-Entwickler für Maschinentechnik und 3D-Druckspezialisten. ING3D erzielt mit Entwicklungsaufträgen in diesem Geschäftsjahr voraussichtlich einen kleineren sechsstelligen Umsatz. Für kommendes Jahr ist der Verkauf der ersten 3D-Druckmaschine geplant. "Wir haben gezeigt, dass wir es können", sagt er selbstbewusst. Nur beim Industriestandard müsse noch nachjustiert werden, zudem sei für die Zukunft eine Fernwartung geplant.

Manjura hat noch eine weitere Vision im Hinterkopf, die er mit Beharrlichkeit in ferner Zukunft umsetzen will: Dabei geht es um eine Lösung, um mit einer Art ING3D-Ofendämmung Kohlendioxid aus der Luft zu filtern. Hierzu tauscht er sich mit dem Fraunhofer-Institut für Umwelt-, Sicherheits- und Energietechnik (Umsicht) in Oberhausen aus. Der Jungunternehmer denkt dabei im industriellen Maßstab, um Giga- oder Terratonnen an Kohlendioxid aus der Luft zu holen. Die Kohlendioxid-Filter von ING3D seien eine günstigere Alternative zu teuren Edelmetall-Katalysatoren, so Manjura. Deshalb ist seine Grundidee, das herausgefilterte Kohlendioxid mit der vergleichsweisen einfachen Erzeugung von Methanol oder Methyl zu kombinieren und so mit einem Klimakiller Wertschöpfung zu betreiben. Dieses Prinzip heißt "Carbon to Value": Dabei wird Kohlendioxid wirtschaftlich in neue Produktionsprozesse eingebunden. Ungeduldig räumt er aber auch ein: "Es geht alles im Zeitlupentempo und viel zu langsam."

Autor/in: 

(tt.)

 

WiM – Wirtschaft in Mittelfranken, Ausgabe 11|2022, Seite 74

 
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