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Energieversorgung

Das muss schneller gehen!

Positionspapier der IHK-Organisation: Was muss bis 2030 auf dem Energiesektor geschafft werden?

Zehn Leitlinien für eine sichere, nachhaltige und wettbewerbsfähige Energieversorgung hat die Deutsche Industrie- und Handelskammer (DIHK) in einem Positionspapier formuliert. Das Positionspapier mit dem Titel „DIHK-Perspektiven für die Energieversorgung 2030 in Deutschland“ stellt zentrale Forderungen an die Politik.

„Die DIHK unterstützt das politische Ziel, die Treibhausgase erheblich zu reduzieren und Klimaneutralität zu erreichen. Gleichzeitig brauchen die Unternehmen dauerhaft sicheren Zugang zu Energie zu wettbewerbsfähigen Preisen“, fasste DIHK-Präsident Peter Adrian zusammen. Insbesondere beim Ausbau der erneuerbaren Energien liege vieles im Argen. Vor allem müssten die Planungs- und Genehmigungsverfahren radikal verschlankt sowie die Eigenstromversorgung und grüne Lieferverträge jenseits der EEG-Vergütung gestärkt werden. Außerdem poche die Wirtschaft u. a. auf einen schnelleren Ausbau der Infrastruktur, die verstärkte Nutzung heimischer Energiepotenziale sowie einen schnelleren Einstieg in die Wasserstoff-Wirtschaft. Hinzukommen müssten Entlastungen für Unternehmen bei den Energiepreisen: Die Reduzierung von Abgaben auf Strom und Gas wäre schnell umsetzbar. Durch eine Finanzierung von Umlagen aus dem Bundeshaushalt und einer Senkung der Strom- und Energiesteuer auf Gas könnten die Energiekosten abgesenkt werden.

Die zehn Leitlinien im Einzelnen:

Den Turbo bei erneuerbaren Energien zünden: Der Ausbau erneuerbarer Energien ist deutlich zu langsam, um die politischen Ziele zu erreichen. Aus Sicht der Wirtschaft sollte die Politik vor allem an folgenden Schrauben drehen, um den Ausbau-Turbo zu zünden: Bund, Länder und Kommunen sollten für den Bau von Wind- und Photovoltaik-Freiflächenanlagen mehr Flächen zur Verfügung stellen. Der Ausbau von Windanlagen an Land kann zudem beschleunigt werden, wenn Prüfschritte für Neuanlagen und Repowering entfallen.

Heimische Potenziale in den Blick nehmen: Die Ausweitung heimischer Potenziale stärkt die Versorgungssicherheit für die Unternehmen. Die Produktion von erneuerbaren Gasen sowie die konventionelle Gasförderung inklusive einer nachhaltigen Förderung von Schiefergas an Land und auf See schaffen ein breiteres Energieangebot. Dadurch wird die Energieversorgung weniger anfällig für externe Schocks bei plötzlich wegfallenden Importquellen oder -routen. Gleichzeitig bietet eine stärkere Nutzung der oberflächennahen und der Tiefen-Geothermie weitere Potenziale. Eine Beschleunigung der Planungs- und Genehmigungsverfahren sowie eine Anpassung der rechtlichen Rahmenbedingungen bei der Wasser- und Umweltverträglichkeitsprüfung helfen, diese Potenziale zu erschließen.

Neben Gas andere Brückentechnologien nutzen: Gas ist als Brückentechnologie noch für viele Jahre unverzichtbar. Als einzige Brücke ist Gas hingegen aus Sicht der Wirtschaft nicht ausreichend – sowohl mit Blick auf die Resilienz der Energieversorgung als auch mit Blick auf die Kosten. Für einen resilienten Energiemix zu wettbewerbsfähigen Preisen sind daher wetterunabhängige Energieträger und Technologien wie Wasserkraft, Tiefen-Geothermie, Biomasse und voraussichtlich auch Kohlekraftwerke mindestens solange notwendig, bis Speichertechnologien, Nachfrageflexibilität und Wasserstoffkraftwerke in einem ausreichend skalierbaren Maßstab bereitstehen. Um das Energiesystem zu stabilisieren, müssen sogenannte Power-to-x-Lösungen sowie der Aufbau von Energiespeichern schneller vorankommen.

Wettbewerbsfähige Energiekosten ermöglichen: Die hohen Energiekosten haben die Wirtschaft bereits vor der Krise stark belastet. Auch wenn die Preise für Strom und Gas in jüngster Zeit gesunken sind, gefährdet das Preisniveau die internationale Wettbewerbsfähigkeit erheblich. Auch mit der Gas- und Strompreisbremse liegen die Energiekosten für energieintensive Prozesse und Dienstleistungen deutlich über den Beschaffungskosten in Frankreich oder den USA. Um seine Energiekosten dauerhaft zu senken, muss in Deutschland in erster Linie das Angebot massiv ausgebaut werden. Es sollte der Grundsatz gelten: Kraftwerkskapazitäten werden nur abgeschaltet, wenn andere wetterunabhängige Leistungen zur Verfügung stehen.

Infrastruktur schneller ausbauen: Je weiter der Ausbau der Erneuerbaren, der Markthochlauf von Wasserstoff sowie die E-Mobilität und der Einbau von Wärmepumpen voranschreiten, desto dringlicher ist eine leistungsfähige Energieinfrastruktur. Ohne entsprechenden Infrastrukturzugang können Unternehmen sich nicht oder nur eingeschränkt an der Energiewende beteiligen und ihre betrieblichen Klimaschutzziele erreichen. Daher muss der notwendige Ausbau der Netzinfrastruktur koordiniert und über alle Energieträger hinweg beschleunigt umgesetzt werden. Der bisher schleppende Ausbau der Stromnetze auf allen Ebenen führt zu Abschaltungen von Erzeugungsanlangen und Eingriffen in die Fahrweise von Kraftwerken („Redispatch“), die die Wirtschaft finanziell belasten und die Netzstabilität gefährden.

Auf den Energiemärkten stärker auf Markt und Europa setzen: Das aktuelle Strommarkt-Design sorgt dafür, dass immer die günstigsten Kraftwerke zur Deckung der Nachfrage zum Einsatz kommen („Merit Order“). Für die Unternehmen werden die Kosten der Stromversorgung dadurch begrenzt. Staatliche Eingriffe schränken die Effizienz des Marktes ein und können daher zu höheren Kosten für die Betriebe führen. Daher sollten solche Eingriffe auf ein Minimum beschränkt sein. Sollte aus politischer Perspektive eine Förderung etwa für erneuerbare Energien notwendig sein, sind Investitionszuschüsse für Unternehmen einer Betriebskostenförderung vorzuziehen. Dadurch werden Marktverzerrungen reduziert. Was der Markt kann, sollte nicht (länger) vom Staat übernommen werden.

Wasserstoff schnell verfügbar machen: Deutsche Unternehmen benötigen Wasserstoff in großen Mengen, um ihre betrieblichen Klimaschutzziele zu erreichen. Damit Wasserstoff rasch breit verfügbar wird, sind einheitliche europäische Regelungen insbesondere bei CO2-neutralem und grünem Wasserstoff notwendig. Die regulatorischen Anforderungen etwa zur Herkunft des verwendeten Stroms sollten zumindest in einer Übergangszeit so schlank wie möglich sein, um den Markthochlauf nicht zu bremsen.

Energieeffizienz durch Freiwilligkeit und Technologieoffenheit steigern: Die systematische Steigerung der Energieeffizienz liegt im Eigeninteresse der Unternehmen. Schließlich können sie so ihre betrieblichen Klimaschutzziele erreichen und gleichzeitig durch die Vermeidung von Energiebezug Kosten sparen. Der effiziente Energieeinsatz ist daher fester Bestandteil eines rationellen betrieblichen Energiemanagements und zugleich Triebkraft von Innovationen und neuen Geschäftsmodellen. Einfache Maßnahmen sind aufgrund der seit Jahren hohen Energiepreise in Deutschland bereits in vielen Unternehmen längst umgesetzt worden. Zukünftige Maßnahmen erfordern hingegen aufgrund steigender Grenzkosten hohe Investitionen und sind vergleichsweise komplex in der betrieblichen Umsetzung.

Standortqualität erhöhen sowie Rohstoffversorgung und Lieferketten diversifizieren: Die EU will bei wichtigen Schlüsseltechnologien zur Digitalisierung und Transformation von Importen unabhängiger werden. Das kann die Energiepolitik nicht allein erreichen. Damit sich entsprechende Unternehmen in Deutschland ansiedeln und auch dauerhaft am Standort produzieren, muss die Politik die Rahmenbedingungen für industrielle Produktion generell verbessern. Dazu gehören neben einer sicheren und zunehmend grünen Energieversorgung zu wettbewerbsfähigen Preisen unter anderem ausreichend verfügbare Fachkräfte und eine moderne Infrastruktur.

Innovationen erleichtern: Maßgeblich für eine erfolgreiche Energie- und Klimapolitik sind Innovationen und neue Technologien. Zum Beispiel wird CO2 nicht in allen Prozessen vollständig vermieden werden können. Hierfür braucht es neue Lösungen für die Abscheidung, Speicherung und Nutzung von CO2 (CCS/CCU). Daher sollten Innovationen im Bereich Klimaschutz durch technologieoffene Fördermaßnahmen angestoßen werden. Hier sind allerdings bürokratiearme, schnelle und digitalisierte Förderprozesse bei den Unterstützungsmöglichkeiten vonnöten.

Download des vollständigen Papiers:
www.dihk.de (Suchbegriff „Energieversorgung 2030“)
www.dihk.de/energiekrise
#WirtschaftBrauchtEnergie

 

WiM – Wirtschaft in Mittelfranken, Ausgabe 04|2023, Seite 18

 
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