Telefon: +49 911 1335-1335

Zehn Kernforderungen zur Bundestagswahl

Der Bayerische Industrie- und Handelskammertag (BIHK) hat ein Positionspapier zur Bundestagswahl im September 2002 vorgelegt. Die zehn Kernforderungen beschäftigen sich mit den für die Wirtschaft zentralen Themen Arbeitsmarkt, soziale Sicherung, Steuerpolitik, Bildungssystem, Zuwanderung, Existenzgründung/Nachfolge, Infrastruktur, Energiepolitik, Umweltschutz und Innovation.

1. Flexibilisierung des Arbeitsmarktes

Zum Erhalt der ökonomischen Basis und Leistungsfähigkeit des Wirtschaftsstandortes Deutschland bedarf es tiefgreifender Reformen des Arbeitsmarktes. Ein arbeitsmarktpolitischer Befreiungsschlag ist in Übereinstimmung mit IWF, OECD und den wirtschaftswissenschaftlichen Instituten Deutschlands nur über die Deregulierung des Arbeitsmarktes zu erreichen. Wir fordern daher den Abbau der in den vergangenen vier Jahren geschaffenen arbeitsmarktpolitischen Hemmnisse. Rückgängig zu machen sind:

  •  Die Erweiterung des Anwendungsbereiches des Kündigungsschutzgesetzes,
  • die neuen bzw. verschärften Regelungen über die so genannte Scheinselbständigkeit und die 325 Euro-Jobs,
  • die neuen Rechtsansprüche auf Teilzeitarbeit,
  • das neue Schwerbehindertengesetz
  • sowie die Ausweitung der Bestimmungen im Betriebsverfassungsgesetz, insbesondere die Absenkung der Schwellenwerte für die Größe des Betriebsrats und der Jugend- bzw. Auszubildendenvertretung sowie für Freistellungen der Betriebsratsmitglieder.

Des Weiteren bedarf es

  • der Einführung eines Niedriglohnsektors und
  • eines Ausbaus der betrieblichen Gestaltungsspielräume bei Lohn- und Arbeitszeitfragen durch eine Klarstellung des Günstigkeitsprinzips im Betriebsverfassungsgesetz dahingehend, dass es künftig auch im Sinne der Sicherheit des Arbeitsplatzes angewandt werden kann.

2. Die Reform der sozialen Sicherungssysteme

Die Flexibilisierung des Arbeitsmarktes muss einhergehen mit einer grundlegenden Reform der sozialen Sicherungssysteme. Die Bundespolitik ist aufgefordert, die umfangreichen Rationalisierungsreserven der Systeme auszuschöpfen sowie den Wettbewerb und die Eigenvorsorge zu stärken, um so Spielraum für die dringend notwendige Absenkung der Beitragssätze auf dauerhaft unter 40 Prozent zu schaffen.


3. Verbesserung der steuerlichen Rahmenbedingungen

In Deutschland müssen die steuerlichen Rahmenbedingungen für Investitionen verbessert werden, um bestehende Arbeitsplätze zu sichern und neue zu schaffen. Die Reform der Unternehmenssteuer war nur ein erster Schritt. Sie muss im Interesse mittelständischer Betriebe, die überwiegend in Form von Personengesellschaften organisiert sind, fortentwickelt werden. Vor dem Hintergrund, dass der Mittelstand noch bis 2005 auf die volle Tarifsenkung warten muss, jedoch bereits jetzt die Gegenfinanzierungsmaßnahmen mitzutragen hat, gilt es, die Steuersatzsenkung vorzuziehen. Eine zentrale Forderung: Die steuerliche Belastung unternehmerischer Einkünfte einschließlich der Gewerbesteuer darf 35 Prozent nicht übersteigen, wie dies die Bundesregierung bereits versprochen hat.


4. Modernisierung des Bildungssystems

Das Thema „Bildung“ muss wieder als gesamtgesellschaftliche Aufgabe gesehen werden. Nur durch ein konstruktives Zusammenwirken von Eltern, Schulen, Ausbildungsbetrieben und Hochschulen kann eine erfolgreiche Erziehung und Ausbildung der jungen Generation gewährleistet werden. Der Bildungsstandort Deutschland muss durch Modernisierungsmaßnahmen wieder attraktiv werden. Ziel ist eine umfassende und flächendeckende Qualitätsverbesserung im gesamten Bildungswesen. Der bayerischen Wirtschaft geht es hierbei insbesondere um die Sicherstellung der Ausbildungsreife der Jugendlichen, da ausbildende Unternehmen und Berufsschule auf Dauer nicht in der Lage sind, die Versäumnisse der allgemeinen Schulbildung auszugleichen.


Im Einzelnen ist zu fordern:

  • Eine gezielte Förderung lernschwacher und fremdsprachiger Kinder.
  • Ein Ausbau des Angebots an Ganztagskindergärten und Ganztagsschulen, gerade in sozialen Brennpunkten, wo Betreuungseinrichtungen und Schulen zunehmend erzieherische Aufgaben übernehmen müssen.
  • Eine Konzentration des Lernstoffs.
  • Eine Verkürzung der Bildungszeiten, wie beispielsweise ein Abitur nach zwölf Jahren, um so einen früheren Eintritt in den Arbeitsprozess zu ermöglichen.
  • Ein Ausbau der Förderung von Hochbegabten und leistungsstarken Schülern.
  • Die Entwicklung praxisorientierter und theorieentlasteter Ausbildungsberufe, um jungen, lernschwachen Schülern den Einstieg in das Berufsleben zu ermöglichen bzw. zu erleichtern.
  • Eine größere inhaltliche und finanzielle Eigenverantwortung der Universitäten, verbunden mit der Möglichkeit der Erhebung von Studiengebühren.
  • Die Fortentwicklung eines pluralen und flexiblen Weiterbildungsmarktes.

5. Steuerung der Zuwanderung aus Nicht-EU-Staaten durch ein Einwanderungsgesetz

Deutschland steht an der Schwelle zu einer starken demographischen Verwerfung. Das Angebot an Arbeitskräften in Deutschland wird verstärkt ab dem Jahr 2010 auf Grund des Bevölkerungsrückgangs deutlich sinken, mit der Folge, dass es den Unternehmen nicht mehr gelingen wird, Mitarbeiter in der benötigten Zahl zu gewinnen. Das inländische Arbeitskräftepotenzial muss durch Maßnahmen der Aus- und Weiterbildung, eine bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf, eine Steigerung der Erwerbsbeteiligungsquote von Frauen und eine Verlängerung der Lebensarbeitszeit ausgeschöpft werden. Darüber hinaus brauchen wir jedoch auch die Zuwanderung von ausländischen Fachkräften. Bei der Steuerung der Einwanderung ist aus Sicht der bayerischen IHKs insbesondere zu beachten, dass sich die Zahl der Zuwanderer am aktuellen Bedarf auf dem Arbeitsmarkt orientieren muss.


6. Förderung der Existenzgründung und der Unternehmensnachfolge

Zwischen den Gründungsaktivitäten und dem Wirtschaftswachstum besteht ein statistisch nachweisbarer Zusammenhang. Je höher die Gründungsaktivitäten in einem Land sind, desto höher ist auch das wirtschaftliche Wachstum. Zur Förderung von Existenzgründungen ist das Gründungsklima durch Abbau bürokratischer Hemmnisse zu verbessern. Die bayerischen Industrie- und Handelskammern sprechen sich daher

  • für schnellere und einfachere Bau-, Betriebs- und Anlagegenehmigungen,
  • für klare behördliche Zuständigkeiten und
  • gegen eine gründungsfeindliche Steuergesetzgebung und gegen ein gründungshemmendes Arbeitsrecht aus.

7. Ausbau der Verkehrsinfrastruktur

Das stetige Anwachsen des Personen- und Güterverkehrs macht einen weiteren Ausbau der Verkehrsinfrastruktur bei allen Verkehrsträgern (Straße/Schiene/Wasser/ Luft) erforderlich, da eine leistungsfähige Verkehrsinfrastruktur ein zentraler Standortfaktor der Wirtschaft ist.

Erforderlich ist daher:

  • Der Erhalt und der bedarfsgerechte Ausbau der vorhandenen Verkehrsinfrastruktur.
  • Eine verbesserte Kapazitätsausnutzung der vorhandenen Infrastruktur durch den Einsatz von Verkehrsleitsystemen und Telematik-Diensten.
  • Eine Kompensation der Einführung der streckenbezogenen Lkw-Maut sowie eine Zweckbindung der Einnahmen aus der Lkw-Maut an den Straßenbau.
  • Eine Verbesserung der Verknüpfungsmöglichkeiten der Verkehrsträger durch den Ausbau geeigneter Verlade- und Umschlagseinrichtungen.
  • Die Realisierung von Sonderprojekten „Europäische Vereinigung“ nach dem Muster „Deutsche Einheit“ im Hinblick auf die bevorstehende EU-Erweiterung.

8. Orientierung der Energiepolitik am Prinzip der Nachhaltigkeit

Die Energiepolitik muss sich am Prinzip der Nachhaltigkeit orientieren, das heißt, sie muss ökologisch, ökonomisch und sozial gleichermaßen tragfähig sein. Mit endlichen Energien muss sparsam umgegangen und die Energiepreise müssen wettbewerbsfähig gehalten werden, um so dem Bedürfnis der Wirtschaft nach günstigen Strompreisen zu entsprechen und die Kaufkraft der Bürger zu sichern. Erforderlich hierfür ist:


9. Stärkung von Eigenverantwortung und Freiwilligkeit im Umweltschutz

Freiwilligkeit und Eigenverantwortung sind die unverzichtbaren Antriebskräfte für eine kontinuierliche Verbesserung des Umweltschutzes. Die Umweltschutzpolitik muss daher von dem Ziel bestimmt sein, den freiwilligen Umweltschutz der Wirtschaft zu unterstützen. Die Selbststeuerungskräfte der Wirtschaft dürfen nicht durch ein ausuferndes Ordnungsrecht erstickt werden. Es bedarf daher insbesondere eines Ausforstens des unübersichtlichen Umweltrechtes und verbesserter Anrechnungsmöglichkeiten freiwillig erbrachter und zertifizierter Leistungen bei Genehmigungs- und Kontrollvorschriften.


10. Innovationen

Im globalen Wettbewerb ist Deutschland auf innovative Vorsprünge bei Produkten und Dienstleistungen angewiesen, um Beschäftigung und hohe Einkommen zu sichern.

Die vollständigen Forderungen sind auf den Internet-Seiten der IHK München abzurufen (www.muenchen.ihk.de/aktuelles/).

 

WiM – Wirtschaft in Mittelfranken, Ausgabe 05|2002, Seite 29

 
Device Index

Alle Ansprechpartner/innen auf einen Blick