Im Mai 2025 haben die neun bayerischen IHKs ein gemeinsames Positionspapier zu aktuellen Aspekten der Umweltpolitik verabschiedet.
Auf einen Blick
Mit dem Green Deal und dem Clean Industrial Deal der EU verstärken sich die Anforderungen an die Umweltgesetzgebung und Kreislaufwirtschaft. Die EU-Aktionspläne für eine Schadstofffreiheit von Luft, Wasser und Boden, die Chemikalienstrategie für Nachhaltigkeit sowie für die Kreislaufwirtschaft haben mit ihren nachrangigen Regulierungen einen immer größeren Einfluss auf das nachhaltige Wirtschaften und die Herstellerverantwortung von Unternehmen. Damit greift das Umwelt- und Abfallrecht immer stärker in die Abläufe der Unternehmen ein, da jedes Produkt mit seinem gesamten Lebenszyklus davon betroffen ist. Die Bundes- und Landesgesetzgebung folgen dieser Entwicklung. Der Schutz von Mensch und Umwelt wird von der Wirtschaft als wichtiges und richtiges Anliegen unterstützt. Die Unternehmen steigern ihre Umweltleistungen, sehen damit verbundene Chancen und investieren in eine nachhaltige Entwicklung. Allerdings führen die immer strengeren Regulierungen, hohe Anforderungen an Produkte und zunehmende Berichtspflichten zu hohen Belastungen und steigenden Kosten, was zu Nachteilen im internationalen Wettbewerb führen kann. Die Unternehmen fordern daher, die Anforderungen an die Transformation der Wirtschaft machbar zu gestalten, die Unternehmen mitzunehmen und mit längeren Übergangszeiten einer Überforderung vorzubeugen.
Zusammengefasst sind wesentlichen Aspekte bezüglich der Gestaltung des Rechtsrahmens der Umweltpolitik, Themen der Kreislaufwirtschaft, der Chemikalienpolitik, des Immissions- und Gewässerschutzes sowie Genehmigungsverfahren. Es bezieht sich auf die aktuellen Herausforderungen in der Umweltpolitik, gibt aber auch grundsätzliche Haltungen wieder. Mit der Aufteilung der einzelnen Positionen auf EU-, Bundes- und Landesebene kann der Adressat auf einen Blick bestimmt werden. Grundlage für die vorliegende Position sind die Mantelpapiere für die Bundestagswahl 2025 und Landtagswahl 2023 sowie die Wirtschafts- und Europapolitischen Positionen der IHK-Organisation 2024.
Positionen
Ziele und Lösungen
EU-Ebene
Umwelt schützen, Wirtschaft stärken: Fokus auf bürokratiearme Umsetzung
Innovationskraft und Verantwortung für Umweltschutz stärken Ge- und Verbote sollten nur gewählt werden, wenn Innovations- und Forschungsförderung, freiwilliges Engagement oder vertragliche Vereinbarungen nachweislich nicht ausreichen. Preisliche Anreize sollten ordnungsrechtlichen Vorgaben wie Quoten oder Verboten vorgezogen werden. Dabei sollten Transparenz und Technologieoffenheit im Mittelpunkt stehen. Besonders kleine und mittlere Unternehmen müssen ausreichend Zeit für notwendige technische Anpassungen erhalten. Der Gesetzgeber sollte Berichtspflichten im Umweltrecht kontinuierlich auf Belastungen überprüfen.
Level Playing Field für nachhaltiges Wirtschaften In vielen Bereichen des Umweltrechts werden Regelungen innerhalb der EU unterschiedlich streng und bei Importprodukten teilweise gar nicht eingehalten. Schwerpunkt der europäischen Umweltpolitik sollte die einheitliche Anwendung und Durchsetzung bestehender Regeln bilden. Deutschen Unternehmen dürfen dabei keine Nachteile gegenüber europäischen oder internationalen Wettbewerbern entstehen. Für den Onlinehandel sollten die gleichen umweltrechtlichen Verpflichtungen gelten wie für den stationären Handel.
Risiken des Stoffrechts minimieren Die breite Beschränkung ganzer Stoffgruppen in Herstellung und Verwendung hat weitreichende negative Auswirkungen auf große Teile der deutschen und europäischen Industrie. Dies gefährdet die Investitions- und Wettbewerbsfähigkeit der Europäischen Union. Die langwierigen Verfahren der Einstufung oder Beschränkung von Stoffen führen zu Unsicherheiten und Investitionszurückhaltung bei Unternehmen. Beschränkte Stoffe müssen häufig durch Alternativen ersetzt werden, deren ökologische Eigenschaften noch nicht geklärt sind oder die zu negativen Ausweicheffekten führen könnten. Einstufungen oder Beschränkungen von Stoffen müssen deshalb weiterhin stoffbezogen und risikobasiert erfolgen. Informations- und Prüfpflichten sollten praxisgerecht gestaltet und der Erfüllungsaufwand für Unternehmen innerhalb der Lieferkette zumutbar bleiben.
Förderung der Kreislaufwirtschaft – Stoffkreisläufe schließen Eine erfolgreiche Kreislaufwirtschaft schützt die natürlichen Ressourcen und verringert die Importabhängigkeit bei Rohstoffen, was die Resilienz von Unternehmen verbessert. Zu umfassende Nachhaltigkeitsvorgaben für Produkte im Rahmen der erweiterten Herstellerverantwortung - beispielsweis detaillierte Ökodesign-Anforderungen - können allerdings wiederum dazu führen, dass die Produktvielfalt beschnitten und technologieoffene Innovationen erschwert werden. Daher sollte Unternehmen genügend Freiraum bei der Produktentwicklung sowie frühzeitig Planungssicherheit und Zeit für notwendige Transformationsprozesse eingeräumt werden. Um ökonomische Potenziale heben zu können, sollten neue Regularien, wie die Einführung des Digitalen Produktpasses, europaweit einheitlich gestaltet und angewandt werden, unter frühzeitiger und konstruktiver Einbeziehung unternehmerischer Expertise.
Herstellerverantwortung und Wettbewerb fair gestalten Eine Erweiterung des Gewährleistungsrechts im Hinblick auf den Anspruch auf Reparatur (“Right to Repair”) kann für einen Großteil der Unternehmen derzeit nur mit Anreizen umgesetzt werden, da es vielen Unternehmen noch an der nötigen Infrastruktur fehlt. Geklärt werden sollte auch der Umgang mit Import- sowie Onlineware und deren Einbeziehung in die Reparaturvorhaben, um eine Gleichstellung mit stationärem Handel zu ermöglichen. Berichtspflichten sollten auf rechtlich vorgesehene Informationen beschränkt bleiben, und nicht wie beispielsweise in der SCIP-Datenbank über die Anforderungen gem. Art. 33 REACH-Verordnung hinaus gehen. Des Weiteren sollten Informationen nur einmal erhoben werden. Dies reduziert den Aufwand für Unternehmen. Überregulierungen zur Einhaltung eines fairen Wettbewerbs in punkto Umweltaussagen (Green Claims) der Unternehmen sind zu vermeiden, stattdessen sind bestehende Instrumente heranzuziehen.
Verpackungsverordnung - Bürokratie abbauen und Verfahren vereinfachen Die europäische Verpackungsverordnung sollte Anforderungen harmonisieren, die einzelnen Akteure in der Lieferkette klar definieren und eine einheitliche Umsetzung in Europa sicherstellen. Die Herstellerverantwortung und Registrierpflichten sollten für ganz Europa gelten. Kennzeichnungspflichten und Vorgaben zur Verpackungsgestaltung mit Anforderungen an den Einsatz von Recyclingmaterialien sollten ebenfalls europaweit einheitlich gelten. Kleinstunternehmer müssen mit der Einführung von Bagatellgrenzen entlastet werden.
Bundesebene
Umweltvorgaben zusammenführen und mit Strategien und Leitlinien praxistauglicher gestalten Umweltvorgaben beispielsweise hinsichtlich Berichtspflichten oder komplexer Erfüllungsaufwände sind unterschiedlich ausgestaltet, auch ein immer höherer Anteil an geforderten externen Sachverständigen erzeugt Mehraufwand. Nationale Strategien wie die von Wasser, Biodiversität oder der Kreislaufwirtschaft zeugen von nicht ausreichender Vernetzung. Dabei sind klare, eindeutige politische und gesetzliche Rahmenbedingungen, Planungssicherheit und praxisnahe Leitlinien für die Unternehmen über Behördengrenzen hinweg unerlässlich. Eine geeignete digitale Dokumentationsform beschleunigt darüber hinaus die Prozesse.
Unternehmen und relevante Facharbeitskreise bei der Definition von Umweltzielen einbinden und vernetzen Der frühzeitige Einbezug von Unternehmen in Facharbeitskreise stärkt die Praxistauglichkeit von Umweltvorgaben. Um die Umweltziele zu erreichen, muss die Selbstverantwortung der Unternehmen stärker einbezogen und den Märkten Anreize gesetzt werden. Das internationale Umfeld der Unternehmen sollte mit einem weltweiten Level Playing Field zur Vermeidung von Wettbewerbsverzerrungen Berücksichtigung finden.
Genehmigungsverfahren und Umweltregulierungen straffen und international harmonisieren Die umweltrechtlichen Anforderungen (Bsp. BImSchG, Industrieemissionsrichtlinie, REACH-VO) sind komplex und können Innovationen, wirtschaftliche Entwicklungen und den weltweiten Marktzugang hemmen. Eine kohärente Gesetzgebung über die Rechtsgebiete hinweg und deren internationale Harmonisierung stärken Unternehmen. Darüber hinaus sollten Zulassungs- und Genehmigungsverfahren gestrafft werden. Regulierungen sollten technologieoffen und transparent nur dort eingeführt werden, wo Selbstverpflichtungen nicht wirken.
Regulierungsänderungen einer Folgenabschätzung unterziehen und Zielkonflikte vermeiden Stoffbeschränkungen durch EU-REACH und Anforderungen der EU-Nullschadstoffambitionen sowie einhergehender Dokumentationsaufwand können zu globalen Wettbewerbsnachteilen führen. Die Risiken und Belastungen durch das Stoffrecht müssen individuell und anwendungsbezogen beurteilt und minimiert werden. Grundsätzlich sollten Änderungen einer sorgfältigen Folgenabschätzung unterzogen, Zielkonflikte frühzeitig abgewogen und Stoffalternativen beachtet werden. Zudem erleichtern realistische Übergangsfristen und Ausnahmen die Umsetzung von Regulierungsänderungen.
Verlässliche Rahmenbedingungen, Unterstützung und Förderprogramme für zirkuläre Geschäftsmodelle schaffen Die Herstellerverantwortung steigt v. a. im Bereich der nachhaltigen Produktentwicklung (Langlebigkeit, Recyclingfähigkeit). Bedarfsgerechte und kreislauffähige Produkte können nur dann erfolgreich entwickelt werden, wenn den Unternehmen Spielraum und Chancen in der Umsetzung der Kreislaufwirtschaft eingeräumt werden. Ergänzend sind finanzielle Anreize für die ressourceneffiziente Gestaltung sowie verlässliche Rahmenbedingungen und Förderprogramme für zirkuläre Geschäftsmodelle nötig. Für die sichere Sammlung und Rücknahme von Altgeräten müssen Anreize und Unterstützungen geschaffen werden.
Markt für hochwertige sekundäre Rohstoffe schaffen - rechtliche Hürden für den Einsatz von Recyclingprodukten senken Die Kreislaufwirtschaft ist aufgrund des noch geringen Einsatzes von Sekundärmaterialien und der geringen Zirkularitätsrate wenig entwickelt. Rechtliche Regelungen zum Einsatz von Sekundärmaterialien fehlen, hohe Kosten führen zu Akzeptanzproblemen und mangelnder Wettbewerbsfähigkeit. Der Produktstatus für Sekundärmaterialien und die Angleichung des Marktwertes an den von Primärrohstoffen kann dem entgegenwirken. Die Unternehmen sollen im Zugang zu sekundären Rohstoffen durch geeignete Informations- und Austauschplattformen unterstützt werden.
Bayerische Landesebene
Wettbewerbsfähigkeit und Innovationskraft mittels praxisgerechter Auslegung des Umweltrechts erhalten sowie Netzwerke fördern Die ungleiche Anwendung der Anforderungen in Bezug auf sichere Chemikalien und unverhältnismäßige Maßnahmen zu sauberer Luft und sauberem Wasser im Rahmen des Green Deal führen zu Einschränkungen bisheriger Produktionsprozesse und können Innovation und wirtschaftliche Entwicklung hemmen. Weltweiter Marktzugang und der Erhalt der Wettbewerbsfähigkeit sollen auch unter umweltverträglicher Produktion gesichert sein. Die Clusterbildung zwischen Umweltwirtschaft, Wissenschaft und Politik fördert die bayerische Umwelttechnologie, genauso wie Konsortienbildung zu Innovationen verhelfen kann.
Planungs- und Genehmigungsverfahren und Zielkonflikte gegenseitig überschneidender Rechtsgebiete auflösen Bestehende Standorte werden durch immer strengere Umwelt- und Naturschutzregelungen in ihren Entwicklungsmöglichkeiten behindert (Bsp.: Gewässerschutz bei Wasserkraft, Immissionsschutz in Mischgebieten). Bei Ausweisung neuer Flächennutzung und Regulierungen den Bestandsschutz beachten, so etwa bei heranrückender Wohnbebauung. Zudem müssen die Zielkonflikte im ökologischen, ökonomischen und sozialen Bereich aufgelöst werden, so beispielsweise bei der Weiterentwicklung von Standorten. Dem überragenden öffentlichen Interesse, beispielsweise für die Energiewende, muss bei Konflikten eine höhere Gewichtung zukommen. Die Planungs- und Genehmigungsverfahren für die Errichtung neuer Anlagen oder Standorte müssen beschleunigt werden, indem z. B. gesetzliche Fristen von den Genehmigungsbehörden eingehalten werden und dies auch kontrolliert wird. Ein anderes Beispiel ist die Berücksichtigung der materiellen Präklusion im Umweltrecht.
Sicherung der Ökosysteme mit bürokratiearmen Verfahren abwickeln Um den Naturraum zu schützen, werden negative Nutzungen und Einflüsse durch die Behörden überwacht. Die daraus resultierenden Berichtspflichten, Anzeigen oder Genehmigungen sollten für die Unternehmen mit schlanken Verfahren umgesetzt werden, unterstützt durch digitale Lösungen. So sollte die Einführung des bayerischen Wasserentnahmeentgelts beispielsweise so bürokratiearm wie möglich gestaltet werden oder Unternehmen bei der Flächensuche für Ausgleichsmaßnahmen unterstützt werden.
Akzeptanz von Sekundärrohstoffen erhöhen Um den Akzeptanzproblemen von Sekundärrohstoffen zu begegnen, muss eine effiziente Kreislaufwirtschaft weiterentwickelt werden. Dazu zählen die Einführung allgemein anerkannter Qualitätsstandards und Normen (Bsp. Produktstatus von Sekundärrohstoffen), eine gezielte politische Förderung von Forschung und Entwicklung, aber auch die Vorbildfunktion der öffentlichen Beschaffung. Eine geeignete Informations- und Austauschplattform erleichtert zudem den Zugang zu Sekundärmaterialien.
Bayernweite praxistaugliche Umsetzung Die Kreislaufwirtschaft sollte auf Landesebene mit einer eigenen Strategie gestärkt und gefördert werden. Nationale Ansätze zur Kreislaufwirtschaft sollten um bayerische Aspekte ergänzt werden, welche praxistaugliche Umsetzungshilfen sowie Austausch- und Informationsplattformen für das Schließen von Kreisläufen leistet und den Anforderungen an die Kreislaufwirtschaft gerecht wird. Die bayerische Wirtschaft unterstützt die Ausarbeitung einer bayerischen Kreislaufwirtschaftsstrategie und ist offen für eine Beteiligung am Prozess.
Positionspapier der bayerischen IHKs zu aktuellen Aspekten Umweltpolitik