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Ausgleich statt Kampf durch alle Instanzen

Rechtsstreitigkeiten verschlingen Zeit und Geld, denn Recht haben und Recht bekommen sind bekanntlich zwei verschiedene Paar Schuhe. Über aktuelle Fragen der Rechtspraxis sprach WiM mit Landgerichtspräsidentin Dagmar Schuchardt.

Bei Streitigkeiten im Geschäftsleben führt der Weg bisher, wenn direkte Verhandlungen gescheitert sind, meist zu Gericht oder zum Schiedsgericht. Es folgen oft jahrelange Rechtsstreitigkeiten mit hohen Verfahrenskosten, mit hohen inneren Kosten durch die Beanspruchung von Zeit und Aufwand, mit Ungewissheit und nervlichen Belastungen. Die Zahlungsverweigerung für die Dauer des Rechtsstreits verringert die Liquidität, notwendige Rückstellungen drücken die Bilanz. Die Geschäftsbeziehung mit dem Prozessgegner ist in der Regel zerstört. Die Belastungen durch Schiedsverfahren sind in der Regel geringer, aber auch sie sind streitige Verfahren, häufig sehr kostenaufwendig, mit Gewinner und Verlierer.

Am Ende steht als Ergebnis – selbst bei guter prozessualer Ausgangslage - nach zwei Gerichtsinstanzen dann doch oft der Vergleich, weil alle erschöpft sind und ein Ende wollen. „Wenn ich dann sehe, was das Ganze nach Abzug der Anwalts- und Gerichtskosten bringt, hat es sich eigentlich fast nie gelohnt“, so vor kurzem die resignierte Äußerung des Inhabers eines Nürnberger Elektrofachbetriebes.

Auch bei einem positiven Urteil besteht das Problem, dass die Gegenseite oft alle Mittel einsetzt, sich der Vollstreckung zu entziehen, so dass sich der Ärger fortsetzt. Geld fließt dann oft erst Jahre später, sofern der Gegner bis dahin nicht in Konkurs ist oder die eigene Firma mangels Liquidität nicht überlebt hat.

Vorteile von Mediation
Mediation bietet demgegenüber deutliche Vorteile. Mediation bedeutet die nochmalige Aufnahme der Verhandlungen mit der Gegenseite, diesmal jedoch unter der verantwortlichen Leitung eines neutralen Konfliktmittlers, des Mediators. Er hilft den Konfliktparteien bei dem Bemühen, den Konflikt in einem strukturierten Verfahren selbst zu lösen. Der Mediator hat dabei die Verfahrensverantwortung, die Parteien entscheiden selbst über Inhalt und Ergebnis. Die Anwälte der Parteien, soweit solche beauftragt sind, wirken unterstützend und beratend mit. Der Mediator bringt seine Kompetenz und seine Erfahrungen bei der Entwicklung tragfähiger Lösungen mit ein. Ziel der Mediation sind einvernehmliche, vertragliche Lösungen, die beide Seiten zufrieden stellen.

Die Erfolgsquote von Mediation ist hoch, zwischen 75 und 80 Prozent. Diese Zahlen werden durch langjährige Erfahrung bestätigt.

Das Verfahren
Die Verfahrensstruktur der Mediation ist einfach und klar. Nach der Auswahl und Beauftragung des Mediators lädt dieser zu einer gemeinsamen ersten Sitzung ein. Vorangegangen sein können Vorgespräche des Mediators mit jeder Seite allein, gegebenenfalls unter Beteiligung der Anwälte. Auch vorherige schriftliche Information des Mediators über den Verfahrensstand kann hilfreich und zeitsparend sein. Dazu werden ihm wichtige Schreiben oder Schriftsätze der Konfliktparteien abgestimmt zugeleitet oder er erhält, wenn schon ein Prozess läuft, der für die Dauer der Mediation ruht, die Gerichtsakten zur Einsicht.

1. In der ersten Mediationssitzung legen die Parteien mündlich den Streitstand dar, gegebenenfalls unterstützt durch ihre Anwälte. Es wird geklärt, welche Themen zu bearbeiten sind, das weitere Vorgehen wird vereinbart.
2. Im zweiten Schritt werden die Interessen und Zielsetzungen der Parteien ermittelt und wichtige Hintergrundfaktoren geklärt, die beim Prozess oft nicht zur Sprache kommen, die aber einen Konflikt wesentlich beeinflussen können.
3. Nach der Klärung der Interessen werden möglichst viele Lösungsoptionen zur Beendigung des Konflikts entwickelt. Dies erfolgt zunächst ganz getrennt von der Frage, ob die eine oder andere Lösung tatsächlich gewollt ist. Kreativität ist gefragt, statt Schere im Kopf. Es ist immer wieder erstaunlich zu sehen, wie viele Lösungsmöglichkeiten dabei gefunden werden, zwischen denen die Parteien dann auswählen können, gegenüber den einseitigen Positionierungen zu Beginn der Mediation.
4. Anschließend werden die gefundenen Lösungsoptionen bewertet. In aller Regel zeigte sich dann, dass bei den vielen entwickelten Möglichkeiten zumindest eine dabei ist, die für beide Seiten die Grundlage einer gemeinsam getragenen Lösung sein kann.
5. Die endgültige Einigung wird in die notwendige vertragliche Form gebracht. Dies kann eine einfache Vereinbarung sein, die die Parteien selbst schließen, ein differenzierter juristischer Vertrag, den die Rechtsanwälte ausarbeiten, eine notarielle Beurkundung oder auch ein Vergleich zu Protokoll des Gerichts, wenn die Mediation aus einem bereits laufenden Gerichtsverfahren heraus aufgenommen wurde.

Die Erfolgsfaktoren
Wie wirkt Mediation? Warum ist Mediation so erfolgreich? Maßgebend ist das Zusammenspiel verschiedener Faktoren:
In einem Konflikt nehmen beide Seiten nach gescheiterten Verhandlungen meist fest umrissene Positionen ein, um deren Durchsetzung sie dann kämpfen. Eine Seite beansprucht eine Zahlung, die andere lehnt sie ab. Der eine behauptet, die Lieferung sei mangelhaft, der andere bestreitet dies. Nur um diese Fragen kreist dann der gerichtliche Prozess. Es geht um Sieg und Niederlage. In der Mediation wird wieder zugehört. Vernünftige Konfliktlösung nach wirtschaftlichen Kriterien sind Ziel der gemeinsamen Klärungsarbeit.

Der Abgleich zwischen den Interessen beider Seiten in der Mediation kann oft überraschende Übereinstimmungen zeigen. Es entsteht größere Klarheit über die beiderseitigen Wünsche und Absichten, Missverständnisse werden ausgeräumt, der Boden für Verständigung wird bereitet. Im „Realitätstest“ – der Hinterfragung der jeweiligen Rechtsposition durch den Mediator – wird häufig auch die Unhaltbarkeit von Rechtsauffassungen deutlich, so dass die betroffene Partei einen langwierigen und zugleich aussichtslosen Prozess vermeiden kann. Manchmal führt die Mediation sogar dazu, dass die vorher zerstrittenen Unternehmen beschließen, künftig enger als bisher zusammenzuarbeiten.

Weitere wichtige Prinzipien der Mediation sind die freie Auswahl des Mediators nach den Vorstellungen der Parteien und ihrer Anwälte, und die gemeinsame Klärung von entscheidungsrelevanten Zweifelsfragen, etwa durch gemeinsam beauftragte Gutachter, sowie die strikte Vertraulichkeit.

Die Risiken bei einem Scheitern der Mediation sind gering. Fristen, etwa für Verjährung oder Gewährleistung werden durch Vereinbarungen bei Beginn des Verfahrens gehemmt. In der Sitzung erteilte Informationen sind vertraulich und dürfen in einem eventuellen späteren Gerichtsverfahren nicht verwendet werden. Bei einem Scheitern der Mediation kann jederzeit die Klage erhoben oder ein ausgesetztes Gerichtsverfahren wieder aufgenommen werden. Angesichts der kurzen Dauer eines Mediationsverfahrens ist der Zeitverlust im Falle eines Scheiterns gering.

Kosten
Was kostet eine Mediation? In der Regel deutlich weniger als ein gerichtliches Verfahren. Mediation wird im Allgemeinen nach Zeit abgerechnet. Die Höhe der Stundensätze hängt von Bedeutung und Wert des Falles ab, auch die Größe der beteiligten Unternehmen und die üblichen Vergütungssätze des Mediators können eine Rolle spielen. Die Zeitdauer richtet sich nach den Umständen des Falles. Wirtschaftsmediationen lassen sich häufig in ein oder zwei Sitzungen mit wenigen Stunden Dauer erledigen. Komplizierte Fälle, insbesondere bei größerem prozessualem Vorlauf, bei sehr starren Festlegungen der Parteien oder bei starken konfliktbeeinflussenden Gefühlen, wie sie etwa bei Streitigkeiten in Familiengesellschaften häufig vorkommen, können gelegentlich zwei bis drei Sitzungen mehr beanspruchen.

Widerstände
Warum hat Mediation trotz dieser großen Vorteile und trotz hervorragender Erfahrungen in anderen Industrienationen in der deutschen Wirtschaft relativ langsam Anklang gefunden? Ein Grund für die Zurückhaltung ist sicher die Unvertrautheit mit Mediation. Ein neues Instrument braucht Zeit, um sich durchzusetzen. Es muss zunächst überhaupt wahrgenommen werden, Interesse muss entstehen, Skepsis schwinden. Bei Firmenanwälten könnten gelegentlich auch Angst vor Einkommensverlusten und Konkurrenzdenken eine Rolle spielen.

Die Justiz in Bayern unternimmt gegenwärtig, wie das Projekt Pilotprojekt „a.be.r“ beispielhaft zeigt, wichtige Schritte zur Förderung der Mediation und anderer Formen außergerichtlicher Konfliktlösung. Das Bayerische Justizministerium selbst empfiehlt nun für verschiedene Konfliktarten, vor der Einleitung eines Gerichtsverfahrens zunächst eine Mediation zu versuchen. An vielen deutschen Gerichten laufen mit sehr gutem Erfolg Modellversuche zur Erprobung der Mediation.

In der Region Nürnberg steht mittlerweile eine größere Zahl von Wirtschaftsmediatoren zur Verfügung. Die Mehrzahl von ihnen hat sich in der „Nürnberger Gesellschaft für Mediation“ zusammengeschlossen, einer gemeinnützigen Vereinigung zur Förderung der Mediation und anderer Formen einvernehmlicher Konfliktlösung.

Dr. Frank Schmidt, Vorsitzender der Nürnberger Gesellschaft für Mediation e.V.
 

WiM – Wirtschaft in Mittelfranken, Ausgabe 10|2003, Seite 8

 
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