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Wann haften die Automobilhersteller?

Rechtsstreitigkeiten verschlingen Zeit und Geld, denn Recht haben und Recht bekommen sind bekanntlich zwei verschiedene Paar Schuhe. Über aktuelle Fragen der Rechtspraxis sprach WiM mit Landgerichtspräsidentin Dagmar Schuchardt.

Eine Vielzahl von Automobil-Herstellern kündigte bereits vor Auslaufen der alten Gruppenfreistellungsverordnung (GVO) ihre Vertriebsverträge mit ihren Händlern. Allerdings bekräftigten einige der Hersteller gegenüber ihren Händlern bereits im Kündigungsschreiben ihre Absicht, die jeweiligen Vertriebsverträge fortzuführen. Es hieß, man wolle damit den Händlern die Gewissheit geben, dass sie nicht aus dem Händlernetz ausscheiden würden. Bis spätestens zum 30. September 2003 müssten sämtliche Vertriebsverträge an die neue GVO angepasst sein. Doch hat bis heute ein großer Teil der Händler entweder keine neuen bzw. keine unterschriftsreifen Verträge erhalten. Auch ist damit zu rechnen, dass einige Händler unfreiwillig aus dem Vertriebsnetz des Herstellers ausscheiden werden, weil sie entgegen der früher erklärten Absicht des Herstellers kein Vertragsangebot unterbreitet bekamen.

Möglicherweise hat der unfreiwillig ausscheidende Händler im Vertrauen auf die Absichtserklärung Investitionen getätigt oder von arbeitsrechtlichen Kündigungen abgesehen. Es stellt sich die Frage, ob in diesen Fällen die Händler auf Grund der Absichtserklärung Schadensersatzansprüche gegen die Hersteller geltend machen können.

Obwohl der Letter of Intent im Grundsatz rechtlich unverbindliche Erklärungen enthält, kann sich der Hersteller gegenüber den Händlern schadensersatzpflichtig machen, wenn er ohne triftigen Grund die Vertragsverhandlungen abbricht. Der Hersteller hat mit dem Letter of Intent einen qualifizierten Vertrauenstatbestand für die Fortführung des Händlervertrages geschaffen. Er darf sich nicht mehr ohne Weiteres von seiner früher kundgegebenen Absicht trennen.

Der Hersteller kann den von ihm geschaffenen Vertrauenstatbestand nur dadurch zerstören, dass er den Händler über sein endgültiges Ausscheiden aus dem Händlernetz informiert. Das bedeutet, dass der Hersteller den Händler so rechtzeitig über dessen endgültiges Ausscheiden hätte informieren müssen, dass dieser von Investitionen, die er im Hinblick auf den neuen Vertrag zu tätigen beabsichtigte, noch hätte Abstand nehmen können.

Auch im Hinblick auf die Weiterbeschäftigung von Personal des Händlers über den 30. September 2003 hinaus kann der Hersteller wegen des Setzens eines besonderen Vertrauenstatbestandes schadensersatzpflichtig sein. Dies ist dann der Fall, wenn der Händler zu diesem Stichtag aus dem Vertriebsnetz ausgeschieden ist, er aber gleichwohl Personal über dieses Datum hinaus beschäftigen muss.

RA Dr. Matthias Etzel und RA Dr. Albin Ströbl
 

WiM – Wirtschaft in Mittelfranken, Ausgabe 10|2003, Seite 16

 
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