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Der ökonomische Charme der Familie

Bei der Geburtenstatistik liegt die Bundesrepublik ganz hinten: Deutschland hat in der EU die niedrigste Geburtenrate und liegt weltweit unter 207 Staaten an 185. Stelle. Dies werde sich nicht nur langfristig dramatisch auswirken, Wachstums- und Wohlstandseinbußen seien bereits heute festzustellen, so Bundesfamilienministerin Renate Schmidt beim Symposium „Familienbewusste Personalpolitik“, das die IHK gemeinsam mit der Nürnberger Agentur für Arbeit und dem Bündnis für Familie der Stadt Nürnberg organisierte.

Dabei wird hierzulande nicht wenig für die Familien ausgegeben, nach Angaben der Ministerin liegt Deutschland international im oberen Drittel. Man habe sich bisher zu lange auf eine eher materielle Familienförderung konzentriert. Es reiche aber nicht aus, Familienpolitik nur auf Sozialleistungen zu reduzieren. So sei Deutschland europäisches Schlusslicht bei der Kinderbetreuung, in die die Bundesregierung deshalb bis 2007 rund vier Mrd. Euro investieren will. Ein solcher Kraftakt könne jedoch nicht allein geschultert werden: „Familie muss im Unternehmen mit gedacht werden!“ Für die Umsetzung familienfreundlicher Konzepte seien auch Netzwerke wie die lokalen Bündnisse für Familie geeignet, von denen es nach Schmidts Worten bereits 100 gibt.

Mit der IHK-Organisation arbeitet das Bundesfamilienministerium eng zusammen: Im September vergangenen Jahres hatte der Präsident des Deutschen Industrie- und Handelskammertages (DIHK), Ludwig Georg Braun, gemeinsam mit Renate Schmidt die Prognos-Studie „Betriebswirtschaftliche Effekte familienfreundlicher Maßnahmen“ vorgestellt (Bezug der Studie: broschuerenstelle@bmfsfj.bund.de). Am 8. Januar 2004 starteten Braun und Schmidt zudem offiziell die bundesweite Initiative „Lokale Bündnisse für Arbeit“, denen sich alle deutschen IHKs anschließen wollen. IHK-Präsident Hans-Peter Schmidt unterstrich, dass sich die Nürnberger IHK bereits intensiv um dieses Thema kümmere.

Nürnbergs Bürgermeister Horst Förther, der Landrat des Landkreises Erlangen-Höchstadt, Eberhard Irlinger, und Erlangens Oberbürgermeister Dr. Siegfried Balleis bekräftigten ihr Bemühen, dieses Thema voranzubringen. Balleis erklärte, man wolle die familienfreundlichste bayerische Großstadt werden und sei bereits jetzt mit 100-prozentiger Kindergartenplatz-Deckung und 20 Telearbeitsplätzen innerhalb der Stadtverwaltung auf gutem Wege.

Praktische Beispiele
Vorgestellt wurde auf dem Symposium das „Audit Familie und Beruf“ der Hertie-Stiftung (www.beruf-und-familie.de): Der Kriterienkatalog enthält über 130 Maßnahmen zur Förderung von Familie und Beruf.

Auf dem Symposium erklärten einige Unternehmen der Region Nürnberg, wie sie das Thema ganz praktisch angehen. Matthias Malessa, Personalleiter bei adidas-Salomon in Herzogenaurach, sagte, als weltweit tätiges Unternehmen sei man an Mitarbeitern aus anderen Kulturen interessiert, um die Marke innovativ, kreativ, jung und dynamisch zu erhalten. Deshalb müsse man im Personalwesen „in Vorleistung gehen“ und Rahmenbedingungen bieten, die junge Bewerber nicht vor die Frage „Karriere oder Familie“ stellten. Als Beispiele nannte er das Engagement für die Franconian International School in Herzogenaurach oder das umfangreiche Sport-Angebot. Kritisch merkte Malessa an, dass man mit Telearbeitsplätzen gemischte Erfahrungen gemacht habe. Es sei besonders wichtig, dass der Draht zum Unternehmen nicht verloren gehe und die Einbindung in die sozialen Strukturen eines Teams erhalten bleibe.

Auch bei Rödl & Partner in Nürnberg hält man die Thematik für wichtig und spannend. Man sei als Dienstleistungsunternehmen darauf angewiesen, gut ausgebildete Arbeitskräfte zu halten, auch wenn diese durch die Kinderbetreuung oder auch Krankheit von Familienmitgliedern nicht mehr oder nur noch teilweise im Büro tätig sein können. Die Maßnahmen, so Matthias Struwe, Leiter Unternehmenskommunikation, reichten von der Einrichtung von Kindergarten- und Krippenplätzen über flexible Arbeitsplatzmodelle und Telearbeit bis zur Einbeziehung der Mitarbeiterfamilien in die interne Unternehmenskommunikation oder Firmenveranstaltungen. Bei der Top Ten Investment-Vermittlungs AG, Nürnberg, dürfen Mütter ihre Babys im Büro selbst betreuen. Vorstandsvorsitzender Dieter Schumann sieht das Angebot sehr positiv, da die Mitarbeiterinnen nahtlos nach dem Mutterschutz weiterarbeiten können und so Personalwechsel und langwierige Einarbeitungszeiten entfallen. Am Anfang lagen die Kinder auf einer Krabbeldecke neben dem Schreibtisch der Kolleginnen, danach spielten sie im Laufstall und heute fahren die Kinder auf Dreirädern und Bobby Cars durch die Büros, sitzen an ihrem Tisch und malen oder spielen. Ein weiteres Büro dient als „Schlafzimmer“ für die Kleinen. Hier stehen die Reisebetten für den Mittagschlaf und die Wickelauflagen liegen auf den Schreibtischen. Die Kinder haben von Anfang an gelernt, Rücksicht zu nehmen, räumen weder Ordnerschränke noch Schubladen aus und wissen auch, dass sie ihren Lärmpegel reduzieren müssen. Variable Arbeitsstundenplanung durch Gleit- und Teilzeit-Angebote sind laut Top Ten die Basis für das Gelingen eines solchen „Experiments“.

Autor/in: 
De.
 

WiM – Wirtschaft in Mittelfranken, Ausgabe 02|2004, Seite 18

 
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