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Umbau auf der Baustelle Deutschland

„Es war ein Grundfehler der letzten zehn Jahre, dass wir unser System nicht an den harten internationalen Markt angepasst haben“, so Staatsminister Erwin Huber beim 117. „Kammergespräch“. Alle Regierungen hätten den Anstieg der Sozialkosten, den „Marsch in den Schuldenstaat“, die zu niedrige Arbeitszeit und den inflexiblen Arbeitsmarkt mit zu verantworten.

Durch die Einigung im Vermittlungsausschuss vor Weihnachten 2003 seien richtige Weichenstellungen gelungen. Entscheidend sei gewesen, dass man die Tür zu einer stärkeren Flexibilisierung des Arbeitsmarktes aufgemacht habe und dass eine spürbare Entlastung der Bürger ohne einschneidende Neuverschulung zustande gekommen sei. Die Lockerung des Kündigungsschutzes, die schärferen Zumutbarkeitsregelungen für Arbeitslose und die Aussicht auf betriebliche Bündnisse für Arbeit seien allerdings als Minimalkonsens zu sehen, dem weitere Reformen folgen müssten.

Zu einer zukunftsfähigen „Reformpolitik für Wachstum und Beschäftigung“ – so der Titel seines Vortrages – zählte Huber insbesondere die Bereiche Sozialsystem, Steuern, Verwaltungsvereinfachung und Föderalismusreform, die entscheidend sei, um die Entscheidungen in Deutschland zu beschleunigen.

Forderung nach „Kinderbonus“ bekräftigt
Bei der sozialen Sicherung ist nach Auffassung Hubers ein kompletter Ausstieg aus dem System nicht nötig. Die Kosten für die soziale Sicherung müssten aber von der Arbeit entkoppelt werden – etwa durch einen maximalen Arbeitgeberbeitrag von zehn Prozent. Huber bekräftigte die Forderung der CSU nach einem „Kinderbonus“ und einer verstärkten Anrechnung von Kindererziehungszeiten. Dadurch werde die Solidarität zwischen den Generationen ansatzweise wiederhergestellt. Denn der Generationenvertrag umfasse zwei Leistungen: Rentenbeiträge einzahlen und für Nachwuchs sorgen. Ein Teil der Bevölkerung erfülle heute aber den zweiten Teil des Generationenvertrages nicht mehr.

In der Steuerpolitik forderte Huber einen Systemwechsel: Sinnvolle Korrekturen am bestehenden Steuerrecht seien nicht mehr möglich, das komplexe System habe sich als wesentlicher Standortnachteil erwiesen. Ein modernes Steuersystem müsse einfach sein und niedrige Steuersätze aufweisen. Huber nannte weitere Komponenten eines wettbewerbsfähigen Systems: Kleine und mittlere Unternehmen müssten die Wahl haben, sich wie ein Konzern oder wie ein Personenunternehmen nach den Regeln des Einkommenssteuerrechts besteuern zu lassen, ohne die Rechtsform wechseln zu müssen. Überfällig sei eine Entlastung bei der Erbschaftssteuer, um Betriebe nicht in ihrer Existenz zu gefährden. Die Gewerbesteuer sei komplett abzuschaffen und die Kommunen statt dessen stärker an Einkommens-, Körperschafts- und Umsatzsteuer zu beteiligen. Die Vermögenssteuer müsste definitiv aufgegeben werden.

Auf Landesebene will Bayern laut Huber eine treibende Kraft im Reformprozess sein. Die Kernpunkte laut Huber: Erstens: Drastische Reduzierung der Verschuldung und ein Haushalt ohne Neuverschuldung im Jahr 2006. Diese Linie werde die Staatsregierung auch gegen Widerstände durchhalten. Sparen erweitere den Raum für Investitionen, weil dadurch spätere Zinszahlungen vermieden würden. „Verschuldung heißt aber Ausbeutung unserer Kinder. Deshalb ist Verschuldung unmoralisch.“ Zweitens: Bildungspolitik, insbesondere das Absenken des Schuleintrittsalters und die Einführung des achtjährigen Gymnasiums. Auch von diesen Vorhaben werde die Staatsregierung nicht abgehen, „denn es ist unverantwortlich, wie wir bisher mit der Zeit unserer jungen Leute umgehen“, so Huber mit Verweis auf die Hochschulabsolventen, die hierzulande im Schnitt 28 Jahre alt seien. Das „G8“ sei nicht wie behauptet ein Sparmodell, sondern biete große Chancen für die Qualitätssteigerung. Drittens: Verwaltungsreform, die Huber als Staatsminister für Bundesangelegenheiten und Verwaltungsreform verantwortet. Ziel sei es im Sinne der „Henzler-Kommission“, ein Drittel der Verwaltungsanweisungen ersatzlos zu streichen und die Genehmigungsverfahren nochmals deutlich zu beschleunigen. In diesem Zusammenhang sprach sich Huber für die IHK-Pflichtmitgliedschaft aus: Wer deren Abschaffung fordere, müsse erklären, wie etwa die „großen Leistungen“ der Kammern in der beruflichen Bildung ersetzt werden sollten.

„Aufsteigerregion Nürnberg“
Den Zuhörern im „Feuerbachsaal“ der IHK sagte der Staatsminister, der Wirtschaftsraum Nürnberg gelte als eine der deutschen Aufsteigerregionen der 90er Jahre und könne mit großem Selbstvertrauen auftreten. Die Staatsregierung unterstreiche die Bedeutung der Region u.a. durch die Erhebung der Städtischen Bühnen zum Staatstheater und durch intensive Forschungsförderung. Zudem setze sich der Freistaat dafür ein, dass Nürnberg in die Liste der deutschen Metropolregionen aufgenommen wird. 

 

WiM – Wirtschaft in Mittelfranken, Ausgabe 02|2004, Seite 27

 
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