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Region mit Konfliktpotenzial und mit geschäftlichen Chancen

 

Zentralasien (Aserbaidschan, Kasachstan, Kirgisistan, Turkmenistan und Usbekistan) ist mit seinen rund 56 Mio. Menschen und seinen Rohstoffvorkommen eine interessante Wirtschaftsregion, so IHK-Hauptgeschäftsführer Dr. Dieter Riesterer bei der Eröffnung der Zentralasienkonferenz, die die IHK Nürnberg für Mittelfranken gemeinsam mit dem Bayerischen Wirtschaftsministerium veranstaltete. „Zentralasien ist ein Zukunftsmarkt für deutsche Exporteure und Investoren“, so Riesterers vielleicht etwas überraschende Einschätzung dieser Region, die vielfach als uninteressant wahrgenommen wird. Doch hatten sich zur Zentralasien-Tagung in der IHK über 100 Teilnehmer eingefunden und bestätigten damit diese positive Einschätzung.

Kasachstan kristallisierte sich auf der Tagung eindeutig als das interessanteste Land der Region heraus. „Bereits jetzt hat Bayern mit Kasachstan bilaterale Handelsbeziehungen, die allein 2002 ein Volumen von einer Mrd. Euro ausmachten“, so Bernd-Joachim Pantze, Leitender Ministerialrat im Bayerischen Wirtschaftsministerium. In den vergangenen Jahren habe es Zuwächse von 130 Prozent gegeben. Auch mit Usbekistan gebe es für den Freistaat ein nennenswertes Handelsvolumen von immerhin 24 Mio. Euro im Jahr 2002. „Die Bayerische Staatsregierung misst Zentralasien große Bedeutung zu“, sagte Pantze. Firmen wie Siemens, Krones, Knauff, MAN oder Netzsch seien ein Beleg für funktionierende Handelsbeziehungen. Auch Pantze sieht die Sache realistisch genug, um zu wissen, dass das Potenzial Zentralasiens nicht übermorgen für bayerische Unternehmen zu heben ist. Doch langfristig wünscht er sich mehr Engagement bayerischer Firmen in diesem Raum mit dem Ziel dauerhafter Geschäftsbeziehungen.

Wie riskant die Geschäfte mit Zentralasien noch sind, illustrierte Dr. Peter Presber, Leiter des Referats GUS, Südosteuropa und Türkei beim Deutschen Industrie- und Handelskammertag (DIHK) in Berlin. Zentralasien hänge sehr stark von der Rohstoffproduktion und damit von den Preisen auf dem Weltmarkt ab. Die Auslandsverschuldung sei sehr hoch und die ökologischen Probleme sowie die Wasserknappheit dürften nicht unterschätzt werden. Ein sehr gravierendes Problem sei auch die mangelnde Zusammenarbeit in der Region. Es gebe auch echtes Konfliktpotenzial: Presber nannte die noch aus Sowjetzeiten stammende willkürliche Grenzziehung zwischen den einzelnen Staaten, die teilweise noch nicht abgeschlossene Staatenbildung, Minderheitenprobleme, radikal-islamistische Bewegungen, Flüchtlingsströme und die Nachbarschaft zu Afghanistan, das dieses Jahr eine Rekordernte an Opium einfahre. Hinzu kämen noch Korruption und Waffenschmuggel. Allerdings hätten deutsche Unternehmer in dieser Region einen hervorragenden Ruf, weil sie sich langfristig engagierten. Presber riet jedem Interessenten, der in Zentralasien Geschäfte machen will, die Reisewarnungen des Auswärtigen Amtes sehr ernst zu nehmen.

Realistisch berichteten die Unternehmensvertreter auf der Konferenz über die Schwierigkeiten des zentralasiatischen Marktes: So erklärte Dieter Scharff, Vice President Economic Region Africa, CIS, Middle East der Siemens AG aus München, dass es sehr mühevoll sei, dort Geschäfte zu machen. Basarmentalität, Achten auf Preis statt auf Qualität und sich ständig verändernde Projektinhalte machten die Verhandlungen bis zum Abschluss und der Realisierung zur echten Pionierarbeit. „Wer das System dort aber einmal verstanden hat und vertrauensvoll mit den Partnern vor Ort zusammenarbeiten will, dem stehen alle Türen offen“, sagt Scharff. Siemens sei derzeit mit Projekten im Volumen von 100 Mio. Euro in Zentralasien tätig. Gerade eben sei ein Pipeline-Projekt von Kasachstan nach China bestätigt worden. Mit dieser Pipeline wolle China seine Industriegebiete mit Rohöl versorgen. Auch Scharff sieht Zentralasien als Markt der Zukunft, denn die Bodenschätze Öl, Gas und andere böten gute Grundlagen für den Aufbau von Industrie- und Dienstleistungsstrukturen.

Seit zwei Jahren in Usbekistan ist die Baufirma Max Aicher aus Freilassing. Geschäftsbereichsleiter Josef L. Stöckl betreut den schlüsselfertigen Bau von vier Müllumlade-Stationen für die Stadt Taschkent. „Von sechs Anbietern konnten wir uns schließlich durchsetzen“, sagte Stöckl zu dem Projekt, das von der Weltbank ausgeschrieben wurde. Auch er musste lernen, denn die Presstechnik für die Umladestationen schickte die Firma Max Aicher mit dem Zug. Folge: Nur die Hälfte kam an. Stöckl: „Nach Usbekistan kann man nur Ingenieurbauleistungen verkaufen. Die Arbeitsleistung muss mit Leuten vor Ort abgewickelt werden.“

Markterfahrungen als das A und O des Geschäftserfolgs sieht auch Roland Herterich, Leiter International Business des Phytopharma-Herstellers Bionorica aus Neumarkt/Opf. „Wir haben die Erfahrungen aus unserem Russland-Geschäft auf Kasachstan und Usbekistan übertragen können. So dass jetzt eines unserer beliebtesten Produkte, Sinupret, in diesen beiden Ländern auf den Markt kommt“, sagt Herterich. Ähnlich wie in Russland seien staatliche zu Gunsten von privaten Apotheken auf dem Rückzug, was das Geschäft erleichtere.

Ralph Schweinfurth
 

WiM – Wirtschaft in Mittelfranken, Ausgabe 04|2004, Seite 20

 
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