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Wie kommt der Mittelstand nach China?

Bundeskanzler Gerhard Schröder reiste Anfang Dezember mit einer hochkarätigen Wirtschaftsdelegation, darunter Siemens-Chef Dr. Heinrich v. Pierer, IHK-Vizepräsident Dr. Bernd Rödl und zahlreiche Mittelständler, nach China. Die Reise führte in die Hauptstadt Peking und in die nordöstliche Provinz Changchun. Auf dem Programm standen Gespräche mit der chinesischen Führung, die Eröffnung eines VW-Werkes, der Spatenstich für ein DaimlerChrysler-Werk und der Abschluss zahlreicher Wirtschaftsvereinbarungen. WiM sprach mit Rödl, dessen Wirtschaftsprüfungs-, Steuerberatungs- und Rechtsanwaltskanzlei an vier Standorten in China vertreten ist.

WiM: Welches waren Ihre Eindrücke bei der Kanzler-Reise?
Jede Reise nach China ist ein überwältigendes Erlebnis. In diesem Land herrscht ein Aufbruchstimmung, die an jeder Ecke spürbar ist. Das Land verändert sich so schnell, dass man vieles gar nicht wieder erkennt, wenn man nach ein bis zwei Jahren an den selben Ort reist.

Bundeskanzler Schröder reist ja jährlich nach China. Was mich besonders beeindruckt hat, ist sein Engagement für den Mittelstand. Denn er möchte nicht nur die großen Konzerne in China sehen und das halte ich auch für richtig. Wer jetzt noch nicht in China ist, verschläft ungeheure Marktchancen. Ich konnte erstmals unsere neuen Niederlassungen in Peking und Kanton besuchen. Wir haben dort eine sehr engagierte Mannschaft, es macht richtig Spaß, dies persönlich zu sehen.

WiM: Welchen Stellenwert hat die politische Flankierung für das China-Geschäft?
Die kann gar nicht groß genug eingeschätzt werden. Rödl & Partner wäre nicht in China, wenn ich nicht 1994 mit Ministerpräsident Stoiber dorthin gereist wäre. Uns wurde gesagt: Wir brauchen eine deutsche Kanzlei in China. Und bis heute sind wir die einzigen deutschen Wirtschaftsprüfer vor Ort. Alleine, um die Lizenzen für unsere Tätigkeit zu erlangen, war eine politische Unterstützung sehr wichtig. Und bei der staatlichen Vergabe von Aufträgen muss die Politik im Wettbewerb mit anderen Staaten darum kämpfen, dass deutsche Unternehmen berücksichtigt werden. Hierfür hat sich der Kanzler sehr stark gemacht.

WiM: Wichtiges Thema der Reise waren Fragen des Urheberrechts und Kopierschutzes. Wie ist hier der aktuelle Stand?
Markenpiraterie und China werden ja heute wie Synonyme behandelt. Aber man muss differenzieren: Wer in China seine Marken und Geschmacksmuster richtig einträgt, der kann auch mit staatlichem Schutz rechnen. Die Regierung hat sich hier Besserung auf die Fahnen geschrieben. Wer sein Know-how schützen will, der muss vor allem vor Ort Präsenz zeigen und seine Mitarbeiter eng führen. Wer hier blauäugig vorgeht, verliert seinen Innovationsvorsprung.

WiM: Bundeskanzler Schröder war ja sehr optimistisch in seiner Reisebilanz. Wie beurteilen Sie die Perspektiven der deutschen Wirtschaft in China?
Auf die deutschen Unternehmen wartet nach wie vor ein Markt mit einem enormen Entwicklungspotenzial. Nehmen Sie die Provinzen im Nordosten, den so genannten „Rostgürtel“, oder das westliche China. Das ist Mittel- und Osteuropa hoch 3. Und wie in Osteuropa haben auch in China deutsche Marken und Produkte ein sehr hohes Ansehen. Ich glaube, wir sind hier erst am Anfang der Entwicklung. Auch wenn viele davor warnen, dass hier eine Blase entsteht, die platzen könnte. Wer jetzt nicht in China investiert, verschläft die Zukunft seines Unternehmens.

WiM: Die WTO ist ja keine Einbahnstraße. Ihr Unternehmen berät sowohl deutsche Firmen, die nach China gehen, als auch chinesische Firmen, die in Deutschland investieren wollen. Wie stark ist denn aktuell das Interesse der Chinesen, nach Deutschland, Bayern oder Mittelfranken zu kommen?
Die chinesische Regierung hat einen Fünf-Jahresplan aufgestellt, dessen Ziel es ist, die chinesischen Konzerne auf Weltmarktniveau zu bringen. Dazu gehört, dass sie international tätig werden und auch den europäischen Markt erschließen. Dass der chinesische Computerhersteller Lenovo die olympischen Winterspiele in Turin sponsert zeigt, mit welcher Macht hier neue Firmen auf den Markt drängen. Auch das Interesse chinesischer Unternehmen an der Übernahme von Grundig war groß. Wir müssen uns darauf einstellen, dass chinesische Unternehmen bald ein wichtiger Investitionspartner werden. Und damit wird dann auch deutsches Kapital reinvestiert. Ich sehe darin eine große Chance für den Standort Deutschland und auch für Mittelfranken. Denn eines zeigt sich schon jetzt: Aus chinesischer Perspektive sind wir der wichtigste Investitionsstandort. Und dies schafft und erhält Arbeitsplätze in Deutschland.
 

WiM – Wirtschaft in Mittelfranken, Ausgabe 01|2005, Seite 28

 
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