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Umgangsformen für Firmen und Bewerber

Millionen von Arbeitssuchenden und nur wenige freie Stellen – der Bewerbungsmarkt schäumt über. Bewerber machen zahlreiche Fehler, aber auch die Personalabteilungen der Unternehmen machen längst nicht alles richtig.

Schon seit Jahren meldet die Bundesagentur für Arbeit Monat für Monat neue Horrorzahlen vom deutschen Arbeitsmarkt. Zwar sollten sich die Jobsuchenden und ihre jeweiligen Nachfolger inzwischen an das Procedere bei der Jagd nach einer neuen Stelle gewöhnt haben, doch noch immer weisen zahlreiche Bewerbungsschreiben eklatante Mängel auf. Und die restliche Bewerbung wandert dann gleich in den Papierkorb oder zum Absender zurück.

„Viele Bewerber meinen noch immer, mit einer 0815-Bewerbung zum Zuge kommen zu können – ein fataler Irrtum angesichts des derzeitigen Arbeitgebermarktes,“ sagt Karriereberaterin Susanne T. Hansen, Exist Personalstrategien. Einige Todsünden müssen Bewerber auf jeden Fall umgehen, wenn ihr Schreiben nicht sofort aussortiert werden soll. Wer in der Adresse eine andere Firma angibt als die in der Anrede seines Schreibens angesprochene, scheidet schnell aus, da ein solcher Lapsus auf mangelndes Interesse und eine schlampige Arbeitsweise hindeutet. Nicht ausreichend frankierte Unterlagen oder unsaubere, unvollständige oder unsortierte Bewerbungsdokumente lassen ebenfalls auf mangelnde Sorgfalt schließen. Veraltete Fotos oder Bilder aus dem Urlaub statt professioneller Aufnahmen vom Fotografen führen ebenfalls schnell zu einer Absage.

Auch auf formaler Ebene gibt es Punkte, die es zu beachten gilt. So verzichten Bewerber noch immer auf die Rechtschreibprüfung ihres PC und lassen ihr Schreiben vor Fehlern wimmeln. Auch das Abschreiben von Textbausteinen aus den gängigen Bewerbungsratgebern wird nicht gern gesehen. „Das Bewerbungsschreiben sollte beim Personalverantwortlichen Interesse und Neugier wecken. Oberflächlich und allgemein gehaltene Anschreiben, die sich nicht an der ausgeschriebenen Stelle orientieren, erfüllen diese Anforderung mit Sicherheit nicht“, meint Olaf Dohmen, Team Manager HR Consulting bei E-Plus. Bewerbern muss es gelingen, ihrer Bewerbung eine persönliche Note zu verleihen und dabei Standardfloskeln zu vermeiden. Nichts sagende Phrasen haben ebenso wie Füllwörter nichts in den Bewerbungsunterlagen zu suchen.

Zwar sind Online-Bewerbungen inzwischen salonfähig geworden, aber auch bei den Bewerbungen per e-mail bemängeln Personalmanager die schlechte Qualität der Unterlagen. Bei einer aktuellen Umfrage des Personalportals StepStone konstatierten zwar knapp 50 Prozent der deutschen Personalmanager, dass Online-Bewerbungen für den internen Gebrauch besser geeignet sind, aber 58 Prozent der befragten Personaler monierten, dass Online-Bewerbungen weniger sorgfältig verfasst sind als schriftliche Bewerbungen.

Arbeitgeber verschenken Chancen
Aber selbst Bewerber, die bei ihren Schreiben alles richtig gemacht haben, erleben zurzeit Überraschungen und hören beispielsweise drei Wochen lang gar nichts. „Sie sind an ein Unternehmen geraten, das offensichtlich unfähig oder dem es gleichgültig ist, ein Bewerbungs- und Auswahlverfahren ordnungsgemäß und mit der gebotenen Rücksicht auf die Erwartungen der Bewerber zu bearbeiten“, urteilt StepStone und betont: „Hierfür gibt es keine akzeptablen Entschuldigungen. Überlegen Sie sich gut, ob Sie in einem solchen Unternehmen den richtigen Partner für Ihren nächsten Berufsschritt finden werden. Vielleicht gibt es dort auch noch andere Probleme.“ Und Karriereberaterin Hansen meint: „Die Sitten des Umgangs mit Bewerbern verrohen gelegentlich seitens der umworbenen Unternehmen im Zuge eines Überangebots an qualifizierten Arbeitskräften.“ Ihre Warnung: „Dabei unterschätzen Unternehmen die mittelfristig negative Wirkung eines solchen Verhaltens: Eintrübung des Images als Arbeitgeber am Markt, gute Bewerber springen wieder ab, Prägung der Motivation des potenziell neuen Mitarbeiters. Deshalb achten kluge Unternehmen auch heute auf eine wertschätzende Behandlung des Kunden ‚Bewerber‘.“

Gute Bewerber durch eine eindeutige Absage zu verprellen „wäre sehr kostspielig“, sagt Wolfgang Achilles vom Kölner Recrutingspezialisten erfline: Wenn eine Stelle neu ausgeschrieben werden muss, ist dies mit Kosten für die Anzeige, Bearbeitungszeiten für zahlreiche Bewerbungen und eine Vielzahl von Bewerbungsgesprächen verbunden. „Unternehmen können sich diese Arbeit sparen, wenn sie den richtigen Mann oder die passende Frau ‚auf Eis‘ haben.“

„Eisschreiben sind ein gutes Mittel, um interessante Bewerber an das Unternehmen zu binden“, meint Achilles. Der aus dem Englischen „ice letter“ übertragene Begriff ist nicht allen Personalprofis geläufig, wohl aber die damit verbundene Praxis: Den Bewerbern wird mitgeteilt, dass zwar derzeit keine geeignete Stelle frei ist, man aber möglicherweise später einen Arbeitsplatz anbieten kann. „Es gibt ein riesiges Angebot an qualifizierten Kräften, auf das man wegen der wirtschaftlichen Lage nicht eingehen kann“, sagt Nadine Reich von der Personalmarketingagentur Terra. „Und dieses Potenzial will man nicht verlieren. Vielleicht braucht man so jemanden in ein paar Monaten an einem anderen Standort oder in einer anderen Abteilung.“ Susanne T. Hansen rät den Personalverantwortlichen, auch an die Zukunft zu denken – „denn schließlich wird sich der Markt eines Tages auch wieder drehen.“

Horst Peter Wickel
 

WiM – Wirtschaft in Mittelfranken, Ausgabe 02|2005, Seite 22

 
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