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Was taugt die EU-Dienstleistungsrichtlinie?

Am 13. Januar 2004 legte die EU-Kommission einen Entwurf zur Dienstleistungsrichtlinie vor. Trotz erheblicher Auswirkungen auch für die deutsche Wirtschaft ist eine intensive Debatte darüber hier noch nicht in Gang gekommen. Chancen der Entbürokratisierung stehen Risiken des Qualitätsverlustes gegenüber. Zu diesem Thema hat vor kurzem MdB Günter Gloser in der IHK ein Fachgespräch mit Vertretern der Branchen Gesundheit, Architektur und Handwerk veranstaltet. WiM fragte Gloser nach seinem Fazit.

WiM: Was ist das Ziel der Dienstleistungsrichtlinie?
Die geplante Richtlinie soll bis Ende 2010 rechtliche und sonstige Schranken für den grenzüberschreitenden Dienstleistungsverkehr auf europäischer Ebene abbauen. Gerade kleine und mittelständische Unternehmer nutzen oft auf Grund komplexer administrativer Anforderungen und rechtlicher Unsicherheiten zu wenig die Chancen des europäischen Binnenmarktes und bieten ihre Dienstleistungen kaum grenzübergreifend an.

WiM: Wie soll dieser Zustand verbessert werden?
Im Einzelnen sollen durch die Richtlinie die nationalen Verwaltungsverfahren, die von ausländischen Dienstleistungserbringern zu durchlaufen sind, vereinfacht werden: Zum Beispiel sind zukünftig ausländische amtliche Dokumente anzuerkennen oder potenziellen ausländischen Dienstleistungserbringern „einheitliche Ansprechpartner“ in der Verwaltung anzubieten. Daneben soll europaweit das so genannte „Herkunftslandprinzip“ eingeführt werden, wonach ein Dienstleistungserbinger einzig den Rechtsvorschriften des Landes unterliegt, in dem er niedergelassen ist. So könnte also künftig eine Dienstleistung, die in einem Mitgliedsstaat in Übereinstimmung mit den dort geltenden Vorschriften erbracht wird, ohne weitere Formalitäten auch in allen anderen Mitgliedstaaten erbracht werden.

WiM: Welche Vorteile bringt die Richtlinie der deutschen Wirtschaft?
Der Dienstleistungssektor ist ein wichtiger Teil der deutschen Wirtschaft: Er erwirtschaftet fast 70 Prozent des Bruttoinlandsproduktes und es entfallen ca. 70 Prozent der Beschäftigung auf diesen Bereich. Innerhalb von zehn Jahren ist die Zahl der Beschäftigten um 3,5 Mio. angewachsen. Andererseits hat die Dienstleistungswirtschaft in Deutschland heute gerade einmal einen Anteil von 14 Prozent der Exporte, so dass noch ein beträchtliches Entwicklungspotenzial besteht. Studien prognostizieren auf Grund der Richtlinie einen Zuwachs im innergemeinschaftlichen Handel mit Dienstleistungen um bis zu 35 Prozent. Zum Vergleich: Die Liberalisierung im freien Warenverkehr hat seit 1993 zu einem Wachstum des Bruttoinlandsproduktes der EU um 164,5 Mrd. Euro geführt und 2,5 Mio. Arbeitsplätze geschaffen. Deutsche Dienstleister müssten sich zukünftig auf Grund des Herkunftslandprinzips auch nicht mehr auf verschiedenste ausländische Rechtsordnungen einstellen, sondern könnten ihre Dienstleistungen allein in Übereinstimmung mit den bekannten deutschen Regelungen anbieten.

WiM: Und welche Kritikpunkte werden konkret angeführt?
Im Laufe des Fachgesprächs wurden Bedenken gegenüber einzelnen Regelungen in der gegenwärtig geplanten Form geäußert. Die Einführung des Herkunftslandprinzips lässt eine Absenkung der Qualitätsstandards befürchten, wenn europaweit Dienstleistungen von dem Mitgliedsstaat aus erbracht werden können, der die niedrigsten Standards vorschreibt. Daneben könnten inländische Prüfungs- und Kontrollinstanzen angesichts der Vielzahl fremdländischer und fremdsprachiger Bestimmungen schnell an ihre Grenzen stoßen. Auch eine Inländerdiskriminierung erscheint nicht ausgeschlossen. Sie könnte dadurch entstehen, dass inländische Dienstleistungsempfänger einen ausländischen Anbieter bevorzugen, der den Auftrag gegebenenfalls anhand niedrigerer ausländischer Standards und damit eher nach den Vorstellungen des Auftraggebers ausführen könnte. In der Praxis kann es unklar bleiben, welches Recht auf eine erbrachte Dienstleistung Anwendung findet, bzw. welche Regelungen das möglicherweise anzuwendende ausländische Recht überhaupt enthält.

WiM: Wie ist die weitere Entwicklung?
Die Umsetzung und Verabschiedung der Dienstleistungsrichtlinie wird auf europäischer Ebene noch geraume Zeit in Anspruch nehmen. Bedenken, wie sie von den Teilnehmern am Fachgespräch in der IHK geäußert wurden, sind auch bei einer Anhörung vor dem Binnenmarktausschuss zu Tage getreten. Änderungen sind daher sehr wahrscheinlich. Ich bin nun bemüht, die gewonnenen Anmerkungen und Anregungen in die Beratungen in Berlin und Brüssel mit einfließen zu lassen.
 

WiM – Wirtschaft in Mittelfranken, Ausgabe 02|2005, Seite 26

 
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