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Was auf die Betriebe zukommt

Der Bundesrat hat am 18. Februar 2005 grünes Licht für die Reform der Berufsausbildung gegeben. Damit soll die berufliche Bildung an die neuen Anforderungen der Arbeitswelt angepasst werden. Das Gesetz tritt am 1. April 2005 in Kraft.

Der erhoffte Abbau von Ausbildungshemmnissen, wie die teilweise sehr hohe Vergütung, konnte nicht durchgesetzt werden. Mit Blick auf den Nationalen Ausbildungspakt, den die Reform eigentlich unterstützen sollte, ist das kontraproduktiv und bedauerlich. Einige Lichtblicke gibt es aber doch. Diese Verbesserungen sind nicht zuletzt dem Einwirken der IHK-Organisation und der Verbände zu verdanken. Insgesamt positiv ist, dass das Gesetz im Bundestag auch mit den Stimmen der CDU beschlossen wurde und der Bundesrat ihm zugestimmt hat. Ein Vermittlungsverfahren mit unkalkulierbarem Ausgang wurde so verhindert. Positiv fällt ebenfalls auf, dass die Unternehmen künftig auf differenzierter gestaltete Ausbildungsberufe zurückgreifen können, die auch den Jugendlichen zugute kommen. Auf was müssen sich Betriebe künftig im Einzelnen einstellen?

Lehrzeit wird stufenweise organisiert
Bei jedem Beruf kann künftig beispielsweise eine Stufenausbildung vereinbart werden, die der Jugendliche nach der ersten Stufe beenden kann. Ein gestufter Vertrag ist jedoch nicht vorgesehen, vielmehr sind die Verträge auf volle Distanz abzuschließen. Es handelt sich aber um ein Ausstiegsmodell, das es bisher nicht gab. Der Vorteil für schwächere Jugendliche: Sie können früher aufhören, erhalten ein IHK-Zeugnis und gelten nicht als „Abbrecher“. Der Vorteil für Betriebe: Sie müssen sich nicht mit überforderten Jugendlichen im dritten Jahr „quälen“.

Ferner soll es mehr aufeinander abgestimmte, zwei- und dreijährige Berufe, wie zum Beispiel in den Bauberufen, geben. Hier kann dann ein zweijähriger Ausbildungsvertrag vereinbart werden. Das dritte Jahr wird vertraglich später aufgestockt. Es ist ein Aufstiegsmodell, bei dem Jugendliche und Betriebe gemeinsam entscheiden, ob und – wenn ja – wann es nach dem ersten Abschluss weitergeht.

Gestreckte Abschlussprüfung
Die „gestreckte“ Prüfung (vgl. auch WiM 2/2005, Seite 14) wird als zweite Prüfungsart neben der Abschlussprüfung eingeführt. Sie teilt die Abschlussprüfung in zwei Teile; etwa nach zwei Jahren und am Ende der Ausbildung wird ein Teil abgeschlossen. Die Vorteile: Die teuren Übungskosten vor der jetzigen Abschlussprüfung fallen weg. Die Grundqualifikationen werden vorher geprüft und bewertet. Die Lehrlinge müssen von vornherein ihre Leistungen unter Beweis stellen. Zwischenprüfungen – bisher ohnehin ungeliebt, da ohne Einfluss auf die Abschlussprüfung – fallen weg.

Bessere Förderung Leistungsstarker
Zusätzliche Qualifikationen können als freiwillige Teile von vorneherein in neue Berufsbilder aufgenommen werden. Dadurch wird die Förderung leistungsstarker Lehrlinge in der dualen Ausbildung verankert. Die Betriebe sind frei, eine Zusatzqualifikation zu vereinbaren, können damit aber eine Alternative zum Hochschulstudium bieten.

Aufenthalte im Ausland
Auslandsaufenthalte können künftig bis zu einem Viertel der Ausbildungsdauer betragen. Durch Praktika bei ausländischen Partnern können die Betriebe ihre Ausbildung attraktiver machen und die Fachkräfte international ausrichten.

Probezeit verlängert
Auch über die neue Konzeption der Berufe hinaus gibt es Positives: Die maximale Probezeit verlängert sich von drei auf vier Monate. Dadurch können sich beide Seiten länger kennen lernen.

Nachholen des Abschlusses verkürzt
Betriebliche Mitarbeiter, die als Berufstätige eine IHK-Abschlussprüfung nachholen wollen, können künftig früher als „Externe“ zugelassen werden. War bisher eine Berufserfahrung notwendig, die das Doppelte der regulären Ausbildungszeit betrug – also bei einer dreijährigen Ausbildung sechs Jahre – so reicht nun das Eineinhalbfache der Zeit (4,5 Jahre).

IHK-Prüfung von Schülern ohne Lehrvertrag
Das Ansinnen von Bundesbildungsministerin Edelgard Bulmahn, die Lehrausbildung als eine der betrieblichen Ausbildung gleichrangige Alternative in die Schulen zu verlagern und den Schülern einen Rechtsanspruch auf Zulassung zur IHK-Prüfung einzuräumen, hätte einen Systemwechsel eingeläutet. Das Bildungsministerium hat lange daran festgehalten. Große Teile der SPD-Fraktion, die Gewerkschaften, die Opposition und die Wirtschaft haben letztlich erreicht, dass diese Schulausbildung bis 2011 befristet und strenge Qualitätskriterien für die Bildungsgänge festgeschrieben wurden. Damit gilt das Bekenntnis zur betrieblichen Ausbildung mit ihrer engen Verzahnung zur Arbeitswelt weiter. Wenn man über schulische Bildungsgänge als Alternative nachdenkt, sollte man die Kostenseite nicht vergessen: Ein Schüler kostet 6 300 Euro pro Jahr, der Lehrling in der Berufsschule kostet den Staat nur 2 100 Euro. Dieses Geld könnte bei der Schulreform nach „Pisa“ fehlen. Auch deshalb sollte dieses Experiment nach Auffassung der IHK-Organisation nicht über 2011 hinaus fortgeführt werden.

Hieraus können sich für Unternehmen Probleme ergeben: Da die IHKs auch Schüler ohne Lehrvertrag zur Prüfung zuzulassen haben, müssen die Personalverantwortlichen bei Bewerbungen von Fachkräften klären, ob diese eine klassische Ausbildung oder eine Schulbildung hinter sich haben. Der Nachteil ist offensichtlich: weniger Transparenz.

Ländersache: Verkürzung der Ausbildungszeiten
Die Verkürzung der Ausbildungszeiten, zum Beispiel durch berufsbildende Vorschulen, wird künftig von den Ländern geregelt. Unterschiede sind jetzt schon vorprogrammiert. Dies bringt für bundesweit tätige Unternehmen den Nachteil, dass sie sich über die Anrechnungsregeln informieren müssen.

Tabu Vergütung
Die hohen Vergütungen bleiben. Alle Argumente, dass eine größere Flexibilisierung bei schwieriger Wirtschaftslage oder in bedrängten Regionen die Zahl der Lehrstellen erhöhen würde, prallten am Widerstand der Regierungsparteien ab. Ein größerer Spielraum für die Betriebe war auch auf Grund des Drucks von Gewerkschaftsseite ein absolutes Tabu für die Regierung. Es sei Aufgabe der Verbände, in Tarifverhandlungen für mehr Flexibilität zu sorgen, so die Argumentation.

Dem Image der betrieblichen Ausbildung ist die Anerkennung schulischer Bildungsgänge mit IHK-Zertifikat nicht förderlich. Diese Entwicklung ist aber der derzeit extrem schwierigen Situation auf dem Ausbildungsmarkt geschuldet, um allen ausbildungswilligen und ausbildungsfähigen Jugendlichen eine Chance am Arbeitsmarkt bieten zu können. Das sollte aber die Unternehmen nicht beirren, denn ihre Verantwortung für die Ausgestaltung des betrieblichen Teils der Ausbildung bleibt letztlich unberührt.

Geerd Woortmann (DIHK)
 

WiM – Wirtschaft in Mittelfranken, Ausgabe 03|2005, Seite 25

 
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