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Duales Ausbildungssystem wandelt sich

Der Tag war gut gewählt. Als Bundespräsident Horst Köhler in Berlin beim Arbeitgeberforum „Wirtschaft und Gesellschaft“ zu weiteren Reformen im Kampf gegen die Massenarbeitslosigkeit und zu einer Bildungsoffensive aufrief, trafen sich in der IHK Akademie Mittelfranken rund 200 Bildungsverantwortliche aus mittelfränkischen Unternehmen, Berufsschullehrer und Bildungsexperten zum Ausbildertag.

Bessere Bildung forderte Köhler in der Hauptstadt und meinte: „Wir brauchen Lehrer, die darauf brennen, ihren Schülern etwas beizubringen – und Schüler, die sich begeistern lassen. Wir brauchen Eltern, die ihre Kinder zur Wissbegierde erziehen. Wir brauchen Ausbilder, die Freude daran wecken, ein Handwerk zu beherrschen. Dafür liefert unser Bildungssystem heute nicht mehr die Grundlage.“ Und zur Begrüßung beim 2. Mittelfränkischen Ausbildertag wies IHK-Hauptgeschäftsführer Dr. Dieter Riesterer darauf hin, dass das Ausbildungssystem aus deutschen Landen im internationalen Vergleich „überhaupt nicht gut dasteht“ und zahlreiche Probleme bewältigen muss. Ob die Qualität der Azubis, die Durchlässigkeit des Systems oder die ständig steigenden Anforderungen – auf alle Bildungsverantwortlichen in den Unternehmen, auf Berufsschullehrer und auf Bildungsexperten anderer Institutionen kommen weitere Aufgaben zu.

„Qualifikation und Kompetenzen werden immer bedeutsamer“, sagte Dr. Werner Dostal vom Nürnberger Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB). Mit seinen kritischen Worten zu Beginn rannte Dostal bei den fachkundigen Zuhörern offene Türen ein. Sie kennen die Ausbildungswirklichkeit in den Betrieben. Das duale Ausbildungssystem, so Dostal, sollte weiterhin zentral bleiben, aber aufgeteilt werden. Sein Vorschlag für das obere Segment: Mehr Berufsakademie und eventuell Bachelor-Ausbildungen; im mittleren Segment wie bewährt, aber nicht mehr so differenziert; im unteren Segment nicht verkürzt, aber weniger Theorie und mehr Praxis. Nach Beobachtungen des IAB hat sich das duale System der Berufsausbildung zwar bereits differenziert, aber diese Veränderungen müssten auch zu formalen Anpassungen führen. Dostal: „Im Rahmen der Globalisierung darf das deutsche System nicht einfach aufgegeben werden. Es bedarf aber einer begründeten Neuaufstellung.“ Denn die duale Ausbildung bringe im internationalen Vergleich auch durchaus Nachteile mit sich, so die Einordnung gemäß erforderlichem Schulabschluss, die Dauer der Ausbildung und die geforderten Praxisanteile.

Wie lebendig und veränderungsfähig sich das duale Ausbildungssystem darstellt, machten die IHK-Ausbildungsberater Klaus Lechner und Bernd Hirschberger in ihren Fachvorträgen zu neuen Ausbildungsberufen deutlich. Ob Fachkraft oder Kaufmann/Kauffrau für Kurier-, Express- und Postdienstleistungen, Servicefahrer, Kaufmann/Kauffrau für Tourismus und Freizeit oder Reiseverkehrskaufmann/-frau – auch 2005 werden einige neue Berufe eingeführt. Auch neue Berufe, die eine verkürzte Ausbildungszeit von zwei Jahren benötigen, sollen dem Nachwuchs neue Chancen und Möglichkeiten bieten. Auf die Ausbilder und Prüfer kommen ebenfalls neue Aufgaben und Herausforderungen zu, über die Harald Enderlein und Gerhard Schmaderer von der IHK informierten.

Einstiegsqualifizierung über den Ausbildungspakt
Unvermittelte Jugendliche sollen, so der Ausbildungspakt zwischen Bundesregierung und Wirtschaftsverbänden, mit der Einstiegsqualifizierung einen Weg in die betriebliche Welt und einen Einstieg in die Ausbildung finden. Sechs bis zwölf Monate dauert eine solche Qualifizierung, und das erworbene Zertifikat kann immerhin bei einer anschließenden Ausbildung im entsprechenden Beruf mit bis zu sechs Monaten angerechnet werden. Damit haben auch Jugendliche mit schlechten Schulnoten eine erste Chance, um die Arbeitswelt kennen zu lernen und in eine Beschäftigung zu starten, so die einhellige Meinung bei dem von Christine Gräff von der IHK moderierten Forum zum Thema „Einstiegsqualifizierung“.

Auswahl der Lehrstellen-Bewerber
Wenn sich immer mehr Jugendliche um die knapp bemessenen Ausbildungsplätze bewerben, fällt den Ausbildern in den Betrieben die Auswahl nicht leicht. Wie man die richtigen und am besten geeigneten Bewerber finden kann, verdeutlichte Robert Scholz von der Forchheimer Firma RScreativ. Mit den richtigen Testmethoden, so Scholz, könnten bei Bewerbern neben den wichtigsten intellektuellen Fähigkeiten auch die Schlüsselqualifikationen wie Auffassungsgabe, Entscheidungsfähigkeit und Kreativität sowie die grundlegenden Potenziale wie Stressfestigkeit, Organisationstalent oder Kommunikationsfähigkeit ermittelt werden. Damit, so Scholz, könnten die Unternehmen von Anfang an die „richtigen“ Azubis aussuchen und die Ausfall- und die Durchfallquote vermindern.

hpw.
 

WiM – Wirtschaft in Mittelfranken, Ausgabe 04|2005, Seite 32

 
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