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„Muss der das wirklich wissen?“

Vorfreude und helle Aufregung herrschte Anfang des Jahres bei den rund 1 300 Mitarbeitern der KarstadtQuelle Versicherung in Nürnberg. Zur traditionellen Jahresauftaktveranstaltung, die in diesem Jahr in der Stadthalle Fürth stattfand, war nicht irgendein zweitklassiger Moderator oder Conferencier angekündigt. Der Abteilung Corporate Communication & Identity war es gelungen, einen von Deutschlands bekanntesten und beliebtesten Fernsehstars für diesen Abend zu verpflichten. Mehr als 900 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Direktversicherung kamen, auch um Günther Jauch live zu erleben.

Viele Unternehmen aus Mittelfranken leisten sich regelmäßige Mitarbeiterveranstaltungen, so Faber Castell, Stein bei Nürnberg, oder die Sparkasse Nürnberg. Bei der Diehl-Gruppe werden selbst die Ehemaligen, mehr als 1 000 Pensionäre in die Meistersingerhalle eingeladen. Interne Kommunikation hat, zumindest bei den Großen aller Branchen, an Bedeutung gewonnen. Als im Jahre 1888 der „Schlierbacher Fabriksbote“ in Hessen als erste deutsche Werkzeitschrift erschien, ließ der Aufruf auf dem Titelblatt an Deutlichkeit nichts vermissen: „Bete und arbeite und streike nicht“. Auch wenn sich an diesen Wünschen deutscher Unternehmer und Manager bis zum heutigen Tage grundsätzlich nicht viel geändert haben mag – das Instrumentarium ist umfassender und vielfältiger geworden, die Professionalität der Kommunikation ist, zumindest bei größeren Unternehmen, deutlich gewachsen. So setzt die Schaeffler Gruppe in Herzogenaurach auf Aushänge am Schwarzen Brett und Intranet, Abteilungs- oder Bereichsbesprechungen einmal im Monat, die monatlich erscheinende Mitarbeiterzeitschrift oder anlassbezogene e-mails. Sechsmal pro Jahr geht der Zentralbereich Unternehmenskommunikation sogar auf Sendung und strahlt Mitarbeiter-TV aus. Auch bei der Leoni AG finden die Mitarbeiter viele Informationen im Intranet, drei Mal pro Jahr erscheint konzernweit in deutsch und englisch die Zeitschrift „LeoniConnects“. Dazu gibt es eine Mitarbeiterzeitschrift des Unternehmensbereichs Draht und Kabel sowie Technik-News mit Fachinformationen für Ingenieure.

Über die Kosten für die Mitarbeiterkommunikation möchten sich die mittelfränkischen Unternehmen nicht äußern, nur die Sparkasse Nürnberg gibt pro Kopf einen Jahresaufwand von 160 bis 200 Euro an. Peter Schafhauser von Faber Castell: „Die Ausgaben sind nicht budgetiert und nicht quantifizierbar. Die Mitarbeiterzeitschrift geht zum Beispiel auch an 20 000 Händler, da fallen die Kosten für rund 800 Mitarbeiter nicht ins Gewicht.“

Mitarbeiter als wichtigste Zielgruppe
Laut Umfragen etwa von der Unternehmensberatung Booz Allen Hamilton werden Unternehmen künftig weniger in klassische Werbung oder Messeauftritte investieren, sondern mehr Geld für Medienarbeit, Intranet und Mitarbeiterkommunikation ausgeben. Ohnehin gelten die eigenen Angestellten neben den Kunden als wichtigste Zielgruppe, denn schlecht informierte Mitarbeiter und Führungskräfte arbeiten ineffizient zusammen, ihnen fehlt der Bezug zur Gesamtleistung des Unternehmens und sie sind auch in der Außenwirkung gegenüber dem Kunden nicht optimal auf die Unternehmensziele ausgerichtet. Wenn Informationen fehlen, können auch Abläufe im Unternehmen selbst wesentlich länger dauern.

Interne Kommunikation soll dabei helfen, Mitarbeiter mit den Zielen, Werten und der Kultur eines Unternehmens vertraut zu machen. Kommunikation und Transparenz gelten als die wichtigsten Voraussetzungen für Vertrauen. Und erst wenn alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter wissen, worauf das Unternehmen zielt, und Vertrauen entwickeln in die Fähigkeiten des eigenen Arbeitgebers und der Führungskräfte, ziehen alle an einem Strang für die bestmöglichen Ergebnisse. Kommunikation findet in jedem Betrieb ohnehin statt, ob in der Kaffeeküche, im Aufzug oder während des Betriebsausfluges. Zwar kommt es auch heute noch in Unternehmen vor, dass Führungskräfte auf den Wunsch, bestimmte Informationen an ihre Mitarbeiter weiterzugeben, mit der Frage reagieren: „Muss der das wirklich wissen?“. Aber motivierte Mitarbeiter wollen heute informiert und einbezogen sein und als gleichberechtigt behandelt werden. Die Filterung von Informationen müssen nicht die Vorgesetzten vornehmen, die Entscheidung kann man getrost den gut ausgebildeten Mitarbeitern überlassen.

Gerade in Zeiten, in denen Mitarbeiter Angst um ihren Arbeitsplatz haben, geben sie sich nicht mit Allgemeinplätzen, mit Gerüchten des „Flurfunks“ oder mit dem Schweigen der Führungskräfte zufrieden. Sie verlangen – durchaus auch über die nach Betriebsverfassungsgesetz vorgeschriebenen Pflichtinformationen hinaus – nach betrieblichen Kennzahlen und Informationen zu den Strategien, mit denen das eigene Unternehmen den Herausforderungen der globalisierten Zukunft begegnen möchte. Gerade Unternehmen mit Produktionsstätten und Niederlassungen in verschiedenen Ländern der Welt benötigen nach Meinung von Experten eine strukturierte interne Kommunikation, um die Mitarbeiter verschiedener Standorte einzubinden und in eine gemeinsame Richtung zu lenken. Einige Beispiele für Kommunikations-Instrumente: Auftaktveranstaltungen („Kick-offs“) zu Beginn eines Geschäftsjahres, „Specials“ im Intranet oder Live-Chats.

Vertrauen aufbauen
„Vertrauen führt“ ist der Titel eines Buches von Bestseller-Autor Reinhard K. Sprenger und darin schreibt er: „Die veränderten internationalen Wettbewerbsbedingungen kennen nur drei Dimensionen: Tempo, Tempo und nochmals Tempo. Wir müssen lernen, dass ,Geschwindigkeit erhöhen‘ nichts zu tun hat mit ,schneller rennen‘, ,härter‘ oder ,länger‘ arbeiten. Wir können aber schneller werden, indem wir Arbeitsverhältnisse schaffen, in denen Vertrauen wächst. Denn Vertrauen ist Geschwindigkeit.“ Vertrauen innerhalb der innerbetrieblichen Kommunikation wächst vor allem dann, wenn die Beteiligten glaubwürdig kommunizieren. Wenig glaubwürdig wirkt es, wenn immer nur von zahlreichen problemlos laufenden Projekten, von allseits und immer zufriedenen Kunden und von Spitzenergebnissen in Forschung und Entwicklung die Rede ist. Ständige Jubelnachrichten kommen bei den Mitarbeitern schlecht an, denn schon aus ihrem eigenen Arbeitsbereich kennen sie die Wirklichkeit häufig besser.

Bei Veränderungsprozessen ist eine besondere Aktivität der Unternehmenskommunikation angesagt. Die Konzepte dafür werden jedoch in der Praxis häufig zusammen mit externen Beratern hinter verschlossenen Türen erarbeitet. Natürlich soll über „ungelegte Eier“ nicht gesprochen werden, aber gerade Veränderungsprozesse lassen sich mit gezielter professioneller Kommunikation erfolgreich umsetzen. Mit Zwischenberichten und Vorträgen über Sinn und Zweck des Veränderungsprozesses sowie über seine Auswirkungen zu informieren, ist allemal besser, als sich über Gerüchte, Missverständnisse, Ängste oder falsche Erwartungen im betrieblichen Alltag zu wundern. Proaktive Kommunikation, also die aktive Kommunikation vor dem Entstehen von Gerüchten, hält auch in harten Zeiten die Belegschaft zusammen.

Mitarbeiter wollen informiert sein, vor allem auch über die eigene Funktion und Rolle im Unternehmen und über ihre Möglichkeiten, einen effektiven Beitrag zur Erreichung der Unternehmensziele leisten zu können. Das Argument „Das habe ich nicht gewusst“ gilt heute wenig, und die Antworten wie „Stand aber im Intranet“ oder „Information ist eben eine Holschuld“ sind bekannt. Zwar wird so der Schwarze Peter an den Betroffenen zurückgespielt, aber effizient und hilfreich oder Ausdruck einer guten Zusammenarbeit ist die Antwort nicht. Die Verantwortung für den Kollegen, ihm die benötigten Informationen rechtzeitig zukommen zu lassen, steht für eine gute Unternehmenskultur.

Mitarbeiter, die besser informiert sind, sind auch bei der Bearbeitung von Kundenanfragen, der Umsetzung von Bestellungen oder der Ausarbeitung von Angeboten in der Regel schneller und effizienter. Das Ergebnis: mit besserer Unternehmenskommunikation steigt nicht nur die Mitarbeiter-, sondern auch die Kundenzufriedenheit. Gerade Vertriebsmitarbeiter, so eine wissenschaftliche Untersuchung, sind bei der internen Kommunikation deshalb besonders zu berücksichtigen. So setzen die SB-Warenhäuser der saarländischen Globus-Gruppe zahlreiche Instrumente im Rahmen ihrer internen Kommunikation ein und erreichen damit auch Erfolge für das Unternehmen. Seit zehn Jahren wählen die Kunden das Unternehmen nach Angabe von „Absatzwirtschaft“ zum beliebtesten Food-Großflächenanbieter. Die entsprechenden Aufwendungen für die Maßnahmen der internen Kommunikation schlagen sich beim optimierten Unternehmenserfolg als Zusatzertrag nieder. Wie viel der Auftritt von Günther Jauch bei der KarstadtQuelle Versicherung unter dem Strich als Mehrertrag für die erfolgreiche Direktversicherung bringen wird, ist aber wohl kaum zu ermitteln.

hpw.

 

WiM – Wirtschaft in Mittelfranken, Ausgabe 04|2005, Seite 18

 
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