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Eine Alternative zur deutschen GmbH?

Eine in Deutschland sehr verbreitete Gesellschaftsform ist die Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH). Sie hat sich für den Mittelstand als praktikable Lösung erwiesen, da sie die nötigen Formalismen erfüllt und darüber hinaus mit einer Haftungsbeschränkung ausgestattet ist. Meist scheitern Existenzgründer allerdings an der hohen Eigenkapitalhürde von 25 000 Euro. Zwar gibt es auch hier Gestaltungsmöglichkeiten im Rahmen der Kapitalaufbringung als Bar- oder Sachmittel, diese sind aber verglichen mit den Möglichkeiten, die die europäische Rechtsprechung beschert hat, eher zu vernachlässigen.

Die durch den Europäischen Gerichtshof (EuGH) erlassenen Urteile zu den Fällen „Überseering“, „Centros“ und „Inspire Art“ versetzten die deutsche Rechtssprechung in Zugzwang, da die bis Anfang 2003 geltende Sitztheorie nach europäischer Auffassung nicht mehr statthaft war. Bis zu diesem Zeitpunkt war die deutsche Rechtsprechung davon ausgegangen, dass ausländische Gesellschaften, die ihre tatsächliche Leistungsmacht und den faktischen Sitz in Deutschland hatten, als nicht rechtsfähig eingestuft wurden. Erschwerend kam hinzu, dass eine etwaige Haftungsbeschränkung in Deutschland nicht anerkannt wurde.

Nach Auffassung des EuGH verletzten Deutschland und andere Länder, die die Sitztheorie vertraten, das europäische Recht der Niederlassungsfreiheit gemäß Art. 43 EG (vgl. dazu EuGH-Urteil „Inspire Art“). Die europäischen Richter vertraten die Meinung, dass eine in einem europäischen Mitgliedsstaat ordnungsgemäß gegründete und in das dortige Register eingetragene Gesellschaft in jedem anderem Mitgliedstaat als rechtsfähig angesehen werden muss. Die so genannte Gründungstheorie wurde dann durch den Bundesgerichtshof (BGH) bestätigt und machte den Weg für ausländische Gesellschaften frei, ihren faktischen Sitz und ihre Leistungsmacht in Deutschland auszuüben.

Dies eröffnet allerdings nicht nur Möglichkeiten für ausländische Gesellschaften, sondern schafft auch deutschen Unternehmern und Existenzgründern neue Gestaltungsmöglichkeiten bei der Rechtsformwahl. Bereits bei der Wahl der Rechtsform bietet sich bekanntlich eine Vielzahl von Variationen an, die sich auf Steuern, Haftung und das einzubringende Mindestkapital auswirken.

Sieht man von den deutschen Gesellschaften - im Speziellen von der GmbH – ab, so findet man in den europäischen Nachbarländern ähnliche Varianten der GmbH, die z. B. in Frankreich unter dem Namen „Societé à responsabilité limitée“ (S.A.R.L.), in England unter „private company limited by shares“ (Ltd.), in Spanien unter „Sociedad con responsabilidad limitada“ (S.L.) oder in Polen unter „Spólka z ograniczona odpowiedzialnoscia“ (Sp.z.o.o) bekannt ist. Allen gemein ist die Haftungsbeschränkung.

Bekannteste Alternative dürfte aber die englische Limited sein, über die die IHK vor kurzem in einer Informationsveranstaltung unterrichtete. Die Gestaltungsalternative zur deutschen GmbH bringt augenscheinlich einige Vorteile mit sich. Neben geringen Gründungs- und Eintragungsvoraussetzungen hat die Limited kein gesetzliches Mindeststammkapital. Üblicherweise wird allerdings eine Summe von 100 britischen Pfund bei einer britischen Bank eingelegt, die dann in 100 Aktien zu je einem britischen Pfund aufgeteilt wird. Dabei kann der Unternehmensgegenstand jeder beliebige legale Zweck sein. Bei der Abfassung der Satzung ist von Vorteil, dass diese nicht notariell beurkundet werden muss. Somit spart man sich Kosten, die je nach Gründungsart weit über 1 000 Euro gehen können. Ähnlich der deutschen GmbH haftet die Gesellschaft nur mit dem eingelegten Stammkapital. Die Gründung einer Limited kann dabei jeder EU-Bürger in England vornehmen, allerdings muss dabei ein Vorstand (Director) und ein Schriftführer (Company Secretary) benannt werden.

Bei der Eröffnung wird die Gründungsbescheinigung (Memorandum of Association) ausgestellt und die Satzung der Gesellschaft (Articles of Association) beschlossen. Mit Eintragung der Gesellschaft ins Englische Handelsregister entsteht die Gesellschaft inklusive der Haftungsbeschränkung. Das Gründungsverfahren dauert dabei von der Gründung bis zur Eintragung ins Handelsregister ca. sieben bis 14 Tage.

Zahlreiche Pflichten und Folgekosten der Limited
„Hört sich ja alles super an“, könnte man denken. „Warum gründet dann nicht jeder eine Limited anstatt der schwerfälligen GmbH?“ Zumindest offerieren bereits sehr viele Firmen Gründungswilligen via Internet eine Masse an Angeboten. Dabei variieren die Preise von ca. 180 bis über 700 Euro. Der Markt floriert und soll man dem Internet Glauben schenken, nutzen bereits Tausende die Möglichkeit der Gründung einer Limited und täglich werden es mehr. Sicherlich gibt es viele kenntnisreiche und seriöse Dienstleister, die neben Hilfe bei der Gründung auch eine ausführliche Beratung anbieten, nur hat diese dann auch ihren Preis. Oft wird zudem übersehen, dass die Gründung einer Limited auch Pflichten mit sich bringt und auf den Gründer nicht unerhebliche Folgekosten zukommen.

Viele Banken skeptisch
So muss jährlich beim englischen Gesellschaftsregister das so genannte „annual return“ eingereicht werden, das eine Reihe von wichtigen Dokumenten umfasst. Weiterhin müssen Jahresabschluss, Bilanz und Gewinn- und Verlustrechnung eingereicht werden. Sollten die Dokumente nicht fristgerecht vorliegen, können Bußgelder von mehr als 1 000 Pfund verhängt werden. Werden die Mahnungen des Gesellschaftsregisters ignoriert, kann es zu einer zwangsweisen Löschung aus dem Register kommen (und zwar deutlich schneller als bei einer nach deutschen Recht gegründeten Gesellschaft). Auch sollte bedacht werden, dass die viel propagierte Haftungsbeschränkung auf das Stammkapital auch aufgehoben werden kann. Dies kommt vor allem bei Verletzung gesetzlicher Pflichten oder bei Verletzung der Sorgfaltspflicht durch den Vorstand vor. Somit würde wiederum eine persönliche Haftung mit Haus und Hof bestehen. Ein weiterer Blick über den Tellerrand lohnt sich allemal, denn gerade potenzielle Kapitalgeber wie Banken, aber auch potenzielle Kunden schrecken vor der Limited zurück, da als Registered Office eine Postadresse in Großbritannien reicht. Möglicherweise handelt es sich bei dem Geschäftspartner, der als Limited firmiert, nur um eine Briefkastenfirma. So werden Firmen bei Geschäftsbeziehungen mit einer Limited kritisch deren Kreditwürdigkeit prüfen, allerdings sich auch darauf einstellen, dass dies der Geschäftpartner bei Vorhandensein einer eigenen Limited ebenfalls veranlassen wird. Die Unterhaltung des „registered office“ in England verursacht zudem laufende Kosten, selbst wenn es sich nur um einen Briefkasten handelt. Häufig wird bei Lieferungen und Leistungen an Limiteds auf Vorauskasse bestanden.

Steuerpflicht nicht zu umgehen
Auch die Offerte einiger Internet-Anbieter, die erklären, dass man Steuern spare oder in Deutschland nicht steuerpflichtig sei, ist so nicht ganz richtig. Wie erwähnt begründet sich auch die Steuerpflicht auf den faktischen Sitz der Gesellschaft und deren Leistungsmacht. Sollte dieser in Deutschland liegen, so wird die Limited voll steuerpflichtig und muss Körperschaftssteuer, Gewerbesteuer wie eine deutsche GmbH etc. abführen. Auch die Umgehung der Pflichtmitgliedschaft bei IHK oder Handwerkskammer ist nicht möglich. Es gilt also auch der Meisterzwang für die einschlägigen Handwerksberufe, wenn die Limited nur von Deutschland aus tätig ist.

Zudem gilt es zu bedenken, dass sich Gesellschafter und Geschäftsführer an die Vorgaben des englischen Gesellschafts- und Insolvenzrechts halten müssen. Wer sich im deutschen und v. a. im englischen Recht nicht auskennt, beschwört also unabsehbare Risiken herauf.

Ein unüberlegtes Handeln kann gerade bei der Rechtsformwahl zu schwerwiegenden Problemen führen. Die ausländische Rechtsform sollte auf keinen Fall ohne vorherige intensive Beratung gewählt werden, da es weit mehr Gestaltungsmöglichkeiten und Fallstricke gibt, als man auf den ersten Blick erkennen kann.

Christian Neusser, neusser@vend-consulting.de

IHK, Beate Plewa, Tel. 0911/1335-393, plewa@nuernberg.ihk.de

Deutsch-Britische IHK in London, www.ahk-london.co.uk
 

WiM – Wirtschaft in Mittelfranken, Ausgabe 05|2005, Seite 30

 
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