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Der lange Weg zur Metropolregion

Herr Schmidt, seit Ende April ist die Region Nürnberg offiziell europäische Metropolregion. Ein besonderer Moment für Sie persönlich?
Renate Schmidt hat mich an dem Tag angerufen und die Nachricht von der positiven Entscheidung überbracht. Die Bundesministerin hat sich – als Tochter der Region – natürlich ebenso gefreut wie ich. Ich muss sagen, es war in dem Moment schon so etwas wie ein kleines Siegesgefühl dabei. Denn es hätte am Ende ja durchaus noch einmal knapp werden können. Meine Sorge war nicht, dass wir als Region nicht stark genug sind, von den Zahlen her können wir uns mit allen messen. Aber auch Entscheidungsträger sind ja nur Menschen.

War es für die Region ein langer Weg bis zu diesem wichtigen Erfolg?
Das stimmt, es war ein langer Weg, aber die Region hat ihn in erstaunlich kurzer Zeit geschafft. Denn noch vor wenigen Jahren ging es zunächst darum, erst einmal die Grundlage zu schaffen, auf der wir uns überhaupt um diesen Titel bewerben konnten. Wir erbringen hier zwar die Leistung der sechststärksten Wirtschaftsregion in Deutschland und haben auch in den Bereichen Kultur, Sport und Wissenschaft sehr viel zu bieten. Aber dennoch sah es für die Anerkennung als Metropolregion zunächst gar nicht so gut aus. Noch Anfang 2003 hatten sich sowohl das Staatsministerium für Landesentwicklung als auch der bayerische Landtag öffentlich abschlägig zur „Metropolregion Nürnberg“ geäußert. Und auch innerhalb der Region waren längst nicht alle von den eigenen Stärken überzeugt. Europäische Metropolen, das sind Paris, Mailand, München, eine andere Liga. So wurde noch Anfang 2003 auch aus der Region selbst argumentiert. Es waren übrigens, mit Verlaub, die Bemühungen der Industrie- und Handelskammer Nürnberg für Mittelfranken und des Regionalmarketingvereins Die Region Nürnberg e.V., die in der Folgezeit entscheidend waren. Wir haben 2003 viele Gespräche geführt, mit Ministerpräsident Stoiber und den Staatsministern Beckstein, Huber und Wiesheu. In der Kabinettsitzung der Bayerischen Staatsregierung im Juli 2003 in Ansbach wurde dann die Entscheidung getroffen, den Antrag zu stellen, die Region Nürnberg in den Kreis der Metropolregionen aufzunehmen. Der Stadtrat Nürnberg hat sich daraufhin der Absicht der Staatsregierung ausdrücklich angeschlossen. Und ganz wichtig war es schließlich auch, dass die anderen nordbayerischen IHKs noch im März 2005 eine gemeinsame Resolution verabschiedeten, in der sie die Bundesregierung dazu aufforderten, die Region als Metropolregion anzuerkennen. Ohne zu hoch greifen zu wollen: Das war schon ein historisches Ereignis, dass der ganze fränkische und nordbayerische Raum in dieser Weise zusammenkommt.

Hat sich das Gesicht der Region verändert in den letzten Jahren?
Ja, sehr. Noch vor sechs, sieben Jahren wurde in der Region diskutiert, ob wir eine Krisenregion sind. Also: damals Krisenregion, jetzt Metropolregion – da sehen Sie ganz deutlich, welche Spanne sich hier zeigt.

Die entscheidende Veränderung war also die Veränderung der Selbstwahrnehmung?
Natürlich. Nur wer seine Stärken kennt und selbstbewusst ist, kann etwas bewegen. Noch 1998 konnte mir Ministerpräsident Stoiber nicht zu unrecht die Frage stellen: „Sagen Sie, Herr Schmidt, warum jammern die Nürnberger immer nur? Das kann doch nicht nur am Club liegen!“ Es hat eine Weile gedauert, bis einige anfingen, sich zu fragen: Sind wir wirklich so schlecht oder nicht doch eine starke Region mit „starken Köpfen“, wie es die erste Kampagne des Regionalmarketingvereins damals auf den Punkt brachte. Meinungen sind entscheidend wichtig, vor allem auch unsere Meinung über uns selbst. Wirtschaft ist zum größten Teil Psychologie.

Das klingt so, als könnte die Erfolgsgeschichte der Region als gutes Lehrstück für aktuelle deutschlandweite Debatten dienen.
Durchaus. Als ein Lehrstück dafür, dass man sich befreien muss aus der larmoyanten Stimmung und einfach losgehen, aktiv seine Ziele suchen, dann findet man sie auch. Die abgedroschensten Lebensweisheiten haben ja immer einen wahren Kern, weil sie auf langer Erfahrung beruhen: Wo ein Wille ist, ist tatsächlich auch ein Weg. Man muss ihn nur suchen wollen.

Und wie sehen Sie den weiteren Weg der frisch gebackenen Metropolregion?
Wir wollen natürlich nicht stehen bleiben, sondern weiter vorankommen. Was wir jetzt tun müssen, ist, das Interesse, die Zustimmung und Unterstützung in ganz Nordbayern ernst zu nehmen und einzubinden. Wir sind die Metropolregion Nürnberg „und Nordbayern“. Dieser Zusatz ist wichtig. Es wird jetzt darum gehen, die Stärken unserer Region zu bündeln und richtig zu koordinieren und vor allem regionale Schwerpunkte zu bilden. Das gilt für alle großen Bereiche, für die Wirtschaft, die Wissenschaft, die Kultur und den Sport. Hier sehe ich vor allem auch die Industrie- und Handelskammer Nürnberg für Mittelfranken gefordert als wichtiges wirtschaftliches Koordinationszentrum der größer werdenden Metropolregion Nürnberg und Nordbayern.

Welche besonderen Herausforderungen kommen in den nächsten Jahren auf die Region zu?
Unser Blick als europäische Metropolregion muss auch über Europa hinaus gehen. Europa ist ja ganz heimelig, da sind wir alle zuhause. Aber die Musik spielt international heute schon maßgeblich im asiatischen Raum, besonders in China. Dem müssen wir Rechnung tragen. Wir müssen uns darum bemühen, international noch bekannter zu werden. Dabei geht es auch darum, Mentalitätsunterschiede zu überbrücken, sich besser kennen zu lernen. Wichtig sind persönliche Kontakte. Und da ist die Kultur wiederum außerordentlich wichtig, besonders die Musik. Das wollen wir auch einsetzen, ganz nüchtern gesehen. Wir gastieren heuer mit Wagners Ring in Peking, und im nächsten Jahr gehen wir mit Mozarts Don Giovanni nach Hongkong. Und vielleicht sind wir im darauffolgenden Jahr mit einem Gastspiel in Xian, auch da gibt es schon Kontakte. Die Musik kann Brücken bauen, der Wirtschaft den Weg bereiten.
 

WiM – Wirtschaft in Mittelfranken, Ausgabe 06|2005, Seite 32

 
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