Telefon: +49 911 1335-1335

Bald ein deutscher Exportschlager?

Nach Angaben des Ministers hat der Bund allein im ersten Quartal 2005 insgesamt 661 Mio. Euro durch die Maut eingenommen. Das auf Grund technischer Probleme und Pannen verspätet gestartete Toll-Collect-System funktioniert reibungslos. Bei einer Allensbach-Umfrage unter deutschen Top-Managern, Spitzenpolitikern und Behördenleitern hatten im Mai bereits 60 Prozent ihrer Erwartung Ausdruck gegeben, dass sich das deutsche Erfassungssystem zu einem Exportschlager entwickeln könnte. Bei Toll Collect, so eine Unternehmenssprecherin, stehen inzwischen die Interessenten Schlange, ob aus Tschechien, den Niederlanden oder China.

Zwar hatte der Bundesverband Güterkraftverkehr, Logistik und Entsorgung (BGL) mehrfach die Mängel im elektronischen Kontrollsystem beklagt, durch die Schwarzfahrer begünstigt würden. Doch nach einer Verstärkung der Kontrollen, auch an den Grenzen, habe sich die Quote der Mautsünder auf deutlich unter drei Prozent verringert.

Mehr Lkw auf Bundesstraßen
Zu einem Problem hat sich nach Verbandsangaben allerdings der Ausweichverkehr entwickelt: So versuchten zahlreiche Fahrer, der Mautpflicht auf den Autobahnen durch Ausweichen auf die Bundesstraßen zu entgehen. Stolpe erklärte dazu, dass es Ziel aller Beteiligten sein müsse, die Lkw-Fahrer auf den Landstraßen zu „vergrämen“, bevor sich Ausweichrouten eingeschliffen hätten. „Zwar sind die Zahlen des verlagerten Schwerverkehrs allgemein leicht rückläufig“, erklärte das Bayerische Innenministerium. „Dennoch seien auf einzelnen Strecken in den Monaten Januar bis März 2005 teilweise hohe Zuwächse zu verzeichnen. Noch lasse man die Lkw-Bewegungen auf den betroffenen Bundesstraßen zählen, doch schon heute werde eine Konsolidierung bzw. ein Rückgang festgestellt. Mit ersten verwertbaren Zahlen sei allerdings frühestens im Herbst zu rechnen.

Für die Transportunternehmen lohnt sich die Mautflucht ohnehin nur in Einzelfällen. Anfang April hatte die Firma map & guide rund 2 500 Touren in die 50 wirtschaftlich stärksten Städte getestet und dabei festgestellt, dass nur 13 Touren über Ausweichstrecken ohne Maut wirtschaftlicher zu erreichen seien.

Jedoch kriminalisiert die Diskussion um so genannte Mautpreller Handlungen, die völlig legal sind. Das Wiener Abkommen vom 8. November 1968 über die freie Straßennutzung als Fortsetzung des Reichsabkommens über die Freiheit des Durchgangsverkehrs vom 20. April 1921 besagt nämlich Folgendes: Es kann dort gefahren werden, wo keine Fahrbeschränkungen gelten. Gegen diese Abkommen steht § 45 der Straßenverkehrsordnung (StVO), der es Ländern und Kommunen erlaubt, die Benutzung bestimmter Straßen zu verbieten, wenn die öffentliche Sicherheit gefährdet ist oder die Bevölkerung vor Lärm und Abgasen geschützt werden muss. Maßnahmen nach § 45 sind nur erlaubt, wenn nachweislich gesetzte Grenzwerte überschritten werden. Die erklärte Absicht, Lkw-Fahrern das Fahren auf Landstraßen zu verleiden, dürfte nur schwer zu realisieren sein, da nach den EU-Regeln die Durchfahrtsfreiheit eingeklagt werden kann.

Dass die Kommunen dennoch ernst machen, zeigt ein Beispiel aus Rheinland-Pfalz: Dort wurde für Ende Mai 2005 die Sperrung der B 9 für den Transitverkehr zwischen Mainz und Worms für schwere Lkw beschlossen. Lastwagen ab 7,5 Tonnen im reinen Durchreiseverkehr dürfen diesen Streckenabschnitt der B 9 nicht mehr befahren.

Eine Entspannung der Situation bringt nach Ansicht von Verkehrsexperten die Regelung, alle Bundesstraßen mit Mautpflicht zu belegen. Freilich würde diese Regelung die Landesstraßen unter Last setzen. Nach dem Autobahnmautgesetz kann die Mautpflicht - durch Rechtsverordnung des Verkehrsministeriums nach Anhörung der EU-Kommission und mit Zustimmung des Bundesrats - auch auf bestimmte Bundesstraßen-Abschnitte ausgedehnt werden. Dies belastet allerdings auch den regionalen Lkw-Verkehr, der auf diese Bundesstraßen angewiesen ist.

Technisch möglich wäre die Einführung der Maut auf Bundesstrassen ab 2006, wenn die On-Board-Units (OBU) der nächsten Generation („OBU 2“) eingeführt wurden. Die IHK Nürnberg für Mittelfranken beschäftigt sich aktuell in einem von der Vollversammlung einberufenen Sonderarbeitskreis „Maut auf Bundesstraßen“ mit den wirtschaftlichen Auswirkungen einer etwaigen Ausdehnung der Mautpflicht in Mittelfranken.

Horst Peter Wickel

 

WiM – Wirtschaft in Mittelfranken, Ausgabe 06|2005, Seite 8

 
Device Index

Alle Ansprechpartner/innen auf einen Blick