Telefon: +49 911 1335-1335

„Kleine Tiger“ vor der Haustür

Ob Slowenien, Kroatien oder Bulgarien, Rumänien, Serbien oder Mazedonien – die neuen und alten Staaten in Südosteuropa sind für Unternehmen des Freistaates ideale Zielländer für ihre außenwirtschaftlichen Aktivitäten. Auf großes Interesse stieß deshalb das „Südosteuropa-Forum Bayern 2005“, zu dem sich rund 250 Teilnehmer angemeldet hatten. Zusätzlich wurden rund 140 Einzelgespräche zwischen Unternehmern und Experten vereinbart.

Nach Angaben des bayerischen Wirtschaftsministers Dr. Otto Wiesheu erreichte der Handel zwischen Bayern und Südosteuropa im vergangenen Jahr ein Volumen von mehr als 4,2 Mrd. Euro. Dieser Betrag entspreche inzwischen dem Handelsvolumen des Freistaats mit den USA, und weiteres Wachstum sei zu erwarten. Es gebe noch erhebliches Potenzial für die Intensivierung der Wirtschaftsbeziehungen, etwa in den Bereichen Informationstechnologie, Umweltschutz, Bauwirtschaft und Baustoffindustrie, aber auch in den traditionellen Geschäftsfeldern Maschinenbau und Metallverarbeitung. Zur Eröffnung des Forums betonte IHK-Präsident Prof. Dr. Klaus L. Wübbenhorst: „Südosteuropa ist sozusagen unser Heimatmarkt, in dem ,kleine Tiger‘ heranwachsen.“

Nach Aussage von Albrecht Buchwald, Leiter IHK-Geschäftsbereich International, wird vor allem Ex-Jugoslawien weiterhin als „verlängerte Werkbank“ für mittelfränkische Unternehmen genutzt. Die Zahl der mittelfränkischen Unternehmen mit wirtschaftlichen Kontakten zu Geschäftspartnern in Südosteuropa ist in den letzten zehn Jahren um 50 Prozent auf fast 650 gestiegen, fast 400 davon sind mit Vertretungen, Niederlassungen, Produktionsstätten oder Joint Ventures dauerhaft dort engagiert.

Dennoch hat die Goldgräberstimmung mit Sicht auf die asiatischen Wachstumsmärkte in den vergangenen Jahren für eine Verschiebung des Interesses gesorgt. Norbert Weinfurtner von der Sparkasse Nürnberg bestätigt die Zurückhaltung der mittelständischen Firmenkundschaft in Sachen Südosteuropa, IHK-Präsident Wübbenhorst mahnte deshalb: „Südosteuropa haben wir wegen Asien etwas vernachlässigt. Höchste Zeit, dass wir uns jetzt wieder speziell unseren unmittelbaren Nachbarn zuwenden.“

Immerhin kennzeichnen hohe Wachstumsraten auch die Bilanz der ausländischen Direktinvestitionen, und rund 55 Mio. Konsumenten haben einen großen und weiter wachsenden Nachholbedarf. Als Tor zum Balkan hat der vergleichsweise kleine slowenische Markt inzwischen große Bedeutung erlangt. „Historisch bedingte gute Wirtschafts- und Handelsbeziehungen in die Nachfolgestaaten Jugoslawiens, ein mit gut ausgebildeten und häufig mehrsprachigen Arbeitskräften ausgestatteter Arbeitsmarkt und das EU-Standards entsprechende Rechtssystem machen das Land insbesondere für Handels- und Dienstleistungsunternehmen zu einem interessanten Tor für ein Engagement in Südosteuropa“, heißt es bei der Nürnberger Kanzlei Rödl & Partner, die mit einem eigenen Büro in Ljubljana vertreten ist. Und IHK-Vizepräsident Konsul Gert Rohrseitz, Geschäftsführender Gesellschafter von Ecka Granulate in Fürth, stellte das Land während des Forums als „idealen Ausgangspunkt für Aktivitäten in Südosteuropa“ dar.

Bulgarien und Rumänien als aussichtsreichste Kandidaten für eine EU-Vollmitgliedschaft haben in den vergangenen Jahren eine bemerkenswerte Entwicklung vollzogen. So sorgen geringe Inflationsraten und hohe Wachstumsraten in Bulgarien für eine weitere Stabilisierung des Landes. Und Rumänien ist interessant, weil es im Vergleich der südosteuropäischen Länder eine günstige Relation von Produktivität zu Lohnkosten sowie ein hohes Ausbildungsniveau aufweist. Mit 23 Mio. Einwohnern bietet Rumänien darüber hinaus einen attraktiven Binnenmarkt, der erobert sein will.

An die weiterhin bestehenden starken kulturellen Unterschiede erinnerte während des Forums Erhard Busek, ehemaliger österreichischer Vizekanzler und heute EU-Sonderkoordinator des Stabilitätspaktes für Südosteuropa. Seine Aussage zu den Mentalitätsdifferenzen zu Westeuropa: „Man muss nicht alles akzeptieren, aber man muss sie zumindest erkennen.“

hpw.
 

WiM – Wirtschaft in Mittelfranken, Ausgabe 08|2005, Seite 26

 
Device Index

Alle Ansprechpartner/innen auf einen Blick