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DIHK plädiert für „Masterplan des Vertrauens“

Die Ankündigung vorgezogener Neuwahlen hat bei den Unternehmern eine spürbar bessere Stimmung erzeugt – so das Ergebnis einer Blitzumfrage der IHK-Organisation unter den Mitgliedern. Mit diesem Stimmungswandel verbinden sich Hoffnungen auf mehr Handlungsfähigkeit und einen reformpolitischen Befreiungsschlag. „Die Politik darf diese Chance nicht leichtfertig verspielen“, so der Vorstand des Deutschen Industrie- und Handelskammertages (DIHK) bei seinem jüngsten Treffen in Trier. Schon angesichts der desaströsen Haushaltslage erwarte die Wirtschaft von der Politik keine leeren Versprechungen.

„Für eine nachhaltige wirtschaftliche Erholung benötigen wir dringend Berechenbarkeit der Politik. Nur daraus erwächst Vertrauen“, so der DIHK, der einen „Masterplan des Vertrauens“ vorschlägt, den wir im Folgenden dokumentieren. Er baut auf den „100 Vorschlägen für mehr Wachstum in Deutschland“ auf, die die IHK-Organisation vor einigen Monaten vorgestellt hatte. Die wichtigsten Zielgrößen dieses Masterplans sind: Mehr Beschäftigung, mehr Investitionen und mehr Innovationen am Standort Deutschland.

Modernisierung der Sozialversicherungen/Flexibilisierung des Arbeitsmarktes
? Neue Arbeitsplätze und der Abbau der Arbeitslosigkeit sind die Herausforderung Nummer eins.
   Jenseits der gesellschafts- und wirtschaftspolitischen Dimension lässt sich nur so eine
   Steuerentlastung finanzieren. Dazu müssen die Lohnzusatzkosten sinken und der Arbeitsmarkt
   flexibilisiert werden.
? Hauptansatzpunkt bei den Lohnzusatzkosten ist die Abkoppelung der Kranken- und
   Pflegeversicherung vom Arbeitseinkommen – das hilft gerade beschäftigungsintensiven kleinen
   und mittleren Unternehmen. Immerhin würde damit ein Kostenblock von bisher rund 16
   Beitragspunkten zur Sozialversicherung vom Arbeitsverhältnis gelöst.
? Angesichts der demografischen Entwicklung müssen wir darüber hinaus mit der Bildung von
   Altersrückstellungen insbesondere in der Pflegeversicherung so schnell wie möglich beginnen.
? In der Rentenversicherung muss zum Beispiel die stufenweise Einführung der Rente mit 67
   angegangen werden.
? Darüber hinaus brauchen wir längere und flexiblere Arbeitszeiten in Deutschland. Hier haben
   Unternehmensleitungen und Belegschaften gemeinsam bereits viel erreicht. Um dabei auch
   rechtlich auf sicherem Boden zu stehen, müssen betriebliche Bündnisse für Arbeit gesetzlich durch
   eine entsprechende Klarstellung des Günstigkeitsprinzips verankert werden.
? Als Sofortmaßnahmen sollte das Kündigungsschutzgesetz nur in Betrieben mit mehr als 20
   Beschäftigen und generell erst nach drei Jahren Betriebszugehörigkeit gelten.

Umfassende Reform der Steuergesetzgebung
? Eine große Steuerreform muss unmittelbar nach der Wahl auf den Gesetzgebungsweg gebracht
   werden. Eine einfache und niedrige Steuer mit einem einheitlichen Steuersatz für alle
   – die flat tax – muss das große Ziel der gemeinsamen Anstrengungen sein.
? Weitere wichtige Bestandteile sind eine möglichst einfache Bemessungsgrundlage, mehr
   Transparenz sowie die Abschaffung der Gewerbesteuer. Neben einer durchgreifenden
   Vereinfachung muss es auch zu Entlastungen kommen, damit Deutschland im internationalen
   Wettbewerb der Standorte mithalten kann. Die Entlastung kann jedoch mit Rücksicht auf die
   Haushaltslage in mehrjährigen Stufen erfolgen. Ohne das Vertrauen in einen spürbaren
   Selbstfinanzierungseffekt wird eine mutige Reform nicht gelingen.
? Die IHK-Organisation lehnt die Debatte über eine Erhöhung der Mehrwertsteuer ab: Die Diskussion
   der letzten Wochen zeigt, dass die Politik damit nur den Handlungsdruck für die notwendigen
   Strukturreformen mindern will.

Weniger Bürokratie
Mehr als 5 000 Gesetze und Verordnungen mit mehr als 85 000 Einzelvorschriften lähmen in Deutschland unternehmerische Kreativität und Gestaltungskraft. In der laufenden Legislaturperiode stehen einem abgeschafften Gesetz drei neue gegenüber. Der Umsetzung einer wirksamen Strategie zum Bürokratieabbau stehen immer wieder Ressort-Egoismen im Wege. Dem wird eine zukünftige Regierung nur entgegenwirken können, wenn sie diesem Thema Priorität einräumt und es schon im Koalitionsvertrag festzurrt. Wichtiger Bestandteil ist, dass z.B. das Kanzleramt das letzte Wort hat und damit das Ressortprinzip überwinden kann. Die Länder müssen in gleicher Weise handeln. Nur so erhält der Bürokratieabbau den notwendigen Stellenwert und die erforderliche Breitenwirkung.

Freiraum für Forschung und Bildung
? Ohne Innovation gibt es keine ausreichende Chance im internationalen Wettbewerb. Bildung und
   Forschung müssen Vorfahrt haben. Bund und Länder müssen zurückstecken, um den
   Hochschulen mehr Freiräume für Lehrpläne, Organisation, Personal und Finanzen zu eröffnen. Bei
   einer Modernisierung von Schule und Hochschule geht es nicht in erster Linie um Mehrausgaben,
   sondern um eine Neuausrichtung in den Köpfen und in den Strukturen. Jede einzelne Hochschule
   muss Studiengebühren festlegen können.
? Gemeinsam mit Bund, Ländern und Schulen muss es gelingen, die Ausbildungsreife der
   Schulabgänger zu verbessern. Die duale Ausbildung muss darüber hinaus schneller und
   kontinuierlich an die veränderte Wirtschaftswelt angepasst werden.
? Ergänzend dazu müssen alle politischen Vorhaben künftig auf ihre Innovationswirkungen hin überprüft
   werden. Der Staat muss konsequent seine konsumtiven Ausgaben zugunsten von
   Zukunftsinvestitionen reduzieren. Öffentliche Mittel – wie bei der EU-Forschungsförderung – sind
   verstärkt im Wettbewerb zwischen den Forschungseinrichtungen zu vergeben.

Föderalismusreform
Die Reformfähigkeit in Deutschland leidet unter langsamen und zu komplizierten politischen Entscheidungsprozessen. Deshalb brauchen wir schnell eine Föderalismusreform, die für mehr Klarheit in den Verantwortlichkeiten von Bund und Ländern sorgt. Das ist dann auch Voraussetzung dafür, dass Deutschland bei Bildung und Forschung endlich vorankommt.

Mehr Engagement der Wirtschaft
Die deutsche Wirtschaft versteht sich als konstruktiver Partner von Politik und Gesellschaft. Unternehmer sind auf vielfältige Weise regional und überregional auch über die Grenzen ihrer Firmen hinaus aktiv. Die IHK-Organisation bündelt solches ehrenamtliches Engagement.
? Ein besonderes Beispiel für dieses Engagement ist der Pakt für Ausbildung. Er hat nicht nur in der
   Sache Erfolg. Er ist Beispiel für besonderes Engagement der Wirtschaft. Er zeigt darüber hinaus,
   dass wir für Deutschland mit Kooperation mehr erreichen können als mit Konfrontation. Wir bieten
   daher an, den Pakt für Ausbildung mit der nächsten Bundesregierung fortzusetzen.
? Auch die Beschäftigung Älterer ist angesichts der demografischen Entwicklung sowie der ganz
   persönlichen Situation jedes Betroffenen eine wichtige Zukunftsaufgabe. Die IHK-Organisation bietet
   an, gemeinsam mit der Politik und den Unternehmen nach Wegen zu suchen, die eine stärkere
   Beteiligung Älterer am Erwerbsleben ermöglichen.
? Darüber hinaus ist eine bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf ein gesamtgesellschaftlich
   wichtiges Ziel. Damit die Erwerbsbeteiligung von Müttern und Vätern leichter wird und gleichzeitig
   die Zahl der Kinder in Deutschland wieder zunimmt, muss der Familienpolitik stärkeres Gewicht
   verliehen werden. Wir bieten an, gemeinsam mit der künftigen Bundesregierung die Initiativen zur
   Vereinbarkeit von Familienleben und Arbeitswelt fortzuführen und weiterzuentwickeln.
? Deutschland steht vor großen Herausforderungen und vor schweren Entscheidungen. Wir plädieren
   deshalb dafür, in den ersten Monaten nach der Bundestagswahl einen Masterplan des Vertrauens
   auf den Weg zu bringen. Denn nur so bleibt es nicht bei isolierten Maßnahmen, die lediglich als
   schmerzhafter Einschnitt wahrgenommen werden. Nur ein solcher Masterplan kann eine
   Perspektive aufzeigen und kann Mut machen, dass gemeinsame Anstrengungen auch neue
   Chancen eröffnen. Dann kann Reformpolitik gelingen. Denn die Bürger wissen inzwischen, dass tief
   greifende Veränderungen die notwendige Voraussetzung für die Weiterentwicklung der Gesellschaft
   und für den Wohlstand von morgen sind.
 

WiM – Wirtschaft in Mittelfranken, Ausgabe 08|2005, Seite 28

 
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