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Tarifverträge geben Freiraum

Flexible Arbeitszeiten sind in Großunternehmen längst gang und gäbe. Auch Klein- und Mittelbetriebe kümmern sich jetzt bei ihrer Personalarbeit um dieses Thema. „Es geht nicht um längere Arbeitszeiten an sich, sondern darum, sich für die Weltmärkte fit zu machen“, sagt Siemens-Chef Dr. Klaus Kleinfeld im „Spiegel“-Interview, und der Nürnberger IHK-Vizepräsident Günter Baumüller bezeichnet die flexible Arbeitszeit als „zentralen Erfolgsfaktor“.

Dies ist auch oft der Schlüssel zum Erfolg von profitablen Unternehmen, die in Deutschland produzieren. Nach Angaben von Eugen Spitznagel vom Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung können bereits 84 Prozent der deutschen Unternehmen die Arbeitszeiten den jeweiligen Anforderungen von Kunden und Markt anpassen, nach seiner Meinung haben die deutschen Betriebe in punkto Flexibilität innerhalb der EU „die Nase vorn“. Und nach aktuellen Angaben des Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts der gewerkschaftseigenen Hans-Böckler-Stiftung nutzen mehr als die Hälfte der tarifgebundenen Betriebe die Möglichkeit, vom Standard abzuweichen und variable Arbeitszeiten zu vereinbaren.

Deutsche nicht mehr „Freizeitweltmeister“
Mit der Tagung „Arbeitszeit flexibler gestalten“ startete die IHK Nürnberg für Mittelfranken jetzt mit rund 50 Teilnehmern aus mittelständischen Betrieben eine neue Initiative zur Flexibilisierung der Arbeitszeiten in Klein- und Mittelbetrieben. Zwar sind viele internationale Untersuchungen zum Thema Arbeitszeit nach Aussagen von Spitznagel nur schwer vergleichbar, aber alle OECD-Zahlen machen deutlich, dass Deutschland längst nicht mehr als Freizeitweltmeister bezeichnet werden kann. Mit durchschnittlich 29 Urlaubstagen pro Jahr nehmen die Arbeitnehmer aus deutschen Landen noch immer einen Spitzenplatz ein, aber bei der Jahresarbeitszeit sind sie längst im Mittelfeld platziert. Ohnehin sagt die Länge der Arbeitszeit laut Spitznagel wenig über den wirtschaftlichen Erfolg einer Region aus. „Wenn die Wochenarbeitszeit verantwortlich für Wachstum wäre, müssten wir in Ostdeutschland ganz andere Zahlen haben“, denn dort wird länger gearbeitet und weniger Urlaub gemacht.

Schon jetzt stehen den Personalverantwortlichen in den Betrieben zahlreiche Möglichkeiten zur Verfügung, um die Arbeitszeit den jeweiligen Anforderungen des Marktes anzupassen, ob durch Schichtarbeit, Gleitzeit, Arbeitszeitkonten oder einen wachsenden Anteil von Teilzeit-Beschäftigten, die bei Bedarf nur tage- oder stundenweise zum Einsatz gelangen. Nach Angaben Spitznagels gestatten auch viele Tarifverträge ein hohes Maß an Flexibilisierung, neue gesetzliche Regelungen auf EU-Ebene werden die bisher noch zu starren Arbeitszeitvorschriften weiter lockern.

Gerade Jahres- oder Lebensarbeitszeitkonten sind in Großbetrieben der Industrie, aber auch bei Banken und Versicherungen im Vormarsch. In größeren Unternehmen arbeiten, so Spitznagel, schon 40 Prozent der Arbeitnehmer mit Arbeitszeitkonten und können darauf geleistete Mehrarbeit je nach Bedarf anhäufen und wieder abbauen. Gerade kleinere Unternehmen jedoch stellt der hohe Aufwand bei der Arbeitszeit-Registrierung und -verwaltung vor große Probleme. In Kleinbetrieben wird bei der Arbeitszeitflexibilisierung deshalb oft noch die „informelle Form“ gewählt.

Dem Personalmanagement kommt auch im Mittelstand bei der Arbeitszeitflexibilisierung eine Schlüsselrolle zu. Dabei haben sich die technischen Möglichkeiten zum Arbeitszeitmanagement durch einfache Software-Pakete in den vergangenen Jahren stark verbessert, betont Hans Romeiser von der Erlanger Astrum GmbH, die für die Personaleinsatzplanung und Arbeitszeitflexibilisierung entsprechende Programme anbietet.

Flexible Arbeitszeiten, so die Erkenntnisse aus verschiedenen Untersuchungen, fördern nicht nur die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen und die Qualität der Produktion. Wenn die Mitarbeiter rechtzeitig in transparente Prozesse zur Entwicklung von Arbeitszeitmodellen eingebunden werden, gehen sie motivierter und engagierter zu Werke. Denn flexible Arbeitszeiten tragen zu einer familienbewussten Personalpolitik bei und können bei entsprechender Planungssicherheit auch im privaten Bereich eingesetzt werden.

hpw.
 

WiM – Wirtschaft in Mittelfranken, Ausgabe 08|2005, Seite 23

 
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