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Großer Wirbel um kleine Partikel

Handelsblatt, Redakteur Automobilindustrie

Dass die Deutschen träge seien, kann seit dem Frühjahr wirklich niemand mehr behaupten. Denn was sich zum Thema Feinstaub hierzulande abgespielt hat, zeugte von ungeheurer Dynamik. Das war ganz großes Kino. Dafür sorgte eine hochkarätige Besetzung aus Ministern, Lobbyisten und Konzernchefs, dazu ein emotionsgeladener Stoff und ein akutes Bedrohungsszenario. Ein Regisseur hätte das große Drama um die kleinen Rußpartikel nicht besser inszenieren können.

Unbestritten: Die Belastung der Atemluft mit gesundheitsgefährdenden Schadstoffen ist ein äußerst wichtiges Problem, sie zu vermindern eine lohnenswerte Aufgabe. Umso abenteuerlicher und verantwortungsloser mutet der Umgang mit dem Thema Feinstaub an. Kurze Rückblende: Die Brüsseler Bürokraten verabschieden 1998 eine Verordnung, die die Luft in der EU sauberer und die Menschen gesünder machen soll. Der Kampf gilt einer unsichtbaren Gefahr, nämlich kleinsten Partikel in der Atemluft. Ab dem 1. Januar 2005 soll es keine Gnade mehr geben. Details wie die nicht ganz unwichtigen Toleranzgrenzen für die zulässige Luftbelastung werden erst kurz vor diesem Datum festgelegt. Sie sind so niedrig, dass von vornherein klar ist: In fast jeder europäischen Großstadt werden die Grenzwerte der EU überschritten werden. Eine echte Chance, die Verordnung beispielsweise durch ein zeitlich abgestuftes System zu erfüllen – und damit ein Ansporn zum Handeln – besteht nicht.

Aktionismus pur
Im Frühjahr 2005 kommt es zum großen Knall. Eine Stadt nach der anderen meldet die Überschreitung der Toleranzgrenzen, Bürger drohen mit Klagen, Ökolobbyisten laufen Sturm. Urplötzlich, nur weil eine neue Verordnung Grenzwerte festschreibt, fühlen sich Tausende akut an Leib und Leben bedroht – seltsamerweise nur in Deutschland. In der ganzen Hysterie geht vollkommen unter, dass die Atemluft in deutschen Städten seit Jahrzehnten nicht mehr so sauber war wie heute. Wo Dramaturgie angesagt ist, ist für Fakten kein Platz.

Statt einer sachlichen Auseinandersetzung mit der Sinnhaftigkeit einer EU-Regelung, die niemand erfüllen kann, einer sachgerechten Ursachenforschung und einer unaufgeregten Lösungssuche, wird die Paniktrommel geschlagen. Angefeuert von Bundesumweltminister Jürgen Trittin ist der Schurke schnell ausgemacht. Schnell genug, bevor allzu deutlich wird, dass die Politik das Thema über Jahre verschlafen hat. Ursache allen Übels sind nach Trittins Meinung die deutschen Autohersteller. Schließlich weigerten sie sich im Gegensatz zur französischen Konkurrenz, die Abgase aus ihren Diesel-Motoren zu filtern. Dass Peugeot zumindest seit Jahresbeginn Rußfilter in seine Autos bauen muss, weil viele der Peugeot-Diesel im Gegensatz zu denen von VW und Co. anders die geltenden EU-Emissionsrichtlinie Euro IV nicht erfüllen würden, wen kümmert‘s? Dass moderne Diesel-Motoren auch ohne Filter im Vergleich zu älteren Generationen bereits rund 90 Prozent weniger Ruß in die Atemluft pusten, tut der Hysterie keinen Abbruch. Und vor allem: Dass der Straßenverkehr insgesamt nur etwa ein Fünftel zur Feinstaubbelastung beiträgt, Diesel-Pkw nur für einen Bruchteil verantwortlich sind – all das passt nicht in die Dramaturgie. Politiker und Ökolobby haben sich auf einen Schuldigen eingeschossen.

Filter statt Fahrverbote?
Verheerend wirkt sich dabei aus, dass die deutsche Autobranche auch noch Öl ins Feuer gießt. Statt die erzeugten Ängste ernst zu nehmen, wird erst einmal gemauert. Das macht verdächtig. Über den „großen Wirbel um diesen kleinen Filter“ wird gelästert, kleinkariert wird gestritten über Statistiken und technologische Spitzfindigkeiten. Das trägt dazu bei, dass der erste Teil des Dramas in einem lautstark über die Medien ausgetragenen Schlagabtausch endet.

Des Dramas zweiter Teil: Der Aktionismus der Politiker aus dem Frühjahr ist in Agonie umgeschlagen. Bis heute warten Automobilhersteller und Zulieferer auf verbindliche Beschlüsse, was ein Nachrüstfilter leisten muss, um die Käufer künftig vor Fahrverboten zu bewahren. Sicher scheint nur, dass es zu Fahrverboten kommen wird. Noch weiß auch niemand, ob und was steuerlich gefördert werden soll. Konsequenterweise warten selbst diejenigen Kunden ab, die eigentlich gerne einen Filter einbauen würden. Sie pusten unnötiger Weise weiter Ruß in die Umwelt.

Noch schlimmer ist allerdings die Erkenntnis, dass die bewusst irreführende Konzentration auf das Auto als größte Rußschleuder und die anschließend geschürte Hysterie eine vernünftige und auf alle Verursacher bezogene Lösung der Feinstaub-Problematik erst einmal verhindert hat. Wieder einmal lautet das Fazit: Viel Lärm, wenig Wirkung. Das ist das eigentliche Drama.
Autor/in: 
Josef Hofmann
 

WiM – Wirtschaft in Mittelfranken, Ausgabe 09|2005, Seite 16

 
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