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Unterschätzt, verkannt, falsch angesprochen

Der demografische Wandel wird die Märkte radikal verändern: Nicht die Jugend, sondern die Alten werden die wichtigsten Konsumenten sein.

Erst wenige Unternehmen, Produzenten, Dienstleister, Händler in den Fußgängerzonen und Einkaufszentren haben begriffen, dass sie heute und in Zukunft immer weniger Familien, immer weniger Kinder und Jugendliche in ihren Verkaufsräumen begrüßen werden. Schrumpfende Märkte, bedeuten schrumpfende Umsätze. In Deutschland ist der Umsatz mit traditionellem Spielzeug in den letzten zehn Jahren um 400 Mio. Euro auf 2,4 Mrd. Euro gesunken. Joop hat seine „Kids Kollektion“ bereits 2004 mangels Nachfrage eingestellt. Jedes Kind weniger in Deutschland bedeutet nach Aussagen des Bundesverbandes des Deutschen Textileinzelhandels 650 Euro weniger Umsatz. Dies ist schmerzlich, schmerzlicher ist aber die Folge. Denn derzeit wird mit der Erstausstattung weniger umgesetzt, in zehn Jahren fehlen die Umsätze bei Handy und Inline-Skates.

Die „graue Revolution“ verwandelt auch Marketing und Werbung. Die Generation „50plus“ verdrängt die bislang so umschwärmten 14- bis 49-Jährigen von ihrem Konsumententhron. Die Wertschöpfungs- und Wachstumsimpulse kommen in Zukunft immer mehr von den älteren Kunden. Bereits heute ist die Gruppe der über 45-jährigen Deutschen die stärkste Bevölkerungsgruppe in Nürnberg. Die 45- bis 60-Jährigen, die so genannten „Best Ager“, stellen davon heute 80 810 Menschen, die über 60-Jährigen 118 000 Personen.

Die gültige Regel der Werber: „Schön, jung und erfolgreich“ ist die alte Zauberformel der Werbung. Die neue lautet „Grau, rüstig und kaufkräftig“! Für Lever Fabergé, den Hersteller der Kosmetikserie Dove, ist es keine Frage des Alters. Mit ihrer „Initiativefuerwahreschoenheit.de“ wurde Dove zum Diskussionsthema. Dove engagierte für seine Werbekampagne ältere Models, u.a. die 96-jährige Engländerin Irene Sinclair. Und stellt in den Anzeigen und im Internet die Frage „Faltig oder Fabelhaft“.

Nach dem Jugendwahn der Megatrend Alter
Marketing-Verantwortliche sind gut beraten, sich mit den Wünschen und Bedürfnissen älterer Kunden zu beschäftigen. Bei den Unternehmen sind Strategien gefragt, die die älteren Kunden so begeistern, dass sie ihr Geld künftig in ihrem Laden, für ihr Produkt oder ihre Dienstleistung ausgeben: Egal ob Mode, Kosmetik, Gesundheit, Fitness, Reisen, Kino, Finanzdienstleistungen, Lebensmittel, Sportgeräte, Gartenzubehör, Getränke, Einrichtung, Immobilien, Tiernahrung, Blumen, Bücher, Wellness, Uhren und Schmuck oder Friseur-Dienstleistungen. Die nötige Kaufkraft haben sie, sogar mehr als die Jungen.

Bereits im März diesen Jahres veröffentlichte die GfK die Kaufkraftkarte „50plus“. Die drei wichtigsten Ergebnisse:
  • Die Pro-Kopf-Kaufkraft dieser Generation ist mit über 21 000 Euro um mehr als 2 000 Euro pro Jahr höher ist als die der gern umworbenen Gruppe der unter 50-Jährigen mit rund 19 000 Euro.
  • Betrachtet man die Gesamtvolumina, so haben die 40- bis 49-Jährigen mit 323 Mrd. Euro die Nase vorn, jedoch dicht gefolgt von den Senioren über 65 mit 293 Mrd. Euro.
  • Die Kaufkraft in Nürnberg beträgt je Person im Durchschnitt fast 18 500 Euro. Die Kaufkraft der 61 000 Nürnberger zwischen 50 und 60 ist mit ca. 25 500 Euro weit überdurchschnittlich. Die der 33 600 Nürnberger zwischen 60 und 65 liegt bei rund 20 500 Euro und die der 95 000 Personen über 65 bei über 18 000 Euro. Rund 62 000 Nürnberger sind zwischen 20 und 30 Jahre alt, sie haben nur eine Kaufkraft von 16 000 Euro.

    Die Lebenszeit wird länger, als man es sich je vorstellen konnte. Viele werden jahrzehntelang alt sein, manchmal sogar länger, als sie jung waren. Die Konsumwelt wird für robuste 56-Jährige genauso wie für wacklige 85-Jährige zugänglich sein müssen. Viele Angebote stigmatisieren das Alter und lassen die Konsumenten alt aussehen. Die neue Generation der Älteren geht heute andere Wege als die Alten vor 20 Jahren. Aber nicht in einer künstlich geschaffenen Gruppe „50plus“ oder „Senioren“. Also Achtung! Diese Generation ist hochgradig sensibel, wenn es darum geht, richtig angesprochen zu werden. Immerhin ist diese Konsumentengruppe geprägt durch jahrzehntelange Konsumerfahrung.

    Ältere Konsumenten wollen authentische Gesichter, wollen Menschen, zu denen sie einen Bezug haben und die sie begehren können. So wie im Jugendmarketing der Code des richtigen Turnschuhs gilt, so gilt im 50plus-Marketing der Code des authentischen Gesichts und der echten Falten. Weder die energiegeladenen surfenden oder Fallschirm springenden 80-Jährigen noch die ewig braun gebrannten mit strahlend weißen dritten Zähnen lächelnden Mallorca-Rentner kommen wirklich gut an.

    Die Schriftgröße von Informationen auf den Verpackungen bekannter Haarfärbemittel, Hautcremes, Aknemittel und Zahnpasta beträgt zehn Punkt oder mehr. Aber für Aspirin und viele Schmerzmittel liegt sie zwischen sechs und neun Punkt. Die Designer machen es also für Teenager leichter, Aufschriften auf Pickelsalben zu erkennen, als für Ältere, die Informationen auf Kopfschmerztabletten oder Augenfaltencremes. Nutzerfreundlichkeit und Design werden zum entscheidenden Wettbewerbsfaktor.

    Die Anpassung der sichtbaren Welt an alternde Augen wird einfach sein, verglichen mit den erforderlichen strukturellen Änderungen. Es gilt zu bedenken, dass überall ältere Käufer sein werden, nicht nur in der Apotheke, sondern auch bei Kaufhof, Karstadt, Aldi, C&A, Toys‘R‘Us, Starbucks und der Sparkasse.

    Vier Ansätze für Marketing und Werbung
    In den letzten zehn Jahren haben sich vier Ansätze für erfolgreiches Marketing und für eine gute Zielgruppenansprache durchgesetzt.

    Altersansatz: Die Allianz nutzt diesen Ansatz mit der neuen Unfallversicherung 60plus, Neckermann nutzt ihn mit Reisenangeboten, die Rentnern fünf Prozent Rabatt bescheren. Die Bahn nutzt ihn mit der Bahncard für Senioren. Der Altersansatz stellt ein gewisses Lebensalter oder die Lebenssituation Rente in den Vordergrund. Meist ist er verbunden mit Vergünstigungen, sei es finanzieller Art oder durch Zugabe von Dienstleistungen und Services.

    Kompetenzansatz: Eschenbach Optik nutzt den Kompetenzansatz um zu zeigen, dass auch schlecht sehende Menschen kompetent ihren Alttag meistern können. Vodafone zeigt, dass auch Bewohner von Seniorenresidenzen mit einem Handy umgehen können. In den Vordergrund gestellt wird die Kompetenz des Produktes, des Unternehmens oder der Protagonisten und lässt Ältere nicht alt, sondern kompetent aussehen.

    Lifestyle-Ansatz: TUI begeistert mit dem „Club Elan“ die Generation „60plus“ für ihre Angebote. Dieser Ansatz orientiert sich an den Lifestyle-Prägungen der älteren Kunden. Das Ernest Dichter Institut unterscheidet vier Typen bei den 50- bis 80-Jährigen: Trend Setter, Trend Jumper, Trend Accepter und Trend Blocker.

    Generationenansatz: Generationenübergreifende Ansätze nutzt Volkswagen bei der Vermarktung des Polo oder Bahlsen bei der Anpreisung von „Ohne Gleichen“. Auch McDonalds hatte vor Jahren bereits einen Generationenspot im TV: Zwei ältere Damen lernen von einem Jungen, wie man einen Big Mac richtig isst.

    Nicht die Jugend wird morgen das Kapital sein, sondern es sind die Alten, die mit ihrem Konsum die Produktion ankurbeln und deren Nachfrage für neue Industrien, Dienstleistungen und Arbeitsplätze sorgen wird.

    Andreas Reidl, a.reidl@generationen-marketing.de
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    WiM – Wirtschaft in Mittelfranken, Ausgabe 09|2005, Seite 28

     
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