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Neues Instrument der Stadtentwicklung?

In Deutschland erproben schon einige Bundesländer und Städte dieses Modell, bei dem sich Gewerbe und Kommunen gemeinsam für ein positives Umfeld engagieren.

Was in englischer Sprache neu und provokant klingt, büßt als deutscher Fachbegriff an Schlagkraft ein. Aber die so genannten „Bündnisse für Investitionen und Dienstleistungen“ sind für die Kommunalpolitik kein völlig neues Instrument. Sie sind eine Form der Public-Private-Partnerships (gemeinsame Projekte von öffentlicher Hand und Unternehmen), die seit längerem auch für die Stadtentwicklung proklamiert werden. Nur die Herangehensweise und die Umsetzung des Konzeptes in einem Quartier setzen neue Maßstäbe. Gestützt auf eigens erlassene Gesetze sind Unternehmer, Eigentümer und Kommune nach einem entsprechendem Referendum an die Umsetzung der „Bündnisse“ gebunden.

Die wichtigsten Ziele der Business Improvement Districts (BID): Die Umwelt wirkungsvoll verbessern und die Attraktivität steigern. Die Aktivitäten im Rahmen der BIDs ähneln denen des City- und Stadtmarketings in Deutschland. Die räumlichen Grenzen sind allerdings enger gesteckt (Straße, Block, Quartier), wodurch die Maßnahmen konkreter und näher an den Ausgangsproblemen sind. Mit den BIDs kann den Engagierten ein Instrument an die Hand gegeben werden, das ergänzend zu den bestehenden, erfolgreichen Instrumentarien (Städtebauförderung, Soziale Stadt, Stadtumbau West/Ost, Stadtmarketing, Werbegemeinschaften etc.) einen weiteren Mosaikstein für erfolgreiche Innenstadt- und Quartiersentwicklung bildet.

Die Entstehung von BID geht zurück auf eine Initiative von Gewerbetreibenden in der kanadischen Stadt Toronto im Jahre 1970, bei der sich eine Gruppe von Laden- und Grundbesitzern im Stadtteil „Bloor West Village“ zusammenschloss, um in einer gemeinsamen Anstrengung ihren Einzelhandelsstandort aufzuwerten und damit die Ansiedlung eines Einkaufszentrums in nächster Umgebung zu verhindern. Das hierbei entwickelte und seitdem erfolgreich angewandte Modell, das sich aus den Elementen Eigeninitiative, Selbstverpflichtung und Public-Private-Partnership zusammensetzt, wurde in den USA in den 80er Jahren weiterentwickelt und durch Landes- und Gemeindegesetze rechtlich verankert.

Die Idee der BIDs hat weltweit Resonanz gefunden und sich bereits in Neuseeland, Australien, Südafrika (allein 18 BIDs in Kapstadt), Brasilien (auch die „Copacabana“ ist ein BID) und Jamaica etabliert. In Großbritannien wurden im Jahr 2003 nach nur zwei Jahren Vorlaufzeit 23 BID-Modellprojekte gestartet.

Projekte in Deutschland
Auch in Deutschland hat inzwischen eine lebhafte Diskussion über den Einsatz von BIDs begonnen. Als erstes deutsches Bundesland hat Hamburg am 1. Januar 2005 ein Gesetz für die Etablierung von BIDs verabschiedet. Aktuell wird in weiteren Bundesländern an der Umsetzung von BID-ähnlichen Projekten gearbeitet, wobei sich die Verantwortlichen für unterschiedliche Bezeichnungen entschieden haben. Außer Hamburg haben Schleswig-Holstein sowie die Städte Marburg, Gießen und Berlin BID-Projekte auf den Weg gebracht. In Aachen, Bocholt, Bochum, Dortmund, Düsseldorf, Duisburg, Hamm, Herford, Oberhausen, Krefeld, Minden, Münster, Rheine, Siegen, Unna, Velbert, Wesel und Castrop-Rauxel spricht man von ISGs (Immobilien- und Standortgemeinschaften). In Bayern startet derzeit das Modellprojekt „Leben findet Innenstadt“, an dessen Umsetzung vor allem die Haus- und Grundbesitzer der entsprechenden Quartiere beteiligt werden sollen. In Ostdeutschland ist die Lage ebenfalls differenziert zu betrachten: Zum einen gibt es die ISG-Modellprojekte Chemnitz, Halle a.d.S., Schwerin und Weimar. Andererseits läuft im Freistaat Sachsen derzeit eine eigene Auslobung von BID-Pilotprojekten. Ähnliche Überlegungen werden in Rheinland-Pfalz und dem Saarland angestellt.

Funktionsweise
Die Einrichtung eines BID erfolgt auf private Initiative der Grundeigentümer und der ansässigen Betriebe und zwar nur dann, wenn es von diesen mehrheitlich gewünscht wird. Ein Komitee für die Gründungsvorbereitung steckt zunächst die räumlichen Grenzen des BID ab und formuliert die Ziele, dann wird in einer öffentlichen Auftaktveranstaltung geklärt, ob ein ausreichendes Interesse der Anlieger an der BID-Gründung besteht. Ist dies der Fall, wird bei der Stadt ein formeller Antrag gestellt. Diese ruft dann die Grundeigentümer zur Abstimmung auf, wobei deren Stimmen nach den Einheitswerten gewichtet werden.

Über die Frage, ob es ein BID geben soll, wird auf der Grundlage eines fünfjährigen Businessplans abgestimmt. Dieser Projekt- und Finanzplan nennt für alle beabsichtigten Maßnahmen die veranschlagten Kosten, die gemäß einem am Einheitswert ausgerichteten Schlüssel auf die beteiligten Grundeigentümer und die Unternehmen verteilt werden. So steht für jeden Grundeigentümer im Voraus und verbindlich der finanzielle Aufwand für das BID fest.

Das BID gilt als beschlossen, wenn die Mehrheit der Beteiligten die Gründung ausdrücklich befürwortet (positives Quorum). Es gibt allerdings auch das negative Quorum, das heißt, ein BID gilt als beschlossen, wenn sich nicht in einer bestimmten Frist mindestens 50 Prozent der Grundeigentümer dagegen ausgesprochen haben. Wurde das BID beschlossen, tritt die Zahlungspflicht in Kraft. Die Belastung des einzelnen Eigentümers durch die BID-Abgabe ist oftmals gering, häufig nicht mehr als wenige hundert Euro im Jahr. Um einen Rückzug der Stadtverwaltung aus öffentlichen Aufgaben zu Lasten der BID zu vermeiden, werden übrigens die von der Kommune zu erbringenden Leistungen von vornherein vertraglich festgelegt. Häufig werden die Mittel dem BID zur Verfügung gestellt, wenn dieses sich im Gegenzug verpflichtet, bestimmte kommunale Standards zu beachten. Am Ende der Laufzeit löst sich das Business Improvement District automatisch auf („Sunset clause“), wenn es nicht von den Grundeigentümern in einer neuen Abstimmung verlängert wird.

Rechtliche Fragen
In Deutschland werden im Wesentlichen zwei Modelle unterschieden: Die landes- und kommunalgesetzlichen Modelle auf der einen Seite und die auf dem Prinzip der Freiwilligkeit beruhenden Modelle andererseits. Das Hamburger Modell auf der Basis von Art. 74 Abs. 11 Grundgesetz zählt zu den landesgesetzlichen Modellen. Der kommunalgesetzliche Ansatz befindet sich hingegen noch in der Diskussion. Er ermöglicht auf der Grundlage von Art. 28 Abs. 2 Grundgesetz den Erlass von BID-Satzungen, die jedoch, sobald sie die Grundrechte der Bürger tangieren, ebenfalls einer landesrechtlichen Ermächtigung bedürfen. Die Fördermodelle in Nordrhein-Westfalen (ISG) und private Trägerorganisationen (z.B. Grundstückseigentümer-Initiativen) liefern Beispiele für Modelle auf freiwilliger Basis.

Die Vorteile des BID-Konzeptes liegen klar auf der Hand und können an einigen Beispielen aus der Praxis veranschaulicht werden. Die Mitwirkung Privater an der Stadtentwicklung war bislang nur auf freiwilliger Basis möglich. Das begünstigt Gruppen, die sich nicht engagieren. Sie nehmen als Trittbrettfahrer an den Erfolgen des Stadtmarketings teil, ohne sich ideell oder finanziell an den Aktivitäten zu beteiligen. Mit der Etablierung eines BID hingegen kann sich kein Eigentümer wirtschaftlich genutzter Immobilien im Bereich des jeweiligen BID vor der Abgabe drücken – es besteht eine gesetzliche Zahlungsverpflichtung, die z.B. in den USA und Kanada in Landesgesetzen verankert ist. Der jeweilige Betrag wird von den örtlich zuständigen Behörden als Aufschlag auf die Grundsteuer erhoben. Wohnimmobilien, soziale Einrichtungen und zumeist auch die Gemeinde als Grundeigentümer (Verwaltungsgebäude, Bibliotheken, kommunale Versorgungseinrichtungen) werden von der Abgabe befreit. Oft zahlt der Staat jedoch die Abgabe freiwillig, um einerseits seitens der öffentlichen Hand das BID zu unterstützen und andererseits um die Leistungen des BID in Anspruch nehmen zu können und ein Mitspracherecht zu haben.

Der Erfolg von BIDs und BID-ähnlichen Modellen steht und fällt mit der Definition der Zielsetzung, der Zuständigkeiten und Aufgabenzuweisungen, vor allem aber mit der Festlegung der inhaltlichen, zeitlichen, rechtlichen und steuerlichen Rahmenbedingungen. Diese Regelungen, die alle im Vorfeld der Einrichtung des BID zu beschließen sind, stellen die eigentliche Herausforderung dar. Insoweit steht nach wie vor das Engagement des Einzelnen und der Kommune im Vordergrund. Ein BID-Projekt kann nur erfolgreich funktionieren, wenn die Betroffenen in einem Quartier den Entschluss zum Handeln bereits gefasst haben.

Roland Wölfel, woelfel@cima.de
 

WiM – Wirtschaft in Mittelfranken, Ausgabe 10|2005, Seite 28

 
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