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Die Traditionsmarke lebt

Fünf neue Firmen sind aus der Insolvenz hervorgegangen, vier von ihnen führen den Namen Grundig weiter.

In den besten Zeiten produzierten bei Grundig bis zu 40 000 Mitarbeiter Fernseher, Videorekorder und Radios. Im Juli 2003 wurde dann das Insolvenzverfahren über das einstige deutsche Vorzeige-Unternehmen eröffnet. Damals arbeiteten gerade noch 2 700 Menschen in den riesigen Hallen in Nürnberg-Langwasser. Inzwischen ist es auf dem Werksareal still geworden. Teile des Firmengeländes wurden verkauft, andere liegen brach und warten auf Interessenten. Aber noch immer ist Grundig eine der bekanntesten Marken Europas.

Einer Studie zufolge kennen 98 Prozent der Deutschen den Namen Grundig. Davon profitieren vor allem jene vier Firmen, die die Insolvenz und Zerschlagung des ehemaligen Weltkonzerns überlebten und die Marke weiterhin im Namen führen. Zudem ist auch die frühere Grundig Hotelkommunikations-Sparte unter dem Namen Roombase gut im Geschäft.

Grundig Intermedia
Das Grundig-Kerngeschäft Fernseher, Video und Radio ging für 80 Mio. Euro an die britische Vertriebsgesellschaft Alba und den türkischen Elektronikhersteller Beko über und firmiert seitdem unter dem Namen Grundig Intermedia. „Das Geschäft läuft sehr ordentlich, die Besitzer sind zufrieden“, sagte Intermedia-Chef Hubert Roth, der vor rund 28 Jahren - „noch unter Max Grundig“ - bei dem Unterhaltungselektronikhersteller angefangen und zuletzt als Vertriebs- und Marketingvorstand tätig war.
„Wir schreiben schwarze Zahlen“, sagte Roth auf Anfrage der „WiM“. Mit rund einer Mio. verkaufter Geräte verbuchte das Unternehmen im abgelaufenen Geschäftsjahr (Stichtag 31. März) einen Umsatz von 322 Mio. Euro und damit ein Plus von 75 Prozent gegenüber dem Insolvenzjahr 2003. Im laufenden Jahr will Intermedia um mindestens 30 Prozent wachsen. Der Optimismus stützt sich auf Untersuchungen der GfK, wonach Grundig seinen Marktanteil im deutschen Fernsehgeschäft bei den Röhrengeräten im Mai binnen Jahresfrist mengenmäßig auf rund zehn Prozent verdoppelt hat. „Wir liegen bundesweit auf Platz zwei“, unterstrich Roth. In der Relation noch besser lief das Geschäft mit modernen Flachbildschirmen: Hier verfünffachte sich der Marktanteil auf 5,5 Prozent.

Derzeit hat Grundig rund 100 verschiedene Geräte im Angebot, die in Deutschland entworfen wurden, aber in der Türkei vom Band laufen. Ein offenbar unumkehrbarer Trend: „Zwei Drittel aller in Westeuropa verkauften Fernseher stammen aus der Türkei“, erläuterte Roth. Lediglich Entwicklung, Marketing, Vertrieb und Service sind nach wie vor in Nürnberg zu Hause. 250 von europaweit 450 Mitarbeitern arbeiten in Langwasser, darunter 22 in der kleinen Entwicklungsabteilung. Aktuell läuft der Umzug in ein neues Logistik-Zentrum, das künftig als „Drehscheibe“ für die Belieferung der Märkte in Deutschland und den Benelux-Staaten fungieren wird. Daneben ist die Firma auch in Spanien aktiv: Bei Vitelcom laufen unter dem Label „Grundig“ Handys vom Band.

Inzwischen sei Grundig auch wieder im Premium-Segment zu Hause und gerade dabei, neue Märkte zu erschließen. Der Fokus liege auf dem Ausland. Aktuell wurde die Marke in der Türkei und in England eingeführt. Anfang September stellte Grundig Intermedia auf der Internationalen Funkausstellung (IFA) in Berlin auch zahlreiche Neuigkeiten vor, darunter als Weltneuheit 3D-Fernsehen.

Delphi Grundig
Der zweite Grundig-Überlebende ist Delphi Grundig. Das Unternehmen zog es nicht auf die IFA in Berlin, sondern Mitte September auf die Internationale Automobilausstellung (IAA) in Frankfurt am Main. Dort wurden u.a. Autoradios mit CD- und MP3-Player oder kabellose Freisprecheinrichtungen vorgestellt, die im portugiesischen Braga hergestellt werden.

Der global agierende, inzwischen selbst angeschlagene, amerikanische Automobilzulieferer Delphi hatte die Grundig-Sparte Autoradios und Navigationssysteme im November 2003 für rund 58 Mio. Euro gekauft und sich damit ein weiteres Wachstumssegment gesichert. Medienangaben zufolge machte Delphi Grundig im Geschäftsjahr 2004 rund 300 Mio. Euro Umsatz, was ein Unternehmenssprecher „weder bestätigen noch dementieren“ wollte. „Unser Ergebnis ist sehr positiv, wir arbeiten äußerst profitabel“, sagte er lediglich. Wie wichtig der Name Grundig für Delphi in Europa sei, werde durch Untersuchungen belegt, wonach „die Marke durch die Insolvenz nicht an Wert verloren hat“. Delphi, bislang vor allem auf dem Feld der automobilen Erstausstattungen erfolgreich, mischt seit der Übernahme auch im europäischen Fachhandel mit. Grundig spiele dabei „als die Infotainment-Marke im Konzern“ eine bedeutende Rolle als Türöffner, andererseits profitiere die deutsche Tochter vom weltweiten Delphi-Firmennetzwerk mit 190 000 Mitarbeitern.

Seit der Übernahme stockte Delphi die Mannschaft in Nürnberg von 209 auf 250 auf, obwohl es durch die Zusammenarbeit mit dem Delphi-Antennen-Technologiezentrum im nordrhein-westfälischen Salzdetfurth bei Hannover mit 225 Beschäftigten „große Synergien“ gebe. In Braga arbeiteten nach wie vor rund 620 Mitarbeiter.

Grundig SAT Systems
Die Ausgründung Grundig SAT Systems GmbH (GSS) produziert als einzige noch auf dem ehemaligen Werksgelände. Knapp die Hälfte der 80 Mitarbeiter sind dort mit der Herstellung von Satelliten-Empfangsanlagen beschäftigt, wie der Sprecher der GSS-Geschäftsführung Fred Hübner sagte. Die Firma habe nach der Trennung von der insolventen Konzernmutter Grundig AG ein „profitables Wachstum“ erreicht und blicke auf ein erfolgreiches erstes Jahr zurück. Im Mai 2004 als Management Buy Out gestartet, peilt die Firma inzwischen ein Umsatzplus um 30 Prozent auf rund 15,5 Mio. Euro an. Bis 2010 werden 20 Mio. Euro sowie die Marktführerschaft bei Satellitenanlagen in Deutschland angepeilt. „Die Insolvenz von Grundig hat uns Marktanteile gekostet“, räumte Hübner ein, doch das SAT-Geschäft laufe gut. Das auf die Entwicklung und Produktion von Kopfstationen und Satellitensystemen spezialisierte Unternehmen setzt künftig auf die Ablösung der analogen durch digitale TV-Technik (siehe WIM 7/2005, Seite 60).

Roombase Networks
Ganz ohne den glanzvollen Namen ist die Fürther Rombase Networks erfolgreich. Die ehemalige Grundig-Sparte Hotelkommunikation und TV-Systeme wurde bereits 2002 aus dem Grundig-Konzern ausgegliedert und durfte den Namen übergangsweise weiter nutzen, wie Roombase-Geschäftsführer Dietmar Eberl erläuterte. 2004 setzte Roombase mit 40 Mitarbeitern über 13 Mio. Euro um und erzielte einen Gewinn von 900 000 Euro. Für das laufende Geschäftsjahr strebt Eberl rund 17 Mio. Euro Umsatz an. Bis zum Jahresende sollen Roombase-Fernseher in rund 107 000 Hotelzimmern in ganz Europa laufen. „Wir liegen voll im Plan“, betonte der Geschäftsführer.

Durch die Kooperation mit dem Bezahlsender Premiere, der ein Viertel der Roombase-Anteile hält, will man in den nächsten zwei Jahren allein im deutschsprachigen Raum 100 000 Hotelzimmer zusätzlich ausstatten. Um das Ziel zu erreichen, werde eine spezielle WM-Offerte mit Premiere und modernen LCD-Fernsehern konzipiert. Derzeit gebe es mit der Grundig Intermedia Gespräche über die Lieferung von TV-Geräten für den Hotelbereich. Bislang seien vorrangig Geräte von Philips, Samsung, LG, Loewe oder der Eigenmarke Roombase zum Einsatz gekommen, die über die notwendige Ausstattung für die zentralen Hoteldienste verfügten.

Mit der Insolvenz der Firmenmutter verzichtete Eberl freiwillig auf den Namen. Inzwischen sei Roombase selbst zur bekannten Marke geworden und zur „Nummer zwei im deutschen Markt“ aufgestiegen. International müsse die Marke aber noch bekannter werden.

Grundig Business Systems
Im oberfränkischen Bayreuth produziert die „Grundig Business Systems“. Die Ex-Grundig-Sparte Bürosysteme war im Dezember 2003 von der Beteiligungsgesellschaft Induc übernommen worden. Mit 135 Mitarbeitern erzielte GBS zuletzt 20 Mio. Euro Umsatz und arbeitet profitabel. Um das Unternehmen wettbewerbsfähig zu machen, wurden von den ehemals 175 Arbeitsplätzen 40 gestrichen; der Rest der Belegschaft stimmte einer Erhöhung der Arbeitszeit auf 40 Stunden ohne Lohnausgleich zu, so Geschäftsführer Jürgen Rilling.

2004 und 2005 wurden 15 Prozent des Umsatzes in neue Produkte und Forschung investiert, etwa in die Entwicklung digitaler Spracherkennungs- und Verarbeitungssysteme oder computergestützter Diktiersysteme, die Kliniken oder Behörden ein sicheres Datenmanagement ermöglichen sollen. Das weitere Wachstum soll demzufolge auf dem Markt der digitalen Diktiergeräte erreicht werden. GBS sei nach wie vor auf Deutschland konzentriert, „wo wir absolut Marktführer sind“. Allerdings werde suksessive das Auslandsgeschäft ausgebaut.

Thomas Meiler
 

WiM – Wirtschaft in Mittelfranken, Ausgabe 10|2005, Seite 72

 
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