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Wirtschaftsbetrieb und Lebensmittelpunkt

In Deutschland sind 250 000 Mitarbeiter in Behindertenwerkstätten tätig. Die 2006 erstmals in Nürnberg stattfindende „Werkstätten:Messe“ bietet ein Forum für ihre Leistungen.

In Deutschland sind 250 000 Mitarbeiter in Behindertenwerkstätten tätig. Die 2006 erstmals in Nürnberg stattfindende „Werkstätten:Messe“ bietet ein Forum für ihre Leistungen.

Das geltende Recht stellt klar: Die Werkstätten sind keine Erwerbsbetriebe, sondern Einrichtungen zur Eingliederung behinderter Menschen. Damit sind sie Teil des umfassenden Systems der beruflichen Rehabilitationseinrichtungen in der Bundesrepublik. Die Werkstätten für behinderte Menschen sind auch nicht dem allgemeinen Arbeitsmarkt zuzurechnen, die Beschäftigten sind keine Arbeitnehmer im Wartestand. Vielmehr gelten die Betriebe als Arbeitsstätten besonderer Art: Nicht das wirtschaftliche Ergebnis steht im Vordergrund, sondern die Förderung der Menschen durch individuell angepasste Arbeit und Beschäftigung. Dazu gehören auch arbeitsbegleitende Bildungs- und Therapiemaßnahmen. Die Werkstätten haben nicht die Aufgabe, die Erwerbsfähigkeit durch geeignete Rehabilitationsmaßnahmen wieder herzustellen; denn in aller Regel bedürfen die Menschen während ihres gesamten Arbeitslebens der Betreuung und Förderung. Dies hebt die Bundesarbeitsgemeinschaft Werkstätten für behinderte Menschen e.V. (BAG:WfbM) in Frankfurt hervor.

Weil die produktive Leistung der Werkstattbeschäftigten den Anforderungen der Erwerbswirtschaft nicht entspricht, hat sie der Gesetzgeber unter besonderen Schutz gestellt: Sie genießen vollkommenen Kündigungsschutz. Ihre Beschäftigung hängt nicht von ihrer Leistungsfähigkeit ab, sofern ein Mindestmaß wirtschaftlich verwertbarer Arbeitsleistung erbracht werden kann. Die behinderten Menschen haben Anspruch auf umfangreiche Betreuungs-, Bildungs- und Therapieleistungen. Um ihnen zusätzlich noch einen Anspruch auf alle Arbeitsschutzrechte einzuräumen, hat der Gesetzgeber für sie einen speziellen „arbeitnehmerähnlichen“ Rechtsstatus geschaffen.

Das gesamte erwirtschaftete Ergebnis muss vorrangig den Mitarbeitern der Werkstätten zugute kommen. Mindestens 70 Prozent davon müssen unmittelbar als Arbeitsentgelt ausbezahlt werden, der Rest dient unter anderem als Puffer, um bei Auftragsschwankungen die Entgeltzahlungen zu verstetigen.

Um den Werkstätten im „Wettbewerb“ mit der freien Wirtschaft Chancen einzuräumen und ihnen Aufträge, Umsätze und Erträge zu ermöglichen, hat der Gesetzgeber einige Marktbedingungen zu entschärfen versucht. Die Vorteile der Werkstätten kommen dabei den Auftraggebern und Endverbrauchern direkt zugute:

  • Arbeitgeber, die durch die Vergabe von Aufträgen zur Beschäftigung in den Werkstätten beitragen, können 50 Prozent des Rechnungsbetrages auf die Ausgleichsabgabe anrechnen.
  • Die als gemeinnützig anerkannten und einem Wohlfahrtsverband angehörenden Werkstätten für behinderte Menschen berechnen den ermäßigten Umsatzsteuersatz von derzeit sieben Prozent.

    Knapp 85 Prozent des Umsatzes erwirtschaften die Werkstätten mit Lohn- und Auftragsfertigung sowie mit Dienstleistungen für industrielle oder öffentliche Auftraggeber. Die Bandbreite umfasst Metallbearbeitung mit CNC-Technik, umweltgerechtes Recycling von Elektronikschrott, Aktenvernichtung, Montage- und Verpackungsarbeiten sowie industrielle Fertigungsaufträge. Die restlichen 15 Prozent des Umsatzes erzielen die Werkstätten, von denen viele mit einem Qualitätsmanagementsystem nach DIN EN ISO 9001: 2000 zertifiziert sind, mit einer Vielzahl von Eigenprodukten, z.B. Arbeitsmöbel, Geschenkartikel, Garten- und Freizeitartikel, hochwertiges Holzspielzeug.
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    WiM – Wirtschaft in Mittelfranken, Ausgabe 11|2005, Seite 12

     
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