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Eine Vielzahl von Alternativen in Europa

Zunehmend wählen deutsche Unternehmen ausländische Gesellschaftsformen. Doch auch das deutsche Gesellschaftsrecht bietet eine Reihe von häufig übersehenen Vorzügen.

Zunehmend wählen deutsche Unternehmen ausländische Gesellschaftsformen. Doch auch das deutsche Gesellschaftsrecht bietet eine Reihe von häufig übersehenen Vorzügen.

In Deutschland tätige Unternehmen können grundsätzlich auch eine Gesellschaftsform eines anderen EU-Staates, wie z.B. die englische Limited („Ltd.“), wählen. Die in letzter Zeit zu beobachtende Flucht in die Ltd. hat viele Gründe. Doch ein laxes ausländisches Gesellschaftsrecht kann für Unternehmer auch erhebliche Rechtsunsicherheit bedeuten. Deshalb stellt die im deutschen Gesellschaftsrecht bestehende Rechtssicherheit einen nicht zu unterschätzenden Standortvorteil dar.

In Deutschland tätige Unternehmen haben nach zwei grundlegenden Urteilen des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) nicht mehr nur die Wahl zwischen den deutschen Gesellschaftsformen. Für die unternehmerische Tätigkeit kann grundsätzlich auch eine Gesellschaftsform eines anderen EU-Staates gewählt werden, selbst wenn die Gesellschaft ihre Tätigkeit hauptsächlich oder ausschließlich in Deutschland ausübt. Dies hat in letzter Zeit teilweise zu einer Flucht in die englische Limited („Ltd.“) geführt.

Für mittelständische Unternehmen sind in Deutschland insbesondere die GmbH und die GmbH & Co. KG geeignet. Steuerliche Zielsetzungen entscheiden häufig, welche dieser Rechtsformen gewählt wird. Das Stammkapital einer GmbH beträgt mindestens 25 000 Euro und die Haftung ist auf das Gesellschaftsvermögen beschränkt. Das Kapital kann jedoch auch durch die Einbringung von Sachmitteln erbracht werden, was vielfach unbekannt ist. Ein Regierungsentwurf, in dem vorgesehen war, ab dem 1. Januar 2006 das Mindeststammkapital der GmbH auf 10 000 Euro zu senken, wird derzeit (noch) nicht weiterverfolgt.

Die in letzter Zeit zu beobachtende Flucht in die Ltd. hat mehrere Gründe: Die Ltd. kann vermeintlich schnell und einfach ohne Notar gegründet werden. Die Kosten der Registrierung beim Companies House in Cardiff betragen zwischen 20 und 80 Pfund. Ein Mindestkapital ist, anders als bei der deutschen GmbH, nicht vorgeschrieben. Die Haftung ist auf das Gesellschaftsvermögen beschränkt. Auch wenn die Ltd. nur in Deutschland tätig ist, benötigt die Ltd. in England ein Registered Office (eine zustellungsfähige Adresse) und einen Company Secretary (führt formelle Aufgaben aus). Die laufende Buchführung und die Erstellung des Jahresabschlusses (Annual Accounts) haben nach englischem Recht zu erfolgen. Der Jahresabschluss muss beim Companies House in England eingereicht werden. Englische Kanzleien bieten entsprechende Servicepakete an. Auch aus steuerlichen Gründen kann die Errichtung einer Ltd. & Co. KG interessant sein. Dies ist eine deutsche KG, deren Komplementärin eine englische Ltd. ist.

Europäische Alternativen
Niederländische Gesellschaften bieten sich auf Grund ihrer Mobilität auch für Tätigkeiten in Deutschland an. Die Besloten Vennootschap met beperkte aansprakelijkheid (B.V.) entspricht weitgehend der deutschen GmbH. Das Mindestkapital beträgt 18 000 Euro und die Gründungskosten sind grundsätzlich geringer als in Deutschland. Der deutschen AG entspricht die niederländische Naamloze Vennootschap (N.V.). Die NV bietet die Möglichkeit, durch entsprechende Gestaltung der Gesellschaftsstruktur einen effektiven Abwehrmechanismus gegen feindliche Übernahmen zu installieren und eignet sich besonders als Konzernspitze und Zwischenholding.

Die österreichische GmbH unterscheidet sich kaum von einer deutschen GmbH. Das Mindestkapital beträgt 35 000 Euro. Die Gründungskosten sind höher als der europäische Durchschnitt. Österreich ist seit kurzem auf Grund der österreichischen Steuerreform (Absenkung des Körperschaftssteuersatzes von 34 auf 25 Prozent) als Holdingstandort attraktiver geworden.

Die societé à responsabilité limitée (S.A.R.L.) nach dem französischen Recht entspricht der deutschen GmbH. Die entreprise unipersonnelle à responsabilité limitée (E.U.R.L.) entspricht der Einmann-GmbH. Das Mindeststammkapital beträgt 7 500 Euro.

Nach spanischem Recht kann die Gesellschaft mit beschränkter Haftung (S.L.) und die 2003 neu eingeführte sociedad limitada nueva empresa (SNLE) gegründet werden. Das Mindestkapital beider Gesellschaften beträgt 3 006 Euro, darf aber 120 212 Euro nicht übersteigen. Bei der SNLE handelt es sich um eine vereinfachte Form der S.L. Die Gründung kann innerhalb von 24 Stunden vollzogen und die administrativen Schritte können zentral umgesetzt werden.

Europäische Aktiengesellschaft (SE)
Auf Grundlage einer EU-Verordnung wurde die Europäische Aktiengesellschaft (SE) als erste supranationale Kapitalgesellschaft eingeführt. Eine unmittelbare Neugründung einer SE ist nicht möglich. Die SE kann nur durch Verschmelzung oder Umwandlung als Holding- oder Tochterunternehmen gegründet werden, wenn mindestens zwei Ausgangsgesellschaften bestehen, die sich in zwei verschiedenen EU-Staaten befinden. Doch ist SE nicht gleich SE. Soweit die EU-Verordnung keine einheitliche Regelung trifft, gilt das jeweilige Aktienrecht des Mitgliedstaates. Das gezeichnete Kapital beträgt mindestens 120 000 Euro. Die SE hat einen sehr komplexen und damit konfliktanfälligen Rechtsrahmen. Es bleibt deshalb abzuwarten, ob sich die SE durchsetzen wird.

Gestaltungsmöglichkeiten und Risiken
Eine Gesellschaftsform eines anderen EU-Staates bietet insbesondere für ausländische Investoren, die mit den Gesellschaftsformen vertraut sind, einige Gestaltungsmöglichkeiten. Aufgebaut werden können beispielsweise Gesellschaftsgruppen oder Konzerne, die im Inland und Ausland aus einer Gesellschaftsform bestehen (z.B. von der Mutter bis zur kleinsten Tochter europaweit nur Ltds.).

Ausländische Gesellschaften, insbesondere die Ltd., werden häufig von Kleingewerbetreibenden oder Existenzgründern errichtet, um das Mindeststammkapital einer deutschen GmbH von 25 000 Euro nicht aufbringen zu müssen. Doch für diese Personen ist eine ausländische Gesellschaft grundsätzlich am wenigsten geeignet. Die Risiken und Nachteile einer ausländischen Rechtsform werden oft übersehen. Der Gründer bewegt sich im ausländischen Gesellschaftsrecht und muss danach handeln. Dies verursacht erhöhte Kosten und bedingt Risiken. Der fehlende Gläubigerschutz einiger ausländischer Gesellschaften (geringes oder kein Mindestkapital) wird oft durch ein schnelleres Eingreifen der Durchgriffshaftung (der persönlichen Haftung der Geschäftsführer und Gesellschafter) kompensiert.

Bei einer Geschäftstätigkeit in Deutschland ist zusätzlich zur Gründung im EU-Ausland die Eintragung einer Zweigniederlassung der ausländischen Gesellschaft im Handelsregister in Deutschland erforderlich. Die Anmeldung zum Handelsregister muss vor einem deutschen Notar vorgenommen werden. Die Registergerichte prüfen vor einer Eintragung die Unterlagen sehr akribisch, fordern des öfteren weitere aus dem Ausland zu beschaffende und in die deutsche Sprache zu übersetzende Nachweise. Dies kann erhebliche Kosten verursachen.

Deutsche GmbH wettbewerbsfähig
Die deutsche Standard-GmbH oder die GmbH & Co. KG mit Gründungskosten von ca. 800 bis 1 200 Euro werden zwischenzeitlich relativ zügig in das Handelsregister eingetragen und sind im
europäischen Vergleich durchaus wettbewerbsfähig. Auch wenn im deutschen Gesellschaftsrecht und den sehr formellen Handelsregistervorschriften noch erheblicher Deregulierungsbedarf besteht. Ein laxes ausländisches Gesellschaftsrecht bedeutet für einen Unternehmer des öfteren auch erhebliche Rechtsunsicherheit. Die im deutschen Gesellschaftsrecht bestehende Rechtssicherheit stellt einen nicht zu unterschätzenden Standortvorteil dar.

Dr. Markus A. Kieser LL.M, Sonntag & Partner GbR, Augsburg
 

WiM – Wirtschaft in Mittelfranken, Ausgabe 12|2005, Seite 56

 
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