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Wie sieht es mit dem Ausgleichsanspruch aus?

Früher haben Handelsvertreter meist als Einzelpersonen agiert. In den letzten Jahren haben sie ihre Vertretungen insbesondere auch aus steuerrechtlichen Gründen vermehrt in eine Handelsvertreter-GmbH umgewandelt.

Bei den Handelsvertreter-GmbHs handelt es meist um eine „Ein-Mann-GmbH“, die vom Handelsvertreter selbst geführt wird und in der zuweilen die Ehefrau oder seine Kinder mit tätig sind. Von der Umwandlung werden die vertretenen Firmen zwar häufig unterrichtet, eine Veränderung der Vertragsgrundlagen erfolgt jedoch meist nicht. Wenn nun der maßgebliche Vertreter aus Alters- oder Krankheitsgründen seine Tätigkeit für das Unternehmen nicht mehr fortsetzen kann, stellt sich die Frage, ob er den Vertrag kündigen kann, ohne seinen Ausgleichsanspruch (gemäß § 89 b Handelsgesetzbuch HGB) zu verlieren. Vertragspartner des Unternehmens ist ja nicht er selbst, sondern die von ihm gegründete Vertreter-GmbH. Nach § 89 b Abs. 3 Nr. 1 HGB entfällt nämlich grundsätzlich der Ausgleichsanspruch, wenn der Handelsvertreter das Vertragsverhältnis kündigt. Eine Ausnahme besteht jedoch dann, wenn dem Handelsvertreter eine Fortsetzung seiner Tätigkeit wegen seines Alters oder seiner Krankheit nicht zugemutet werden kann.

Keine eindeutige Rechtsprechung
Von je her ist in der Rechtsprechung und Literatur zum Handelsvertreterrecht umstritten, ob dieser Ausnahmetatbestand nur dem Handelsvertreter zugute kommen kann, der selbst persönlich Vertragspartner ist. Oder ob auch eine Handelsvertreter-GmbH ohne Verlust des Anspruchs kündigen kann, wenn ihr maßgeblicher Gesellschafter, also der sie führende Handelsvertreter, die Pensionsgrenze erreicht oder schwer erkrankt.

Bei Personengesellschaften (solchen des bürgerlichen Rechts, der KG oder oHG) wird dies auf Grund einer Entscheidung des Kammergerichts Berlin aus dem Jahre 1985 in der Regel bejaht, wenn die genannten Gründe bei jenem Gesellschafter erfüllt sind, auf dessen Person die Zusammenarbeit mit dem Unternehmen zugeschnitten ist. Im damals verhandelten Fall ging es um ein Familienunternehmen, das jedoch nicht, wie häufig fälschlich zitiert, als Personen-Kommanditgesellschaft, sondern als eine GmbH & Co. KG organisiert war. Der persönlich haftende Gesellschafter war der Alleinverantwortliche. Die gesamte Handelsvertretertätigkeit war ausschließlich auf ihn selbst abgestellt.

Andererseits hatte schon 1982 das Oberlandesgericht Hamm in einem ähnlich gelagerten Fall die Möglichkeit einer ausgleichserhaltenden Kündigung einer als GmbH geführten Handelsvertretung verneint. Begründung: Die Anwendung von § 89 b Abs. 3 Nr. 1 HGB scheitere schon begrifflich daran, dass eine juristische Person weder von Alter noch von Krankheit gezeichnet sein könne. Auch die analoge Anwendung dieser Ausnahmebestimmung scheide aus, weil bei einer GmbH die Person des Tätigen durch die Bestellung neuer Geschäftsführer etc. jederzeit beliebig austauschbar sei. Dies gelte – so der OLG Hamm seinerzeit – auch, wenn es sich um eine „Ein-Mann-GmbH“ handle.

Problem bei einer Kapitalgesellschaft
Diesem Urteil widersprach das OLG München im Dezember 2002. Dort hatte der Handelsvertreter seine Firma als GmbH geführt. In dem mit dem Unternehmen abgeschlossenen Handelsvertretervertrag war u.a. folgendes vereinbart: „Der Handelsvertreter hat seine Dienste persönlich zu leisten. Er darf Hilfspersonen heranziehen. Ist der Handelsvertreter durch Unfall oder Erkrankung voraussichtlich länger als eine Woche an der Ausübung seiner Tätigkeit gehindert, hat er das Unternehmen davon unverzüglich zu unterrichten .....“ Das Gericht führte aus, dass Alter und Krankheit des Geschäftsführers oder Gesellschafters bei einer Kapitalgesellschaft den Bestand des Vertretervertrages in der Regel nicht beeinflussen könne. Dies gelte aber dann nicht, wenn die Handelsvertretung auf den Geschäftsführer derart zugeschnitten ist, dass sie mit seiner Person steht oder fällt. Im vorliegenden Fall – so das OLG München – sei der Handelsvertretervertrag ganz auf den Geschäftsführer der Klägerin als Person zugeschnitten, wie sich aus den Vertragsbedingungen ergebe. Bei dieser Ausgestaltung mache es keinen Unterschied, ob es sich um eine als Personengesellschaft geführte Vertretung handle oder um eine personalistische GmbH. Eine derartige Unterscheidung wäre rein formalistisch. Unerheblich sei auch, ob es sich um eine Ein-Mann-GmbH handelt, da es lediglich darauf ankomme, ob die Handelsvertreterleistungen von einer bestimmten Person erbracht werden sollen oder nicht.

In einer weiteren Entscheidung vom Januar 2006 wurde diese Auffassung – allerdings im umgekehrten Sinne – vom 23. Senat des OLG München erneut bekräftigt. Dieser Entscheidung lag folgender Sachverhalt zugrunde: Der Kläger war über viele Jahre als Tankstellenhalter für die Beklagte tätig gewesen. Dazu muss man wissen, dass im deutschen Recht Tankstellenhalter als Handelsvertreter gelten, anders als beispielsweise in Großbritannien. In einer Nachtragsvereinbarung aus dem Jahre 1991 hatten die Parteien vereinbart, dass eine vom Kläger neu gegründete GmbH in alle Rechte und Pflichten aus dem Tankstellenvertrag eintrat. Gesellschafter dieser GmbH waren der Kläger mit einem Geschäftsanteil von 90 Prozent und seine Ehefrau mit einem Anteil von zehn Prozent. Geschäftsführer war ab 1991 allein der Kläger gewesen. Er hatte das Vertragsverhältnis für die GmbH aus Altersgründen gekündigt und sich später den Ausgleichsanspruch der GmbH abtreten lassen.

Das OLG München verneinte die Entstehung des Ausgleichs, weil die GmbH das Vertragsverhältnis gekündigt hatte. Die GmbH als juristische Person könne sich nicht darauf berufen, dass die Fortsetzung der Handelsvertretertätigkeit wegen Alters oder wegen Krankheit unzumutbar sei. Etwas anderes könne gelten, wenn der Handelsvertretervertrag so ausgestaltet sei, dass das Vertragsverhältnis mit der Person des Gesellschafter-Geschäftsführers stehe und falle. Ein solcher Fall liege aber hier nicht vor. Denn der Nachtrag zum Handelsvertretervertrag enthalte keine persönliche Leistungsverpflichtung des Klägers, die ein Abstellen auf seine Person als Kündigung rechtfertigen könne. Die bloße persönliche Treuepflicht im Sinne eines Wettbewerbsverbots reiche nicht. Für die Frage, ob der GmbH als Handelsvertreterin die Fortsetzung des Vertrages zumutbar sei oder nicht, könne dies keine Rolle spielen.

Vertragliche Regelung wird häufig versäumt
Wenn der Kläger eine Gleichstellung mit seinem früheren persönlichen Handelsvertreterverhältnis hätte sicherstellen wollen, hätte er – so das OLG München – auf eine entsprechende vertragliche Regelung drängen müssen, in der die Beendigung des Vertrages von seiner Person abhängig gemacht wird. Da dies nicht geschehen sei, war die GmbH beiderseits ausschließlich in ihrer Eigenschaft als juristische Person die Trägerin von Rechten und Pflichten des Handelsvertreters anzusehen. Dies habe für den Kläger nicht nur die negative Folge des Ausschlusses des Ausgleichs gehabt, sondern andererseits etwa auch die Möglichkeit, ohne Einfluss auf den Fortbestand des Handelsvertreterverhältnisses die Anteile des Klägers an der GmbH zu veräußern oder die Geschäftsführung einem angestellten Geschäftsführer zu übertragen.

Fazit: Beiden Vertragspartner eines Handelsvertretervertrages ist bei Umwandlung einer persönlich geführten Vertretungsfirma in eine GmbH im eigenen Interesse dringend anzuraten, das Vertragsverhältnis entsprechend anzupassen. Festgehalten werden sollte auf jeden Fall, in welchem Umfang die Rechte und Pflichten der Vertretung an die Person des geschäftsführenden und maßgeblichen Gesellschafters der GmbH geknüpft sein sollen. Andernfalls verliert die GmbH bei Kündigung wegen Alters oder Krankheit des maßgebenden Gesellschafters ihren Ausgleichsanspruch. Andererseits müsste das vertretene Unternehmen Änderungen in der Gesellschaftsstruktur der Handelsvertreter-GmbH sowie in deren Geschäftsführung hinnehmen und mit dieser dann den Vertrag fortführen oder aber selbst kündigen mit der Folge, dass der GmbH in der Regel der Ausgleich gemäß § 89 b Abs. 3 Nr. 2 HGB zusteht.

Autor/in: 
Rechtsanwalt Dr. Karl-Heinz Thume
 

WiM – Wirtschaft in Mittelfranken, Ausgabe 10|2006, Seite 10

 
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