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Weg vom Mainstream und zurück zu den Wurzeln

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Über das Thema „Wie kommt der Handel aus der Krise?“ referierte Dr. Thomas Middelhoff, Vorstandsvorsitzender der KarstadtQuelle AG, beim 127. „Kammergespräch“.

IHK-Präsident Prof. Dr. Klaus L. Wübbenhorst (l.) und IHK-Hauptgeschäftsführer Dr. Dieter Riesterer (r.) begrüßten Dr. Thomas Middelhoff zum Kammergespräch. (Foto: Braun)

„Wir sind Mainstream und überall in der Mitte platziert. Aber wir werden uns umkrempeln“, erklärte Middelhoff, der seinen eigenen Konzern als Fallstudie für sein Vortragsthema nahm. „Der Handel in Deutschland hat seit Jahren ein schwieriges Umfeld“, so Middelhoff. Stagnierendes Wirtschaftswachstum, konstant hohe Arbeitslosigkeit und der Rückgang der Nettodurchschnittseinkommen hätten bewirkt, dass besonders der „Non-Food“-Bereich mit rückläufigen Umsätzen zu kämpfen habe. Von der Entwicklung profitiert hätten dagegen Discounter und Spezialversender. „Der Universalversand will einfach nicht mehr wachsen.“

Zweimal im Jahr eine neue Kollektion auf den Markt zu werfen, wie das bisher bei Karstadt und Quelle geschah, reiche dem Kunden nicht mehr. Falsche Positionierung im Mittelfeld, mangelnde Investitionen und hohe Schulden, führten dazu, dass KarstadtQuelle das Vertrauen des Kapitalmarktes verlor, so Middelhoff, der seit Mai 2005 an der Spitze des Konzerns steht.

Hinzu komme, dass sich der Kunde und seine Bedürfnisse gewandelt haben: Einerseits wünsche sich der Kunde bei der Reizüberflutung der heutigen Zeit eine Vereinfachung, eine Vorsortierung durch den Handel. Andererseits sei er für den Handel schwierig einzuschätzen, da er als „Hybrid-Kunde“ sowohl im Internet als auch direkt im Laden einkaufe. Genauso wie er sich anonym Musik im Internet herunterlädt und gleichzeitig das gesellschaftliche Miteinander bei Konzerten und Festivals sucht, will sich der Kunde nicht einordnen lassen. Das wachsende Online-Geschäft fordere die Einzelhandelsunternehmen zum Umdenken auf, denn ein Ende des E-Commerce-Wachstums ist noch nicht abzusehen, allein in den letzten fünf Jahren betrug das Wachstum durchschnittlich 36 Prozent. KarstadtQuelle will das Online-Angebot von Quelle und Neckermann komplett überarbeiten und zum führenden Home-Shopping-Anbieter machen. „Das sind wir zwar schon von der Größe her, aber noch nicht von der Performance“, räumt Middelhoff ein.

Die Zeichen stehen auf Neustrukturierung, trotzdem besinnt man sich auf alte Tugenden: KarstadtQuelle konzentriert sich auf die Kerngeschäfte „Stationärer Handel“, „Versandhandel“ und „Reisen“, mit den Karstadt-Häusern in den Innenstädten, den Katalogversendern Quelle und Neckermann sowie Thomas Cook als Reiseunternehmen. „Wir sind der festen Überzeugung, dass wir damit einen wachsenden Markt besetzen“, so der Vorstandsvorsitzende. Nicht-Kerngeschäfte wie u.a. Golf House, Runners Point und Fitnessstudios wurden bereits veräußert, die Summe des erreichten Desinvestments betrug im Jahre 2005 laut Middelhoff an die 1,3 Mrd. Euro. 25 000 Arbeitsplätze gingen im Zuge dessen in neue Führung über, an die 70 Prozent des Beschaffungsvolumens wurde nach Hongkong ausgelagert, wo die Mitarbeiter schneller auf Trends reagieren. „Das war nötig, um den Konzern auf einen Kern zu spezialisieren, der überlebensfähig ist und Zukunft hat.“ Auch der Verkauf der Kompakt-Häuser sei richtig gewesen – Karstadt habe nun nur noch Häuser ab 10 000 Quadratmetern, die sich bis auf zwei alle in Top-Lagen befänden: „Die finanzielle Restrukturierung ist gelungen“ sagt Middelhoff, der einen Umsatz von 18 Mrd. Euro anstrebt.

Besonders gut laufen laut Middelhoff die neu entwickelten und renovierten „Premium-Häuser“, deren Umsatz bereits jetzt über dem Durchschnitt der Handels liege und die vom „Mainstream-Warenhaus“, wie er es nennt, weit entfernt seien. Die „Premium-Häuser“ grenzen sich seinen Worten zufolge im Warenhaus-Klassement von den „Boulevard Plus-“ und „Boulevard“-Häusern dadurch ab, dass sie in „Top-Lagen in der Innenstadt ein internationales Einkaufserlebnis“ mit höherem Marken- und Service-Niveau bieten und die Kundschaft über die Region hinaus anlocken sollen. Beispielsweise der Oberpollinger in München oder das Alsterhaus in Hamburg erfüllten bereits diese Kriterien und bieten zudem eine Plattform für die eigenen Design-Linien und Marken, deren Kollektionen sechs oder zwölf Mal im Jahr erscheinen können.

Auch Nürnberg wird bald in der Innenstadt eines dieser „Premium-Häuser“ haben, denn das Nürnberger Haus habe sich prima gehalten. „Von den Zahlen her, ist das Haus sehr gut, aber es wird Zeit, dass wir investieren. Und wir werden investieren.“

Autor/in: 

slm.

 

WiM – Wirtschaft in Mittelfranken, Ausgabe 12|2006, Seite 18

 
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