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Bundesweiter Flickenteppich

Viele Kommunen planen, die Zufahrt in die Innenstädte zu beschränken. In Nürnberg wurde die Entscheidung auf Anfang 2008 vertagt.

Am 1. März 2007 ist die sogenannte Kennzeichnungsverordnung in Kraft getreten (offizielle Bezeichnung: 35. Verordnung zur Durchführung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes). Den Kommunen wird damit ein Instrument an die Hand gegeben, um sich bei Verkehrsverboten einheitlicher Kennzeichen und einheitlicher Ausnahmen zu bedienen. Die Verordnung sagt nichts aus zu der Frage, ob es geboten oder auch nur sinnvoll ist, in einer bestimmten Region wegen einer Luftbelastung Beschränkungen für den Verkehr anzuordnen. Dies bleibt in der Entscheidung der zuständigen Behörde.

Viele Städte haben inzwischen Konzepte zur Senkung der Luftbelastung erstellt. Der Deutsche Industrie- und Handelskammertag (DIHK) hat über 30 von ihnen analysiert und verglichen. Das Ergebnis: Zwar sind die Aktionspläne meist noch nicht im Detail festgelegt, aber absehbar ist schon jetzt ein deutschlandweiter Flickenteppich unterschiedlicher Regelungen. In einigen Städten sind alle Fahrzeuge betroffen, in anderen nur Fahrzeuge ab einem bestimmten Gesamtgewicht. Häufig werden auch Ausnahmen nach Verkehrszweck (Lieferverkehre, öffentlicher Personennahverkehr) oder für bestimmte Fahrzeuge (Reisebusse, Oldtimer) gemacht. Zum Teil gelten diese generell, zum Teil müssen sie vorab gebührenpflichtig beantragt werden. Jede Kommune gestaltet dies nach eigenen Vorstellungen. Zwangsläufig wird dies dazu führen, dass sich Ortsfremde nur schwer zurechtfinden.

Unklarheiten bestehen zum Beispiel darüber, welche Fahrzeuge von einem Fahrverbot betroffen sein werden und welche Nachrüstmöglichkeiten bestehen. Eine Statistik des Kraftfahrt-Bundesamtes zeigt, dass - bezogen auf das gesamte Bundesgebiet - 17 Prozent der Pkw keine Plakette erhalten würden. Bei den Nutzfahrzeugen sind 36 Prozent betroffen. Eine rote Plakette erhalten vier Prozent der Pkw und 26 Prozent der Nutzfahrzeuge. Der DIHK kritisiert, dass die Beschränkungen wesentlich mehr Fahrzeuge treffen als geplant und als zur Verringerung des Feinstaubs sachgerecht wäre. Nicht zu rechtfertigen seien insbesondere Beschränkungen für ältere Benzin-Pkw mit geregeltem Katalysator, da diese keinen Feinstaub emittieren.

Firmen müssen erreichbar bleiben
Die Erhebung des DIHK zeigt, dass zahlreiche Kommunen ihre Maßnahmen nicht mit der Wirtschaft vor Ort abgestimmt haben. Offensichtlich sei man sich der Konsequenzen nicht bewusst. Viele Innenstädte stehen schon jetzt vor erheblichen Schwierigkeiten - Leerstände und ein harter Wettbewerb mit Gewebegebieten an den Stadträndern bestimmen vielfach das Bild. „Die Erreichbarkeit von Lieferanten und Kunden unterliegt in den Stadtzentren ohnehin zahlreichen Beschränkungen und darf nicht weiter verschärft werden“, so der DIHK. Betroffen sind insbesondere kleine Handelsbetriebe mit Firmensitz oder Wirkungskreis innerhalb der Umweltzone. Fraglich ist aus Sicht der IHK-Organisation auch, ob eine Verlagerung an den Stadtrand der Umwelt dient; durch längere Wege und die schlechtere Anbindung mit öffentlichen Verkehrsmitteln könnten die Feinstaubemissionen sogar zunehmen.

In der öffentlichen Diskussion wird laut DIHK der Eindruck erweckt, dass die Ziele der europäischen Luftreinhalterichtlinie nur mit Fahrverboten erreichbar seien. Tatsächlich leisten Straßensperrungen und Fahrverbote meist keinen wesentlichen Beitrag zur Feinstaubreduzierung, weil die Belastung durch viele Verursacher entsteht. Neben dem Eintrag von außen und aus natürlichen Quellen (z.B. Blütenstaub oder Sand) erhöhen auch Hausbrand oder Baustellen die Feinstaubwerte. Bevor massiv in den Verkehr eingegriffen wird, müsse deshalb zunächst untersucht werden, in welchem Umfang der örtliche Verkehr an der Feinstaubbelastung beteiligt ist. Nur wenn er zu einem spürbaren Anteil Verursacher ist, sollten Beschränkungen ins Auge gefasst werden. Hierbei müsse dann geprüft werden, ob die Maßnahmen geeignet sind, die Emissionen zu verringern.

Städte und Kommunen sollten beim Aufstellen von Luftreinhalte- und Aktionsplänen bedenken, dass in Brüssel längst erkannt wurde, dass die geltenden Feinstaubregelungen überarbeitungsbedürftig sind. Die neue Luftqualitätsrichtlinie steht vor der zweiten Lesung im Europäischen Parlament. Erleichterungen hinsichtlich der Grenzwerte und Fristen zeichnen sich ab und könnten noch in diesem Jahr in Kraft treten. Damit wären jetzt erlassene und vollzogene Regelungen vorschnell. Dem hat auch die Stadt Nürnberg Rechnung getragen: Der Umweltausschuss wird sich Anfang 2008 wieder mit dem Thema beschäftigen. Die Umweltzone, die ursprünglich ab 1. September 2007 in zwei Stufen eingeführt werden sollte, ist deshalb bis auf weiteres ausgesetzt. Ein wichtiger Grund für die Vertagung des Themas war, dass 2005 und 2006 in Nürnberg die Grenzwerte für Feinstaub und Stickoxid nicht überschritten wurden. Die IHK steht in Verhandlungen mit der Stadt, um eine eventuelle Umweltzone wirtschaftsverträglich zu gestalten.

Merkblatt Umweltzone
Ein Merkblatt zu diesem Thema kann auf der Internet-Seite der IHK heruntergeladen werden (www.ihk-nuernberg.de, Rubrik „Standortpolitik“ / „Verkehr“).

 

WiM – Wirtschaft in Mittelfranken, Ausgabe 04|2007, Seite 40

 
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