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Die Uhr tickt vernehmbar

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IHK-Präsident Prof. Dr. Klaus L. Wübbenhorst (r.) begrüßte Commerzbank-Chef Klaus-Peter Müller.

„Banken und Mittelstand vor der demografischen Herausforderung“: Dieser Frage widmete sich Klaus-Peter Müller, Vorstandssprecher der Commerzbank AG, in seinem Vortrag.

Die demografischen Fakten sprechen laut Müller eine klare Sprache: Zum einen steigt die Lebenserwartung der Deutschen, zum anderen ist die kommende Bevölkerungsentwicklung nicht mehr umkehrbar. Auch die Einwanderung sei keine Lösung, da sie den Bevölkerungsrückgang allenfalls mildern könne. Eindringlich mahnte Müller: „Man muss das im Kopf behalten. Im Jahr 2050 wird jeder siebte Bürger in Deutschland über 80 und jeder Dritte über 65 Jahre sein.“ In diesem Zusammenhang zeigte sich Müller über die steigende Abwanderung hoch- und höchstqualifizierter Deutscher ins Ausland besorgt. Allein von den 78 000 Deutschen, die derzeit im Ausland studieren, würden viele dort bleiben.

Was bedeutet dies nun alles für Banken und mittelständische Unternehmer? Der Commerzbank-Chef wies zunächst auf die Immobilien hin, die durch die Folgen des demografischen Wandels tendenziell je nach Lage und Bauart an Wert verlieren werden. Der Trend zur Abwanderung der leistungsfähigen und leistungsbereiten Bevölkerung aus bestimmten Regionen werde sich verstärken. „Ganze Ortschaften wie teilweise heute schon in Mecklenburg-Vorpommern werden sich entvölkern“, prognostizierte Müller. Überlegen müsse man sich deshalb, was dies für künftige Investitionen, für Produktionsstandorte und Logistikketten bedeute.

Die Banken werden ihr Produktangebot in Bezug auf die veränderten Ansprüche ihrer Kunden hin überprüfen müssen, erklärte Müller, der auch Präsident des Bundesverbandes deutscher Banken ist. Es werde mehr langlaufende Anlageformen geben, zum Beispiel mit festen Auszahlungssummen. Ob in Deutschland ein Seniorenprodukt wie das „umgekehrte Hypothekendarlehen“, bei dem der Rentner quasi sein Eigenheim an die Bank verkauft und im Gegenzug eine Rente erhält, sich durchsetzen wird, ließ der Bankenchef offen.

Eine weitere wichtige Frage laut Müller: „Wie erreichen wir unsere alternde Kundschaft künftig im Vertrieb am besten?“ Dies werde nicht vorwiegend über das Internet geschehen können. Es komme auch nicht so sehr darauf an, ob die Filialen barrierefrei erreichbar seien, sondern darum, was die Kunden hinter der Eingangstür erwartet. Zu klären sei beispielsweise, wie groß der Altersunterschied zwischen Kunde und Berater sein dürfe.

Für jeden Unternehmer ergeben sich aus der demografischen Entwicklung laut Müller folgende grundsätzliche Strategiefragen: Ist in der eigenen Branche künftig noch Geld zu verdienen? Welche Kernkompetenzen sollen verstärkt werden? Welche verlieren künftig an Bedeutung? Welche Anpassungen in der Produktentwicklung sind notwendig? Insbesondere den Familienunternehmen rät der Bankenchef, sich verstärkt um die Nachfolgefrage zu kümmern. Die demografische Entwicklung reduziere auch das Potenzial an selbstständigen Unternehmern und Gründern. Zudem hat Müller beobachtet, dass die jüngeren Generationen immer weniger bereit oder auch befähigt seien, das Unternehmen der Eltern weiterzuführen.

Das Nachfolgeproblem wirke sich, so Müller, auch auf die Unternehmensfinanzierung aus: „Eine geregelte Nachfolge kann Ihren Kredit verbilligen.“ Improvisierte oder abrupte Nachfolgeregelungen führten dagegen fast immer zu Finanzierungsproblemen. Die Europäische Kommission schätze, dass bis zu zehn Prozent aller Konkurse durch schlecht geplante Erbfolge ausgelöst werden. Es gelte deshalb, dieses Thema mit mehr Fantasie anzugehen und sich nicht nur mit den üblichen Standardlösungen Vererben und Schenken zu beschäftigen, sondern auch Familien-Holdings oder Stiftungen ins Auge zu fassen.

Auswirkungen auf die Personalarbeit
Als weitere branchenübergreifende Herausforderung stellte der Bankenchef vor allem die Personalarbeit heraus. Jeder Personalverantwortliche sollte sich bewusst machen, dass schon ab etwa 2015 das Erwerbspersonen-Potenzial rapide sinken werde, und zwar um etwa ein Fünftel – von 50 auf rund 40 Mio. Personen. „48 000 Planstellen für Ingenieure können schon heute nicht besetzt werden“, nennt Müller als mahnendes Beispiel.

Der Bankenchef appelliert deshalb an die gesamte Wirtschaft, die Haltung gegenüber älteren Arbeitnehmern zu überdenken. Die Einschätzung, dass die Arbeitsproduktivität ab dem 50. Lebensjahr abnehme, greife zu kurz. Ältere hätten mit ihrem größeren Erfahrungsschatz meist mehr Vorteile. Dafür sollten Arbeitszeitmodelle flexibler werden, insbesondere Altersteilzeitmodelle.

Der Bankenverbandspräsident malte aber letztlich kein Menetekel an die Wand, sondern erinnerte seine mehr als 200 Zuhörer daran, dass sie mit den mittelständischen Primärtugenden Mut, Zuversicht und Geschick auch die demografische Herausforderung packen könnten.

Autor/in: 

sm.

 

WiM – Wirtschaft in Mittelfranken, Ausgabe 10|2007, Seite 10

 
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