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Die Spitze abbrechen

Wenn ein Volllast-Betrieb vermieden wird, können die haustechnischen Anlagen für Strom und Wärme oft kleiner ausgelegt werden.

Bei den steigenden Kosten für Strom und Wärme empfiehlt sich Energiesparen im privaten und gewerblichen Bereich gleichermaßen. Natürlich gibt es deutliche Unterschiede: In Privatgebäuden geht es vor allem um den Gebäudeenergieverbrauch, sprich um Gebäudewärmeverluste. Die Nutzungsprofile sind mehr oder weniger bei allen Gebäuden gleich. Auch im Stromverbrauch sind die Nutzungen sehr ähnlich. Der Gesetzgeber gibt mit der Energieeinsparverordnung die Leitlinie vor, wie Maßnahmen zur Energieeinsparung aussehen können. Ganz anders bei gewerblich genutzten Gebäuden: Neben dem reinen Gebäudeenergiebedarf kommt noch der Bedarf an Strom und Wärme etwa für die Produktion hinzu. Stehen Neu- oder Umbaupläne an, sind verschiedene Vorgehensweisen zu beachten.

Während bei einem Neubau alles genau auf den Arbeitsablauf und damit auch auf den Verbrauch ausgelegt werden kann, muss bei einem bestehenden Gebäude naturgemäß auf die vorhandenen Gegebenheiten eingegangen werden. Energiesparende Maßnahmen werden meist dann überlegt, wenn Teile der haustechnischen Anlagen erneuert oder erweitert werden müssen. Dabei sollte ein umfassendes Energiekonzept angegangen werden. Berechnungen zeigen nämlich sehr häufig, dass bei Erweiterungen die bestehenden Anlagen ausreichen, um den zusätzlichen Bedarf zu decken. Und beim Austausch von Anlagen stellt sich oft heraus, dass kleinere Systeme ausreichend sind.

Es empfiehlt sich, einen Ingenieur von Anfang an in diese Planungen mit einzubeziehen, dem hochwertige Berechnungswerkzeuge zur Verfügung stehen. Simulationsprogramme berechnen in stündlichen, mitunter sogar kleineren Schritten den Energieverbrauch einer geplanten Maßnahme. Der Bauherr weiß so schon vorab, wie hoch die Folgekosten der unterschiedlichen Maßnahmen sein werden. Mit der Ergebnissen der Analyse kann der Planer das Gebäude, die Anlagengröße und die Betriebsweisen optimieren, um Investitions- und Betriebskosten zu minimieren, wobei gleichzeitig das thermische Komfortverhalten gesteigert werden kann.

Heiz- und Kühllasten zur Deckung des thermischen Komforts und des Energieverbrauchs werden wesentlich von folgenden Faktoren beeinflusst:

  • Umgebungsbedingungen wie Außentemperatur, Sonneneinstrahlung, Windgeschwindigkeit, Lüftungsverluste etc.
  • „innere Lasten“ wie Personen, Beleuchtung, Gerätschaften etc.
  • materialabhängige Größen wie thermische Wärmeleitfähigkeit, Oberflächenrauheit etc.
  • architektonische Gestaltung wie Fensteranteil, Gebäudeorientierung, Beschattungsvorrichten etc.

Diese Größen sind mit Ausnahme der Sonneneinstrahlung in den meisten Berechnungstechniken enthalten. In den üblicherweise verwendeten - teilweise durch die Energieeinsparverordnung festgelegten – Programmen werden sie jedoch nur sehr ungenau und pauschal berücksichtigt.

Somit führen konventionelle Methoden zu mehr oder weniger genauen Werten. Heizlasten und Kühllasten werden beispielsweise mit Hilfe von groben Näherungsverfahren für die Sonneneinstrahlung durch Fenster ermittelt. Viele Algorithmen berücksichtigen nur einen Einstrahlungswinkel, andere jedoch drei. Infiltrationslasten (z.B. Fugen- und Fensterlüftung) werden nur bei Auslegungsbedingungen berechnet und zur Bemessung der Anlagengrößen herangezogen.

Einer der wesentlichen Lasteinflüsse wird in den meisten konventionellen Methoden unterdrückt: Der thermische Trägheitseffekt oder die dynamischen Anteile der Lasten. Es kann nämlich im Extremfall zwei oder drei Tage dauern, bis nach einem Wochenende mit abgesenkten Temperaturen die gewünschten Bedingungen in den Räumen wieder hergestellt sind. Auf der anderen Seite wird dieselbe Zeit benötigt, um Räume oder Gebäude herunterzukühlen. Dieser Zeitraum ist im Wesentlichen von folgenden Faktoren abhängig: Temperaturdifferenz, installierte Leistung für Heizung oder Kühlung, Masse des Gebäudes, andere innere und äußere Lasten sowie nicht zuletzt von den Regelstrategien der haustechnischen Anlagen.

Diese dynamischen Lasten sind üblicherweise die dominanten Größen, da Temperaturänderungen (Kühlen und Heizen) durch den Einsatz von Energie erreicht werden. Um schnelle Änderungen durchzuführen, durchläuft die Anlage sogenannte instationäre Bedingungen. Für eine relativ kurze Zeit arbeiten alle Komponenten der Anlage und der Zentrale unter Volllast. Betrachtet man jedoch die durchschnittliche Last während der Nutzungsdauer, wird die allgemeine Auslastung erheblich niedriger sein. Infolgedessen wird der Energiebedarf bei einer solchermaßen dimensionierten Anlage steigen. Daraus folgt, dass eines der wesentlichen Auslegungsziele ein „geglätteter“ Lastverlauf sein sollte. Ein Lastverlauf ohne jede Spitze wäre ideal – kleine Spitzen sind realistisch. Weiterhin sollten langsame Laständerungen ebenfalls ein Ziel der Anlagenkonzeption sein. Deshalb müssen Berechnungsmethoden verwendet werden, die das thermische Verhalten von Gebäuden so genau wie möglich nachvollziehen.

Zahlreiche Computerprogramm, die den konventionellen Berechnungsmethoden (DIN, EnEV und anderen Normen) entsprechen, sind auf dem Markt. Es soll hier unterstrichen werden, dass diese, wie alle normenorientierten Spezifikationen, die minimalen Anforderungen für die Auslegung von Anlagen darstellen. Alle bestehenden Normen, infolgedessen auch die Berechnungsprogramme, die ihnen zugrunde liegen, beanspruchen keine physikalische Genauigkeit. Solange es nur darum geht, die Maximallasten zu bestimmen, sind diese für durchschnittliche Gebäude ausreichend. Wenn aber der Energieverbrauch für lange Zeiträume wie etwa ein Jahr vorausgesagt werden soll, führen sie zu sehr hohen Ungenauigkeiten. Wichtige Parameter werden überhaupt nicht oder nur ungenügend berücksichtigt, das oben beschriebene instationäre Verhalten wird nur sehr unzureichend einbezogen. Deshalb wurden besondere Simulationsprogramm entwickelt, die dem dynamischen Verhalten Rechnung tragen.

Die dynamischen Lasten, die sich aus den wechselnden Bedingungen eines Gebäudes ergeben, beeinflussen sehr stark die thermischen Komfortrandbedingungen, die Anlagengrößen und den gesamten Energiebedarf. Ziel ist es, die Spitzenlasten so weit wie möglich zu senken und von der thermischen Trägheit des Gebäudes zu profitieren. Die Anlagen sind typischerweise 30 bis 50 Prozent kleiner als konventionelle Systeme. Die kleineren Komponenten arbeiten zwar über einen längeren Zeitraum, jedoch mit einem niedrigeren Leistungsbedarf und in einem niedrigeren Teillastbereich, sodass sich der Wirkungsgrad insgesamt erhöht. Der Bauherr spart also doppelt: Bei der Investition und beim Energieverbrauch.

Externer Kontakt: Guido von Thun, GvT Consulting, Fürth, info@gvt-consulting.de
 

WiM – Wirtschaft in Mittelfranken, Ausgabe 12|2007, Seite 26

 
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