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Rauchfreie Zonen

Im Ernstfall geht es nicht nur um den Kampf gegen die Flammen. Gerade bei Industriebauten stellt die Entrauchung die Feuerwehrleute vor Herausforderungen.

Jeder noch so kleine Brand führt zu Produktionsausfällen oder gestörtem Arbeitsablauf, ist nicht kalkulierbar. Je schneller nach Feuern in Küchen oder Abfalleimern die normale Arbeit wieder aufgenommen werden kann, umso besser. Doch zuvor muss der Qualm raus aus dem Gebäude.

„Hierfür gelten anerkannte Regeln der Technik, die bereits bei der Gebäudeplanung tunlichst eingehalten werden müssen“, erläuterte der Brandschutz-Sachverständige Thomas Neußer vor einiger Zeit bei einer Informationsveranstaltung am Flughafen Nürnberg. Ihm ist es am liebsten, wenn er gleich vom Architekten eingeschaltet wird. Dann kann er das Bauwerk von vornherein optimal schützen. Ruft eine Versicherung bei Neußer an, ist es dagegen meist zu spät und der Brandschaden bereits eingetreten.

Der Flughafen scheint der optimale Vorführort für Brandschutz: Die Brandbekämpfer hier sind darauf trainiert, entflammte Flugzeuge blitzschnell zu löschen. Doch nicht nur verkehrliche Vorschriften gelten für Airport-Planer: Wie bei jedem Industriebau sind auch hier „privatrechtliche, öffentlich-rechtliche oder allgemeine Anforderungen einzuhalten“, so Neußer.

Deshalb üben die Flughafen-Feuerwehrleute auch (un-)regelmäßig „Gebäudeentrauchung“. Das Konzept dort hat mehrere Stufen: Zuerst leiten Rauchschürzen – also heruntergelassene dichte Vorhänge – die Zuluft von unten durch das Gebäude. Klappen unterhalb der Gebäudedecke (sogenannter natürlicher Rauchabzug) lassen den Qualm nach draußen, der natürliche Luftzug drückt ihn aus dem Gebäude. Wenn nötig, hilft der maschinelle Rauch- und Wärmeabzug.

Solche Zwangsentlüftungen sind kein Allheilmittel: „Sie erfüllen natürlich die strengen behördlichen Auflagen, unter einer Hitzeeinwirkung von bis zu 400 Grad Celsius 120 Minuten lang zuverlässig zu funktionieren“, schreibt ein Hersteller. Doch 400 Grad – das ist nur ein kleines Feuer. Und dann der Rauch: Welch dichten Nebel gerade mal eine Flasche verbrannter Spiritus und ein paar Liter Wasser produzieren, glaubt nur, wer mittendrin steht.

Wenn die Automatik Macken hat und auch der maschinelle Rauch- und Wärmeabzug nicht mehr funktioniert, dann hilft nur noch „Druckbelüftung durch die Feuerwehr“: Lüfter unten rein, Fenster oben auf, und raus mit dem Nebel aus dem Gebäude. Wo welche Feuerlösch- und Entrauchungssysteme angebracht und zu finden sind, das lesen die Nürnberger Flughafen-Löschkräfte in Brandschutzschränken: Jedes Gebäude hat einen eigenen.

Die Vielfalt an Vorschriften ist vielen Errichtern unbekannt. Und Planer wissen selbst oft nicht, wofür sie tatsächlich haften. Prof. Dr. Dieter Schmidt hilft ihnen auf die Sprünge: Mängel können sich laut dem ehemaligen Vizepräsidenten am Weidener Landgericht „aus den vertraglichen Beziehungen ergeben. Allerdings können Architekt und Sonderfachmann auch nach dem Deliktsrecht für die Mängel ihrer Planungsleistung haften“. Denn die Genehmigungsfreiheit entbinde nicht von der Einhaltung der Anforderungen. Da sei es auch völlig egal, ob z.B. DIN-Normen als „technische Bauvorschrift explizit benannt sind“: Der Planer müsse sie auf jeden Fall beachten.

Wie Rauch- und Wärmeabzugsanlagen theoretisch funktionieren, ist bekannt. Doch ob sie ihre Aufgabe im Fall des (Brand-)Falles auch wirklich erfüllen, stellt sich erst bei einer Feuersbrunst heraus. Deshalb empfiehlt Jürgen Stein vom Fraunhofer-Institut, das Gebäude nicht nur mit „kaltem“ Spiritus-Wasserdampf, sondern „heiß“ zu überprüfen. Nur dann würden Planungsfehler sichtbar und das komplexe Zusammenspiel der Elemente einer Entrauchungsanlage im Ganzen getestet.

Doch eines ist für diesen Heißtest unerlässlich: Die Feuerwehr muss Schlauch bei Fuß stehen. Denn Planungsfehler gibt es fast überall, so die Experten an einem künstlich vernebelten Tag am Flughafen Nürnberg.

Autor/in: 
Heinz Wraneschitz
 

WiM – Wirtschaft in Mittelfranken, Ausgabe 12|2007, Seite 38

 
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