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Unternehmer zeigen die rote Karte

Immenser Schaden droht Familienunternehmen durch das aktuelle Reformkonzept für die Erbschaftssteuer. Von Christian Ramthun

Natürlich geht es um Geld, um Steuern und Bürokratie. Doch die wütende Entschlossenheit, mit der die Familienunternehmen gegen die Reform der Erbschaftssteuer ankämpfen, hat tiefere Ursachen: Es geht um Gerechtigkeit. Um die Achtung eines hart erarbeiteten Lebenswerks. Um die Freiheit, das Geschaffene seinen Erben zu übertragen. Und um die Bedeutung des Unternehmertums in unserem Lande.

Noch nie dürfte ein Gesetzesvorhaben die Familienunternehmer in der Bundesrepublik derart in Rage versetzt haben. Und selten dürften die Politiker so wenig die Beweggründe dafür verstanden haben. Die Große Koalition in Berlin bastelt an einem Erbschaftssteuergesetz, das auf ein Aufkommen von vier Mrd. Euro abzielt und umso stärker zulangt, je höher das Vermögen ist. Naturgemäß sind davon Betriebsvermögen besonders betroffen, und alle Erklärungen von Unionspolitikern und Sozialdemokraten, die Unternehmen wegen ihrer besonderen gesellschaftspolitischen Bedeutung zu schonen, sind kaum mehr als Lippenbekenntnisse.

Viele Fußangeln
Denn dem ganzen Reformwerk fehlt der wohlwollende Unterton. Den Bedingungen, unter denen Unternehmensnachfolger die Erbschaftssteuer sollen vermeiden können, haftet vielmehr ein übler Missklang an. Da planen die Politiker eine Haltefrist von 15 Jahren, die im Zeitalter von Internet und Globalisierung eine Ewigkeit bedeutet. Zusätzlich eine dynamisierte Lohnsumme von 70 Prozent, die über einen Zeitraum von zehn Jahren nicht unterschritten werden dürfe. Und dass bei Nichterfüllen der Haltefrist selbst nach 14 Jahren die Erbschaftssteuer komplett fällig werden solle.

Jedem Familienunternehmer fallen weitere Fußangeln auf, etwa bei der Berechnung des angeblichen Vermögenswertes. Das Bundesfinanzministerium will auf den Basiszins nur einen Risikozuschlag von 4,5 Prozent gewähren, sodass der Unternehmensgewinn mit dem Elffachen multipliziert würde. "Viel zu hoch", wenden viele Unternehmen ein. Kein Investor wäre bereit, mit solchen Multiplikatoren ein Unternehmen zu kaufen. Üblich seien Risikozuschläge zwischen sechs und acht Prozent.

Als die Große Koalition Ende 2005 antrat und beschloss, Familienunternehmen bei Fortführung des Betriebes von der Erbschaftssteuer zu befreien, schoben zahlreiche der jährlich rund 70 000 vererbenden Unternehmer den Generationswechsel in guter Hoffnung auf. Umso größer ist nun die Enttäuschung.

Zu den Enttäuschten zählen nicht zuletzt solche Unternehmen, die über erhebliche Immobilienbestände verfügen, die an andere Unternehmen vermietet werden. Vielfach wurden die Immobilien frei, weil aufgrund des Strukturwandels Betriebsteile stillgelegt wurden. Nach den Vorschlägen zum künftigen Erbschaftssteuerrecht gelten solche Unternehmen womöglich vornehmlich als Vermögensverwaltung – und das wird teuer: Wenn das Verwaltungsvermögen mehr als 50 Prozent des Betriebsvermögens ausmacht, soll die Erbschaftssteuer nicht erlassen werden. Diese Unternehmen würden doppelt getroffen. Denn um die Erbschaftssteuer zu bezahlen, müssten der Unternehmer oder seine Erben Immobilien verkaufen. Da diese aber zu längst überholten Werten in den Bilanzen stehen, müsste der Buchgewinn des höheren Verkaufspreises zunächst noch versteuert werden – mit fast 50 Prozent Einkommenssteuer, Soli und Reichensteuer.

Überhaupt müssten viele Unternehmer die Erbschaftssteuer aus der Substanz zahlen. Schließlich haben viele ihre Gewinne stets wieder ins Unternehmen investiert, das eigene Privathaus ist nicht fürstlich, es gibt weder Yacht noch Jagd, und hohe Barvermögen existieren ebenfalls nicht. Woher soll dann die Familie überhaupt das Geld nehmen, um die Steuer zu bezahlen? Auch Betriebsräte von Unternehmen, die vererbt werden sollen, befürchten deshalb, dass die Erbschaftssteuer folglich zulasten von Investitionen geht. Ein Nachteil, den ausländische Konkurrenten nicht haben, besonders wenn sie aus Ländern wie Österreich, der Schweiz oder Schweden kommen, wo es keine Erbschaftssteuer gibt.

Deutschlands Politiker halten dagegen stur an der "Todessteuer" fest, obwohl sie sonst gern die Rolle des Mittelstandes preisen. Immerhin hatte schon der legendäre Wirtschaftsminister Ludwig Erhard vom "Rückgrat der sozialen Marktwirtschaft" gesprochen. Und auch heute zeigt sich, dass der jüngste Beschäftigungsaufbau allein den vielen kleinen und mittleren Familienbetrieben zu verdanken ist, während zahlreiche Konzerne Arbeitsplätze streichen.

Mit dem betriebswirtschaftlichen, volkswirtschaftlichen und gesellschaftlichen Selbstverständnis von Familienunternehmern verträgt sich die Erbschaftssteuer nicht, schimpfen viele Unternehmen. Sie sehen Pläne wie die Reform des Erbschaftssteuerrechts als staatlichen Akt des Undanks gegenüber Aufbauleistungen und Anstrengungen, die dem Gemeinwohl in Form von Arbeitsplätzen, Steuern und Sozialabgaben zugute kommen.

Es scheint, als gebe es Parallelwelten in Deutschland, als hätten Mittelständler und Politiker kaum etwas gemein. Auf der einen Seite befinden sich Familienunternehmer, die lebenslang und in Generationen denken, planen und handeln. Auf der anderen Seite stehen Parteifunktionäre, die bestenfalls über vier Jahre bis zur nächsten Wahl agieren. So erklärt sich zumindest teilweise das politische Unverständnis für die Sorgen und Nöte der Familienunternehmer in Sachen Erbschaftssteuer. Hinzu kommt linke Ideologie. Jetzt, da die PDS-Nachfolgepartei "Die Linke" erfolgreich auf Stimmenfang geht, verstärken die Volksparteien SPD und auch CDU und CSU ihren verteilungspolitischen Kurs. Auf der Strecke bleibt wieder ein Stück marktwirtschaftlicher Heimat für die Unternehmer.

Der Schaden, den die Politiker mit der Erbschaftssteuerreform anrichten, ist immens. Und dabei ist schon jetzt klar, dass dieses Gesetz wieder beim Bundesverfassungsgericht landen wird. Vorausschauende Politik zum Wohle des Landes sieht anders aus.

Externer Kontakt: Dr. Christian Ramthun ist Stv. Leiter der Hauptstadtredaktion des Magazins "WirtschaftsWoche" (Christian.Ramthun@wiwo.de)
 

WiM – Wirtschaft in Mittelfranken, Ausgabe 04|2008, Seite 14

 
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