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Vive la patience!

Deutsche und Franzosen sind zwar Nachbarn und pflegen eine enge Freundschaft, und doch gibt es deutliche kulturelle Unterschiede. Geschäfte erfordern Zeit und Geduld. Von Alexandra Seidel-Lauer

Das Rollenverständnis des französischen Chefs ist oft viel zentraler und hierarchischer als in deutschen Firmen. Anders als in Deutschland oder den Niederlanden, wo Teamarbeit immer größer geschrieben wird, wird in Frankreich erwartet, dass der Chef seine Autorität einsetzt, Problemlösungen vorgibt und Entscheidungen trifft. Man delegiert Macht und gibt Ziele vor, während die Deutschen es gewohnt sind, Verantwortung und Aufgaben zu delegieren. Autorität und Führungsanspruch leitet sich in Frankreich weniger aus der Fachkompetenz, sondern aus der Position, der Persönlichkeit und sehr stark auch aus der Stellung der besuchten Hochschule ab. Markenzeichen fast aller Topmanager der französischen Großunternehmen ist ein Diplom von den Grandes Ecoles. Die Absolventen dieser französischen Elitehochschulen haben ein ausgeprägtes Statusbewusstsein und gehören einem Netzwerk an, das im wirtschaftlichen und politischen Leben Frankreichs Schlüsselpositionen einnimmt. Dahingegen findet man in Frankreich kaum den Doktortitel als klassischen Karrierekatalysator wie in Deutschland. Selten kommt es auch vor, dass erfolgreiche Manager sich "von unten" hochgearbeitet haben oder etwa über den zweiten Bildungsweg sich ihr Rüstzeug angeeignet haben.

Die Bedeutung der Sprache
In Paris trifft man wie in allen Metropolen der Welt selbstverständlich Franzosen, die hervorragendes Englisch sprechen. Auch Deutsch wird übrigens oft gesprochen – galt es doch lange als Elitesprache. Dennoch legen die Franzosen sehr viel Wert auf die eigene Sprache. Wer also verhandlungssicher in Französisch ist, kann damit punkten.

Persönliche Kontakte und Freundschaften sind überall in der Geschäftswelt von Vorteil, in Frankreich aber unabdingbar. Eine Empfehlung kann jegliche Türen öffnen. Generell läuft ohne den emotionalen Kontakt in Frankreich gar nichts. Die Deutschen neigen dazu, privates und die persönliche Ebene im Geschäftsgespräch auszuklammern. In Frankreich sollte man dagegen etwas mehr Zeit für die Geschäftsanbahnung einplanen. Ein lockeres Gespräch ohne vermeintlich geschäftlichen Inhalt schafft vielleicht genau den Durchbruch für ein beabsichtigtes Geschäft.

Worüber Franzosen gerne sprechen
Begrüßen Sie französische Geschäftspartner herzlich, aber kurz, nicht mit zu festem Händedruck. Der Wangenkuss zwischen Frauen und Männer ist privat geläufig, sollten bei Geschäftsterminen aber vermieden werden. Bei Gesprächen empfiehlt es sich auch nach privaten Gemeinsamkeiten zu suchen, z. B. Hobbies, Kultur, Geschichte, Reisen etc. Mit Franzosen gilt es zuerst eine emotionale Akzeptanz aufzubauen, erst dann können Sachthemen produktiv angesprochen werden. Zurückhaltung ist bei politischen Diskussionen angesagt, zu bevorzugen sind kulturelle Themen wie Kunst, Musik oder Literatur. Einen hohen Stellenwert hat in Frankreich die Familie. Daher ist es auch üblich, sich im Gespräch nach den Kindern und dem Lebenspartner zu erkundigen. Auch mit kulinarischen Themen liegt man immer richtig.

Mitverantwortlich für häufige Friktionen zwischen Deutschen und Franzosen im Geschäftsleben sind wesentliche Unterschiede in der Kommunikation. Deutsche sagen generell direkt heraus, was sie denken, und geben es bei Bedarf auch schriftlich. Expliziertes Kommunizieren und schriftliches Festhalten sind Eckpfeiler deutschen Effizienzdenkens. In Frankreich eckt man mit diesem Verhalten eher an. Franzosen reden gern um den heißen Brei, ertasten ein Thema in Zirkeln, erfassen die gesamte Dimension eines Sachverhalts, was Deutsche schnell als Abschweifen abqualifizieren. Franzosen bevorzugen die mündliche Informationsübertragung und haben eine Abneigung gegen übertriebenen schriftlichen Austausch.

In Frankreich herrscht eine gänzlich andere Besprechungskultur als in Deutschland. Während Deutsche sich auf eine Besprechung gut vorbereiten, eine Tagesordnung ausarbeiten und Entscheidungen treffen möchten, treffen sich Franzosen eher zu einem Gedankenaustausch. Tagesordnungen werden verändert oder ignoriert, Zeitplanungen bei Meetings über Bord geworfen. Entscheidungen werden kaum getroffen. Der eigentliche Teil einer Besprechung findet in Frankreich meist vorher oder nachher statt. Zudem sollte man darauf vorbereitet sein, dass Entscheidungen revidiert und Situationen geändert werden können. In Deutschland wird ein Geschäft mit einem Geschäftsessen besiegelt, in Frankreich beginnt es damit. Franzosen verbinden gerne das Angenehme mit dem Wichtigen. Franzosen lassen sich bis zu zwei Stunden für das Mittagessen Zeit, das sollte man einkalkulieren.

Oberstes Gebot für Deutsche: Mehr Zeit einplanen bei Besprechungen und Geschäftsessen und Verspätungen einkalkulieren. Sind Pünktlichkeit und genaue Zeiteinteilung sehr wichtig für Deutsche und zeugen von Respekt und Achtung, so spielt dies in Frankreich eine untergeordnete Rolle. Verspätungen sollten hingenommen werden und sind kein Zeichen für Unzuverlässigkeit, mangelndes Organisationstalent oder fehlende Vertrauenswürdigkeit. Umgekehrt wird allerdings erwartet, dass der Deutsche pünktlich ist!

Allgemein gilt, Höflichkeit, Etikette und Stil haben in Frankreich einen höheren Stellenwert als in Deutschland. Für Geschäftstermine ist korrekte Kleidung obligatorisch und zeugt von Respekt. Krawatte ist Pflicht, auch in der IT-Welt.

Externer Kontakt: Alexandra Seidel-Lauer ist Leiterin der Kommunikationsabteilung der Deutsch-Französischen IHK in Paris (aseidel@francoallemand.com).
 

WiM – Wirtschaft in Mittelfranken, Ausgabe 06|2008, Seite 12

 
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