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Ohne Einschränkungen

Hindernisse müssen beim Planen und Bauen von vorneherein vermieden werden, damit ältere und behinderte Menschen mobil bleiben. Doch nicht nur sie profitieren. Von Klaus Thiemann

Der Zahl der älteren Menschen nimmt stetig zu, im Jahr 2030 wird die Hälfte der deutschen Bevölkerung über 65 Jahre alt sein. Schon aufgrund der demografischen Entwicklung ist barrierefreies Bauen eine wichtige Herausforderung, Hindernisse müssen vermieden oder abgebaut sowie die baulichen Anforderungen darauf abgestimmt werden. Gebäude sollen für alle Menschen gleichermaßen zugänglich und nutzbar sein.

Gesetzliche Grundlage und damit Planungsvorgabe ist in Bayern das "Bayerische Gesetz zur Gleichstellung, Integration und Teilhabe von Menschen mit Behinderung" (BayBGG), das seit 9. Juli 2003 in Kraft ist. Dieses bayerische Gesetz folgt dem "Behindertengleichstellungsgesetz" auf Bundesebene und ist inhaltlich weitgehend gleich. "Ziel dieses Gesetzes ist es, das Leben und die Kraft von Menschen mit Behinderungen zu schützen, ihre Benachteiligung zu beseitigen und zu verhindern, sowie die gleichberechtigte Teilhabe von Menschen mit Behinderungen am Leben in der Gesellschaft zu gewährleisten", heißt es in Art. 1 Abs.3 des BayBGG.

Demnach müssen Neubauten sowie größere Um- und Erweiterungsbauten der Behörden, Gerichte und sonstigen öffentlichen Einrichtungen barrierefrei gestaltet werden. Dieser gesetzliche Auftrag an öffentliche Gebäude sollte darüber hinaus stets Planungsgrundsatz auch für sonstige Gebäude, Plätze, Verkehrsmittel, Spielplätze, Sport- und Freizeitanlagen sein. Im Hinblick auf die zukünftige Bevölkerungsstruktur mit vorwiegend älteren Menschen, aber auch im Interesse behinderter Menschen aller Altersgruppen und kleiner Kinder gilt barrierefreies Bauen als zukunftsweisend.

Mobilität nicht nur für Rollstuhlfahrer
Die derzeit gültigen Vorschriften, die DIN 18 024 und DIN 18 025, geben die Planungsgrundlagen für barrierefreies Bauen vor. Diese technischen Regelwerke berücksichtigen vorwiegend bauliche Vorgaben für Menschen, die wegen ihrer Behinderungen auf den Rollstuhl angewiesen sind. Es gibt aber viele weitere Einschränkungen, die beim Planen und Bauen jeweils eigene Anforderungen stellen. Blindheit, starke Sehbehinderung, Gehörlosigkeit, motorische Probleme, kognitive Einschränkungen oder Handicaps von geistig Behinderten sind einige Beispiele. Wir müssen dafür Sorge tragen, dass eine Integration dieser Menschen in das ganz "normale Leben" stattfindet.

Die Maßnahmen, die man für bestimmte Gruppen von Menschen mit Behinderungen beim Bauen realisiert, kommen aber nicht nur diesen zugute. Angestrebt werden sollten deshalb Lösungen, die für möglichst viele Menschen nützlich sind. So sind beispielsweise die Absenkungen der Gehwege an Kreuzungen für einen Rollstuhlfahrer von elementarer Bedeutung, um seine Mobilität zu sichern. Gleichzeitig wird diese Absenkung gerne auch von Nichtbehinderten mit Einkaufs- und Kofferrolli, Kinderwagen, Skateboard etc. genutzt. In Personenaufzügen werden die Bedienfelder mit großen Ziffern und Tasten sowie mit akustischen Hinweisen, die eigentlich für Rollstuhlfahrer entwickelt wurden, auch von Nichtbehinderten gerne angenommen. Beschilderungen mit großer Schrift und klaren Kontrasten, die ursprünglich für Menschen mit Behinderungen konzipiert wurden, lassen sich von allen Menschen besser erkennen, lesen und begreifen.

Grundsätzlich sollte gelten: Die eigenen vier Wände können individuell an eine bestimmte Art von Handicap angepasst werden. Aber überall dort, wo die konkreten Nutzer nicht bekannt sind, sollte die Barrierefreiheit nicht auf bestimmte Personengruppen ausgerichtet werden. Dies gilt besonders für alle Eingangsbereiche, für die Überwindung von Stockwerken und für die Zugänglichkeit zu allen Räumen in öffentlichen Gebäuden, Arbeitsstätten und Wohnbauten. Demnach sind Mindeststandards festzulegen, die ausgewogen den Interessen Behinderter und Nichtbehinderter gerecht werden. Beim betreuten Wohnen und bei altengerechten Mehrfamilienwohnungen hat sich der Markt bereits in diese Richtung orientiert. Die demografische Entwicklung wird dafür sorgen, dass die Barrierefreiheit auch bei allen anderen Bauvorhaben zu einem zentralen Planungsziel wird.

Externer Kontakt: Klaus Thiemann, Architekturbüro Klaus A. Thiemann in Hersbruck, ist Sachverständiger für barrierefreies Planen und Bauen (office@nicehouses.de).
 

WiM – Wirtschaft in Mittelfranken, Ausgabe 09|2008, Seite 36

 
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