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Antidiskriminierung

Was plant Brüssel?

Die EU denkt bereits über eine Ausweitung der Richtlinien nach. Die Unternehmen hatten jedoch kaum Zeit, sich auf die schon geltenden Regelungen einzustellen. Von Hildegard Reppelmund

Allein in den letzten acht Jahren wurden vier EU-Richtlinien zur Antidiskriminierung erlassen: die Antirassismus-Richtlinie, die Rahmenrichtlinie zur Beschäftigung und die Gleichberechtigungs-Richtlinie sowie die Antidiskriminierungs-Richtlinie. Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG), mit dem diese Richtlinien in deutsches Recht umgesetzt wurden, ist noch keine zwei Jahre in Kraft.

Noch bevor sich die Unternehmen richtig darauf einstellen und Erfahrungen mit dem neuen Gesetz ausgewertet werden konnten, überlegt die EU schon wieder, die bisherigen Antidiskriminierungsrichtlinien auszudehnen. Künftig soll das Benachteiligungsverbot für sämtliche Diskriminierungsmerkmale (Behinderung, sexuelle Identität, Religion/Weltanschauung, Alter, Geschlecht, Rasse/ethnische Herkunft) auch für das gesamte Zivilrecht (z.B. Kauf-, Werk-, Dienstleistungsverträge) sowie bei sozialen Diensten und Gesundheitsdienstleistungen gelten.

Im deutschen AGG ist ohnehin der Schutz aller Diskriminierungsmerkmale bereits jetzt festgeschrieben – auch für das Zivilrecht. Gerade mit diesem Teil des AGG gibt es noch wenige Erfahrungen und bisher keine Urteile, da es erst kurz in Kraft ist. Dennoch erscheint gerade in diesem Bereich der Eingriff in die Vertragsfreiheit besonders gravierend. Eine nochmalige Verschärfung der europäischen Richtlinien könnte zu folgenden Problemen führen:

Versicherungen dürften beispielsweise künftig keine differenzierte Risikoanalyse nach Gesundheitszustand, Alter oder Geschlecht mehr vornehmen. Die Konsequenz wären höhere Prämien für Versicherungsnehmer. Ob die in Deutschland geregelten Rechtfertigungsgründe (Beschränkung auf Massengeschäfte, Risikobewertung auf versicherungsmathematischer und statistisch nachgewiesener Grundlage) bei einer neuen EU-Richtlinie Bestand haben, ist nicht sicher. Müsste die Wohnungswirtschaft künftig dafür sorgen, dass sie den gesamten Wohnungsbestand barrierefrei gestaltet? Müssen alle Bäckereien, Kneipen, Einzelhandelsläden barrierefrei sein? Was ist mit einer Preisauszeichnung von Ware in Blindenschrift? Darüber hinaus hat das Europaparlament Regelungsabsichten in Bereichen geäußert, die gar nicht im Zuständigkeitsbereich der EU liegen – z.B. beim Sozialschutz und den Gesundheitsdienstleistungen.

Die deutsche Wirtschaft spricht sich ohne Einschränkung gegen jede Form der Diskriminierung aus. Die Lebenswirklichkeit sowohl in Deutschland als auch in den anderen Mitgliedstaaten der Europäischen Union zeigt, dass unsere Gesellschaft keine Diskriminierung duldet und gegen die wenigen Diskriminierungsfälle auf Grundlage ausreichender nationaler Regelungen entschieden vorgeht. Wir wollen und können nicht hinnehmen, dass diese gesellschaftliche Realität in der öffentlichen Wahrnehmung durch eine ausufernde europäische Antidiskriminierungsgesetzgebung in zunehmendem Maße verzerrt wird.

Forderung der IHK-Organisation
Der Deutsche Industrie- und Handelskammertag (DIHK) lehnt eine weitere Verschärfung der EU-Antidiskriminierungsrichtlinien ab. Die Ausweitung der Diskriminierungsmerkmale auf weitere Rechtsbereiche wie Zivilrecht, Baurecht, Sozialrecht, Gesundheit usw. geht eindeutig zu weit. Es besteht hier weder ein Handlungsbedarf, noch ist bislang überhaupt eine Folgenabschätzung der jetzigen Regelung für Mittelstand und Handwerk durchgeführt worden. Schon jetzt sind die finanziellen und bürokratischen Belastungen der Wirtschaft aber unübersehbar. Das Europäische Parlament und die EU-Kommission sollten die Regulierung nicht überziehen.

IHK-Rechtsexperten weisen darauf hin, dass das seit zwei Jahren geltende AGG die deutschen Unternehmen sehr wohl mit erheblichen Kosten belastet: Die von der Antidiskriminierungsstelle jetzt genannten Kosten von lediglich 26 Mio. Euro basieren nicht auf eigenen empirischen Erhebungen, sondern auf einer Ferndiagnose der Studie der Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft (INSM) in Zusammenarbeit mit der Universität Dortmund. Diese Studie hatte im Sommer 2007 die vom AGG verur--sachten Bürokratie- und Dokumentationskosten mit 1,73 Mrd. Euro beziffert – eine Zahl, die weitaus realistischer ist.

Externer Kontakt: Rechtsanwältin Hildegard Reppelmund, Deutscher Industrie- und Handelskammertag (DIHK), Berlin, (reppelmund.hildegard@dihk.de).
 

WiM – Wirtschaft in Mittelfranken, Ausgabe 02|2009, Seite 28

 
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