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Umweltzone

Viel Bürokratie, wenig Nutzen

In Umweltzonen geht der Schadstoffausstoß nur geringfügig zurück. Es gibt bessere Wege, um die Umweltbelastung zu verringern, so eine aktuelle Studie von Ohm-Hochschule und IHK. Von Ralf Bogdanski und Ulrich Schaller

Bereits seit 2005 wird im Nürnberger Stadtrat diskutiert, wie der Luftreinhalteplan für den Großraum Nürnberg umgesetzt werden kann. Im Oktober 2006 wurde zunächst die Einführung einer Umweltzone mit gestaffelten Fahrverboten innerhalb des sogenannten "Mittleren Rings" als eine der Maßnahmen beschlossen. Da Messwerte für Feinstaub und Stickstoffdioxid seit 2005 jedoch innerhalb der zulässigen Toleranzen liegen, wurde die Einführung der Umweltzone in Nürnberg mehrfach ausgesetzt, zuletzt mit Beschluss des Nürnberger Stadtrats vom 3. Dezember 2008 auch für das Jahr 2009.

Bei einer Expertenanhörung am 22. Oktober 2008 wurde deutlich, dass die bislang diskutierte Umweltzone sowohl vom Umfang als auch vom erwarteten Effekt her als wenig wirksam anzusehen ist. Deshalb wird nach geeigneten Alternativen gesucht. Darüber hinaus wurde das Umweltreferat jedoch beauftragt, eine Neukonzeption für eine veränderte Umweltzone zu prüfen, die gegebenenfalls sogar den gesamten Ballungsraum berücksichtigt. Die Stadt Nürnberg hat bisher Augenmaß bewiesen und sich nicht in die Reihe der derzeit 32 bestehenden und neun konkret geplanten Umweltzonen in Deutschland eingereiht.

Das darf aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass sich der Handlungsdruck bei unveränderter Immissionslage stark erhöhen wird. Denn ab 1. Januar 2010 gelten verschärfte Grenzwerte für Stickstoffdioxid nach der 22. Verordnung zur Durchführung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes (BimSchV).

Ergebnisse einer Umfrage
Um die Kommunalpolitik bei der weiteren Lösungsfindung zu unterstützen, führte die IHK Nürnberg für Mittelfranken gemeinsam mit der Georg-Simon-Ohm-Hochschule Nürnberg im Dezember 2008 eine repräsentative Umfrage zur Betroffenheit der lokalen Wirtschaft sowie zu Alternativen zur Umweltzone durch. Befragt wurden Transport- und Speditionsunternehmen ab sieben Mitarbeitern im gesamten Stadtgebiet von Nürnberg und Fürth, verladende Unternehmen im Innenbereich der Umweltzone ab 20 Mitarbeiter sowie Einzelhandelsunternehmen und Autohäuser im Innenbereich der Umweltzone ab zehn Beschäftigen. Von insgesamt 539 ausgewählten Unternehmen haben 217 Unternehmen geantwortet.

Beinahe die Hälfte der Unternehmen (46 Prozent) erwartet spürbare bis sehr starke Beeinträchtigungen durch die Umweltzone, wobei nur etwa 50 Prozent der Befragten einen eigenen Fuhrpark betreiben. Die Fuhrparkbetreiber wiederum gaben an, im Zeitraum 2005 bis 2008 durchschnittlich 60 Prozent der Fahrzeuge ausgetauscht zu haben bzw. im Jahr 2009 den Austausch von 25 Prozent der Fahrzeuge zu planen. Maximal zehn Prozent des Fahrzeugbestandes verfügt über keine Feinstaubplakette bzw. nur die rote Plakette. Damit überbieten die Befragten den bundesweiten Trend, dass zwei Drittel der Lkw-Gesamtfahrleistung in Deutschland nach der seit 1. Oktober 2000 für Lkw verbindlichen Abgasnorm Euro 3 oder besser erbracht werden (Angaben des Kraftfahrtbundesamtes).

Geht man davon aus, dass die Befragten ohne eigenen Fuhrpark Transportdienstleister beauftragen, die über genügend umweltzonentaugliche Fahrzeuge verfügen, dürften die Effekte einer Umweltzone äußerst gering werden. Die Befragten zeigten sich eher dadurch betroffen, dass ihr Standort aus Sicht der Kunden an Attraktivität verlieren könnte und dass sich die Transportkosten wegen der erwarteten Gebühren oder erforderlicher Investitionen erhöhen.

Alternativen zur Umweltzone
Entsprechend hoch ist die Bereitschaft von ca. 45 Prozent der Befragten, nach logistischen Alternativen zu suchen. Insbesondere folgende Maßnahmen werden als geeignet angesehen:

1) Bündelung von Frachten / Tourenoptimierung / Konzepte der City-Logistik

2) Förderung und Einsatz schadstoffarmer Transporttechnologien

3) Ausbau der Infrastruktur, um Staus zu vermeiden.

Bislang wurde in keiner der 32 bestehenden Umweltzonen in Deutschland der Nachweis erbracht, dass der Umweltschutz davon profitiert. Vom wissenschaftlichen Standpunkt aus gesehen sind demgegenüber die Bündelung von Frachten, die Tourenoptimierung und eine intelligente Logistik in den Innenstädten weitaus wirksamer, um die Zahl der Transporte zu senken und damit die Umwelt zu schonen. Optimal wäre es, diese Maßnahmen mit den Handlungsalternativen 2 und 3 zu kombinieren.

Zur Vertiefung der Umfrage dienten branchenspezifische Interviews mit ausgewählten Unternehmern. Daraus ergaben sich interessante Ansätze: Unternehmen der Getränkewirtschaft zeigten beispielsweise Interesse daran, firmenübergreifend ein Güterverteilkonzept anzugehen, das sich an ähnliche Lösungen in der Automobilindustrie anlehnt. Es bedarf dafür allerdings der Unterstützung der Stadt Nürnberg. Auch die Kurier-, Express- und Paketdienstleister zeigten sich interessiert daran, bei dem letzten Teil der Zustellung ("letzte Meile") neue Wege zu gehen.

Die Unternehmen teilen die Auffassung, dass solche Alternativen auch der Umwelt mehr bringen als eine Umweltzone. In die gleiche Kerbe schlägt der Deutsche Industrie- und Handelskammertag (DIHK) bei seinem im Februar 2009 durchgeführten "3. Umweltzonencheck" in 60 Mittel- und Großstädten Deutschlands: Ein Fleckenteppich an Regelungen und Ausnahmen führe für die Unternehmen zu teilweise hohen Kosten, ohne dass die Wirksamkeit der Umweltzonen belegt sei. Die Städte sollten ähnlich wie Braunschweig oder Aachen verstärkt auf Alternativen setzen. So würde nicht nur der bürokratische Aufwand einer Umweltzone, sondern auch der Missmut bei den Autofahrern und die abschreckende Wirkung auf auswärtige Gäste vermieden. Unter dem Strich bringen die freiwilligen Vereinbarungen allen einen Mehrwert: Den Bürgern, der Wirtschaft, der Stadtverwaltung und der Umwelt.

Externer Kontakt: Prof. Dr. Ralf Bogdanski ist Professor für Logistik und Umweltmanagement an der Georg-Simon-Ohm-Hochschule Nürnberg (ralf.bogdanski@ohm-hochschule.de); Ulrich Schaller ist Verkehrsreferent der IHK (schaller@nuernberg.ihk.de)
 

WiM – Wirtschaft in Mittelfranken, Ausgabe 04|2009, Seite 32

 
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