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Neues Bilanzrecht

Die Geschäftszahlen im Griff

Illu_WiM_0609 © Illustration: Petra Herberger

Die jahrelange Diskussion ist beendet: Das Bilanzrechtsmodernisierungsgesetz (BilMoG) tritt in Kraft. Aufgrund der vielen Übergangsvorschriften werden manche erst für spätere Geschäftsjahre verbindlich. Auf die Unternehmen kommen ? trotz einiger Vorteile ? größere Umstellungsarbeiten zu. Von Annika Böhm und Jens Gewinnus (DIHK). Illustration: Petra Herberger

Selten lagen die Interessen von großen und kleinen Unternehmen so weit auseinander. Viele der kleinen und mittleren Unternehmen wollen an der Bilanzierung nach Handelsgesetzbuch (HGB) festhalten und möglichst eine Einheitsbilanz erstellen. Aber: Auch das BilMoG wird zu einem weiteren Auseinanderfallen von Handels- und Steuerbilanz führen. Auf der anderen Seite fordern die Unternehmen, die bereits heute schon eine Bilanz nach den Internationalen Rechnungslegungsstandards (IFRS) erstellen, eine möglichst große Annäherung des HGB an diese. Denn jede Annäherung reduziert den Aufwand für die doppelte Bilanzierung nach HGB und IFRS.

Die wichtigsten Änderungen
Erleichterungen für kleine Unternehmen: Einzelkaufleute, die an zwei hintereinander liegenden Abschlussstichtagen nicht mehr als 500 000 Euro Umsatzerlöse und 50 000 Euro Jahresüberschuss haben, werden von der Bilanzierungspflicht befreit. Bei Neugründung gilt dies, wenn am ersten Abschlussstichtag die Werte nicht überschritten werden. Die steuerliche Buchführungspflichtgrenze – mit den gleichen Beträgen – stellt allerdings auf den steuerlichen Gewinn ab und beginnt erst nach Aufforderung durch die Finanzbehörde.

Anhebung der Schwellenwerte: Die Schwellenwerte für die Größenklassen werden angehoben – mit entsprechenden Auswirkungen auf den Bilanzierungsumfang; sie gelten für Geschäftsjahre, die nach dem 31. Dezember 2007 begonnen haben.
Kleine Kapitalgesellschaften, wenn zwei der folgenden Merkmale nicht überschritten werden: Bilanzsumme 4,84 Mio. Euro, Umsatzerlöse 9,68 Mio. Euro, 50 Arbeitnehmer im Jahresdurchschnitt.
Mittelgroße Kapitalgesellschaften, wenn zwei der folgenden Merkmale nicht überschritten werden: Bilanzsumme 19,25 Mio. Euro, Umsatzerlöse 38,5 Mio. Euro, 250 Arbeitnehmer im Jahresdurchschnitt.

Möglichkeit zur Aktivierung der Entwicklungskosten bei immateriellen Vermögensgegenständen: Von dem Aktivierungswahlrecht sind Marken, Drucktitel, Verlagsrechte, Kundenlisten oder vergleichbare immaterielle Vermögensgegenstände, die nicht entgeltlich erworben wurden, ausgeschlossen. Aktivierbar sind nur Entwicklungskosten, die nach dem 31. Dezember 2009 entstehen: Der Aufwand, der in der Forschungsphase anfällt, ist nicht aktivierbar. Betreffend Aktivierungsmöglichkeit, Anhangangaben und Ausschüttung bestehen Sonderregelungen. Steuerlich bleibt es beim Aktivierungsverbot.

Wahlrecht bei aktiven latenten Steuern: Die Unternehmen können entscheiden, ob sie die künftige steuerliche Entlastung, d.h. die Differenz zwischen handels- und steuerlichen Ansätzen aktivieren. Der Wermutstropfen: Es wird das "temporary-concept", die auf jedes einzelne Wirtschaftsgut bezogene Betrachtung, eingeführt. Zudem besteht das Wahlrecht, eine sich ergebende Steuerent- und eine Steuerbelastung unverrechnet anzusetzen. Steuerliche Verlustvorträge (z.B. auch Zinsvorträge) sind bei der Berechnung aktiver latenter Steuern zu berücksichtigen. Die neuen Regelungen gelten nach dem 31. Dezember 2009.

Klarheit bei wirtschaftlicher Zurechnung: Ab 2010 kann ein Vermögensgegenstand, der wirtschaftlich nicht dem Eigentümer, sondern jemandem anderen zuzurechnen ist, auch bei diesem ausgewiesen werden. Der leider unterschiedliche Wortlaut zum Steuerrecht soll jedoch dem Gesetzgeber zufolge nicht zu einer unterschiedlichen Handhabung führen.

Abzinspflicht für Rückstellungen: Rückstellungen müssen ab Geschäftsjahren, die nach dem 31. Dezember 2009 beginnen, abgezinst werden. Sie sind grundsätzlich mit dem Erfüllungsbetrag unter Berücksichtigung erwarteter Preis- und Kostensteigerungen zu bewerten. Ist die Restlaufzeit der Rückstellungen mehr als ein Jahr, gilt der durchschnittliche Marktzinssatz der vergangenen sieben Jahre entsprechend ihrer Laufzeit. Für laufende Altersversorgeverpflichtungen oder vergleichbare langfristige Verbindlichkeiten kann optional mit dem durchschnittlichen Marktzinssatz, bei einer angenommenen Restlaufzeit von 15 Jahren, pauschal abgezinst werden. Die Zuführungen bei den Altersversorgeverpflichtungen müssen bis zum Jahr 2024 erfolgt sein. Trotz der Abzinsungspflicht bleibt bei der Bewertung von Rückstellungen ein erheblicher Unterschied zwischen der handels- und der steuerrechtlichen Bilanzierung, da die steuerlichen Abzinsungssätze starr (5,5 bzw. 6 Prozent) festgelegt und die handelsrechtlichen flexibel sind. Zudem untersagt das Steuerrecht auch die Berücksichtigung von Preis- und Kostensteigerungen.

Zeitwertbewertung von Finanzinstrumenten im Handelsbestand: Die umstrittene Zeitwertbewertung wird nun nur für Kreditinstitute und Finanzdienstleistungsunternehmen zur Pflicht. Diese haben bei Finanzinstrumenten des Handelsbestands den fair value unter Berücksichtigung eines Risikoabschlags in ihre Bilanz aufzunehmen; hieraus resultierende Gewinne sind zu versteuern.

Streichung von bisherigen Wahlrechten: Für Aufwandsrückstellungen gilt ein Passivierungsverbot. Folgende Wahlrechte entfallen: Aktivierung von Ingangsetzungs- und Erweiterungsaufwendungen, Bildung von Rückstellungen für unterlassene Instandhaltung, die mehr als drei Monate nach Geschäftsjahresende nachgeholt werden, Abschreibungen im Rahmen vernünftiger kaufmännischer Beurteilung.

Mehr Anhangangaben – je nach Größe: So müssen z.B. nicht in der Bilanz erscheinende Geschäfte erläutert werden, soweit dies für die Beurteilung der Finanzlage notwendig ist, oder Geschäfte mit nahestehenden Personen zu nicht marktüblichen Bedingungen im Anhang aufgeführt werden.

Einbeziehung von Zweckgesellschaften: Diese werden in die Konzernrechnungslegung einbezogen, wenn die Muttergesellschaft bei wirtschaftlicher Betrachtung die Mehrheit der Risiken und Chancen trägt. Die Regelung lässt wegen ihrer ungenauen Ausgestaltung noch Fragen offen.

Gesellschaftsrechtliche Änderungen: Börsennotierte Unternehmen müssen z.B. künftig eine Erklärung zur Unternehmensführung und Informationen über das interne Kontrollsystem und interne Risikomanagement in Bezug auf den Rechnungslegungsprozess im Lagebericht abgeben. Dies gilt bereits für Geschäftsjahre ab dem 31. Dezember 2008. Kapitalmarktorientierte Gesellschaften müssen zudem ab 1. Januar 2010 einen Prüfungsausschuss einrichten.

Aufhebung der steuerlichen Umkehrmaßgeblichkeit: Die Pflicht, steuerliche Bewertungswahlrechte (z.B. Sonderabschreibungen) nur in Übereinstimmung mit der Handelsbilanz auszuüben, wurde aufgehoben. Zukünftig muss ein gesondertes Verzeichnis geführt werden, in das das betreffende Wirtschaftsgut mit Anschaffungskosten, Sonderabschreibungen und steuerlicher Norm, nach der die Sonderabschreibungen zugelassen sind, verzeichnet werden.

Auch wenn es bei den einzelnen Regelungen unterschiedliche Meinungen gibt: Im Ergebnis konnten auch aufgrund der Anregungen der IHK-Organisation die Belastungen gerade für kleine und mittlere Unternehmen reduziert werden. Dennoch kommt auf die Unternehmen Arbeit zu.

 

WiM – Wirtschaft in Mittelfranken, Ausgabe 06|2009, Seite 22

 
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