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Produkthaftung

Teure Fehlerbehebung

Wenn Hersteller Produkte zurückrufen müssen, weil Personenschäden drohen, steht oft die Existenz des Betriebes auf dem Spiel. Doch man kann sich absichern. Von Rudolf Meier

Wenn ein Hersteller davon Kenntnis bekommt, dass eines seiner Produkte zu Verletzungen führen kann, sind schnelle Entscheidungen und konkrete Maßnahmen vonnöten, um die Verbraucher zu schützen. Denn während bei drohenden Sachschäden eine Warnung ausreichen kann, bleibt bei möglichen Gefahren für Leib und Leben als Ultima Ratio der Rückruf, d.h. es muss die Gefahr für die Verbraucher beseitigt werden, was oftmals zu einer kostenlosen Rücksendung der gefährlichen Produkte und zum Austausch gegen fehlerfreie Ware führt. Wie der Bundesgerichtshof (BGH) vor Kurzem entschieden hat, führt aber nicht jeder Mangel automatisch zu einem für den Käufer kostenlosen Rückruf. Denn den Richtern zufolge macht es einen Unterschied, ob die Ware an gewerbliche Abnehmer geliefert wurde, die mit Gefahren professionell umgehen können, oder ob die Produkte an Endverbraucher verkauft wurden, für deren Schutz höhere Anforderungen gelten.

Um sich gegen die existenzbedrohenden Risiken aus einem Rückruf abzusichern, kann man eine Rückrufkosten-Versicherung abschließen. Diese wird oft von Zulieferern genutzt, die sich gegen die Ansprüche von Endherstellern schützen wollen. Von Kfz-Rückrufen abgesehen, können sich auch Endhersteller gegen die Kosten eigener Rückrufaktionen versichern. Um die angemessene Deckungssumme zu ermitteln, ist eine genaue Analyse nötig: Denn geprüft werden muss, wie groß die gelieferten Chargen sind und wie hoch die konstruktive Verantwortung des Zulieferers ist. Handelt es sich um grundlegende Konstruktionsmängel, dann kann man davon ausgehen, dass es im Schadensfall um große Stückzahlen geht. Die Deckungssumme für diese Art von Schäden wird also entsprechend hoch angesetzt werden. Geprüft wird auch, welches Gefahrenpotenzial von einem Produkt ausgeht bzw. welche Rolle ein Bauteil für die Sicherheit des gesamten Produktes spielt. Bei der umfassenden Risikoanalyse und bei der Ermittlung der Versicherungsprämien wird auch das Qualitätsmanagement des Versicherungsnehmers durchleuchtet.

Häufig werden dem Zulieferer in Lieferverträgen höhere Haftungsanforderungen aufgebürdet. Der Abnehmer verlangt z.B. einen Verzicht auf die handelsrechtliche Wareneingangskontrolle oder er fordert eine Verlängerung der gesetzlichen Gewährleistungsfrist, teilweise werden auch pauschalierte Kostensätze für eventuell anfallende Aus- und Einbaumaßnahmen vereinbart. Für die Produkthaftung hat dies Folgen: Denn all diese Regelungen fallen nicht unter den Versicherungsschutz, da hier nur gesetzlich begründete Haftpflichtansprüche abgedeckt werden. Im Falle solcher vertraglicher Vereinbarungen müssen auch die Versicherungskonzepte individuell abgestimmt werden. Um einen möglichst weitgehenden Versicherungsschutz zu erhalten, sollte die Absicherung von Teilausbaukosten, Reparaturkosten im verbauten Zustand und die Absicherung von Vorumsätzen in das Konzept mit aufgenommen werden. Ein ganz wichtiger Faktor ist der zeitliche Geltungsbereich. So ist in den meisten Rückrufkostenpolicen eine sogenannte Verfallsklausel vereinbart. Das bedeutet, dass die Deckung des Versicherers in der Regel spätestens zwei Jahre nach Auslieferung der Produkte endet. Diese Spanne ist aber oftmals unzureichend und muss in den Policen dann entsprechend erweitert werden.

Eine wichtige Empfehlung ist außerdem, bei international tätigen Unternehmen auch die Tochtergesellschaften, insbesondere die Vertriebsgesellschaften, in das Versicherungswerk mit aufzunehmen. Denn in vielen Ländern (z.B. USA, China) werden lokal keine Versicherungsdeckungen angeboten, die die Risiken für Rückrufaktionen ausreichend absichern. Für die gesamte Unternehmensgruppe sollte deshalb eine weltweit gültige Police abgeschlossen werden. Die Kosten eines Rückrufs werden dann für den gesamten Konzern über das deutsche Deckungsmodell abgesichert.

Bei der Ermittlung einer angemessenen Prämie stehen zwei Aspekte im Mittelpunkt: Welche Deckungssumme und welcher Selbstbehalt werden vereinbart? Die Erfahrung zeigt, dass der Selbstbehalt (also das Risiko, das der Versicherte selbst trägt) zu niedrig gewählt wird. Das führt zu einem relativ hohen Prämiensatz und zu unzureichenden Deckungssummen. Der zumutbare Selbstbehalt sollte also höher angesetzt werden (meist in sechsstelliger Höhe), sodass eine entsprechend hohe Deckungskapazität eingekauft werden kann, um das existenzielle Risiko für das Unternehmen zu eliminieren.

Auswahl von geeigneten Anbietern
Der Kreis der Versicherer, gerade für international ausgerichtete Unternehmen, ist überschaubar und beschränkt sich auf fünf bis sechs Anbieter. Bei der Auswahl sollten folgende Aspekte geprüft werden: Versicherer mit großer Finanzstärke, umfassende Erfahrung in der Industrieversicherung und bei der Abwicklung von Großschäden. Wird ein Versicherungsmakler eingeschaltet, sollte auch dieser Erfahrung bei der Regulierung von Großschäden mitbringen. Noch besser ist es, wenn der Makler Know-how in der Branche des Versicherungsnehmers gesammelt hat. Wenn es zu einem Schaden kommt, koordiniert der Makler die Abwicklung. Dann es ist von Vorteil, wenn er über gute Kontakte zu Sachverständigen und renommierten Anwaltskanzleien verfügt. Denn nur wenn das Zusammenspiel der Beteiligten gut funktioniert, lassen sich unberechtigte Ansprüche abwehren und berechtigte Forderungen durchsetzen.

Vorgehensweise im Leistungsfall
Kommt es zu einem Schadensfall, wird vonseiten des Versicherers meist ein Sachverständiger beauftragt. Dieser hat die Aufgabe, den Sachverhalt zu erörtern und zu prüfen, inwieweit der Zulieferer für den Mangel verantwortlich ist. Bei neu entwickelten Produkten wird in aller Regel untersucht, ob eine ausreichende Erprobung stattgefunden hat. Ist das nicht der Fall, sind die Konsequenzen für das betroffene Unternehmen erheblich. Die Haftung besteht, der Versicherungsschutz wird in diesen Fällen aufgrund unzureichender Erprobung abgelehnt.

Viele Schadensfälle werden auf Basis eines Vergleichs abgewickelt, allerdings mit einem Schadensbetrag, der oft im siebenstelligen Bereich liegt. Offenheit gegenüber dem Versicherungsunternehmen ist nötig, damit dieses den Vergleich mitträgt. Aber die außergerichtliche Einigung ist einem oft langwierigen Gerichtsverfahren allemal vorzuziehen: Denn dieses führt zu erheblichen Kosten und hohem Zeitaufwand. Und naturgemäß verbessern solche Rechtsstreitigkeiten nicht gerade das Verhältnis mit den Geschäftspartnern.

Externer Kontakt: Rudolf Meier ist Geschäftsführender Gesellschafter von Radloff, Meier & Kollegen Versicherungsmakler GmbH in Nürnberg, (rudolf.meier@r-m-k.de).
 

WiM – Wirtschaft in Mittelfranken, Ausgabe 06|2009, Seite 34

 
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