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Technische Redaktion

Fachwort, Fremdwort, Unwort

Begriffe, die Experten völlig klar sind, sehen für Laien oft wie Hieroglyphen aus. Wie kann man Fachtexte schreiben, die auch allgemein verständlich sind? Von Markus Nickl

Fachwörter gelten als entschiedenster Feind der Verständlichkeit. Nur allzu bekannt sind die Negativbeispiele: Sie müssen den S0-Hub nur terminieren, wenn er letztes Gerät am Eingangs-S0-Bus ist. Wie oft hat man sich schon über solche Formulierungen geärgert? Warum, so möchte man sich fragen, fällt es dann so schwer, bei der eigenen Arbeit keine Fachwörter zu verwenden?

Fachwörter machen Texte einfach: So provokant das auch klingen mag: Fachwörter dienen zunächst einmal dazu, die Kommunikation zu vereinfachen. Denn die wichtigsten Merkmale eines Fachworts sind Kürze und Präzision. Fachwörter fassen im Allgemeinen einen komplexen Sachverhalt in einem oder wenigen Wörtern zusammen. Und gleichzeitig beschneiden sie die Schwammigkeit des Alltagswortschatzes soweit, dass Fachleute in jeder Situation dasselbe verstehen. So wird dann irgendwie Metall rausdrücken, damit ein Behälter daraus wird präzisiert zu Zugdruckumformen eines Blechzuschnittes zu einem Hohlkörper und das Ganze verkürzt zu tiefziehen.

Schlecht ist nur das Fachwort des anderen: Dem Fachmann ist schon klar, dass tiefziehen nicht beschreibt, wie ein Cowboy besonders schön aus der Hüfte schießt. Dem Laien bleibt die Bedeutung jedoch verschlossen, obwohl das Wort an sich nicht komplex ist. Denn Fachwörter sind nicht notwendigerweise Fremdwörter. Und der Fachmann ist nicht notwendigerweise Fachmann, sondern eben auf allen Gebieten Laie, in denen er nicht Fachmann ist. Unverständlich sind Fachwörter deshalb auch nicht, weil das Wort an sich schwierig ist. Unser Unverständnis sig-nalisiert uns vielmehr "Hier wird von Sachverhalten gesprochen, die du nicht verstehst". Und genau hier sollte auch der Technische Redakteur aufmerksam werden: Nicht der Stil ist hier also schlecht, sondern das didaktische Konzept der Anleitung.

Fachwörter erkennen: Wichtig für den Umgang mit Fachwortschatz ist deshalb zunächst, seine Zielgruppe zu kennen. Sprechen Sie mit Ihren Anleitungen erfahrene Fachleute an, dann können Sie auch beim Fachwortschatz aus dem Vollen schöpfen. Sind weniger erfahrene Fachleute oder Laien die Zielgruppe, so ist Vorsicht angebracht. Hier gilt es dann, die Fach(wortschatz)kenntnisse der Laien zu erarbeiten und festzuhalten.

Doch leider ist es oft gar nicht so einfach, ein Fachwort auch als solches zu erkennen. Denn die Grenzen zwischen Alltagssprache und Fachsprache sind fließend und oft sind uns Fachwörter so vertraut, dass wir sie für Allgemeingut halten. Besonders leicht passiert das, wenn Fachwörter deutschen Ursprungs sind. Der Schraubendreher heißt eben nur bei Fachleuten so, er ist deswegen noch lange nicht das "richtigere" Wort für Schraubenzieher.

Fachbegriffe müssen auch nicht aus nur einem Wort bestehen, sie können sich aus mehreren Wörtern zusammensetzen, von denen jedes für sich verständlich ist: potenzielle Energie, content management, lebende Kolumne – alle einzelnen Teile sind gut verständlich und trotzdem erschließt sich der Begriff nicht.

Mit Fachwörtern umgehen: Für die Arbeit des Redakteurs empfiehlt es sich deshalb eine Terminologiebasis aufzubauen, die nicht nur die Firmenterminologie festlegt, sondern auch allgemeine Fachbegriffe sammelt. Idealerweise sollte man diese Basis mit den Zielgruppen abtesten, zur Not tut es aber auch ein fachfremder Kollege. Zu jedem Terminologie-Eintrag wird dann vermerkt, für welche Zielgruppen er (noch) geeignet ist. Umgekehrt entsteht so eine Ausschluss-Liste – Wörter und Begriffe, die keinesfalls verwendet werden sollen.

Mit geeigneter Software lässt sich so bereits beim Schreiben feststellen, ob man nicht unbedacht schwer verständliche Termini verwendet. Muss der Benutzer das zugrunde liegende fachliche Konzept verstehen, um die beschriebene Maschine oder Software benutzen zu können, dann sollte man aber gerade nicht auf Fachsprache verzichten. Stattdessen gilt es, den Fachbegriff als solchen hervorzuheben und beim ersten Auftreten im Text zu erklären. Ist die Anleitung als "Nachschlagewerk" angelegt, sollte man auf jeden Fall ein Glossar einfügen, wenn mehrere Fachbegriffe verwendet werden. Grundlage des Ganzen ist aber immer ein möglichst genaues Zielgruppenkonzept. Dann ist auch dafür gesorgt, dass das Fachwort nicht zum Unwort wird.

Externer Kontakt: Dr. Markus Nickl ist Geschäftsführer der doctima GmbH in Erlangen (markus.nickl@doctima.de).
 

WiM – Wirtschaft in Mittelfranken, Ausgabe 10|2009, Seite 33

 
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