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Verhalten der Konsumenten

Stark emotional

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Rationale Gründe spielen beim Kauf eine weit geringere Rolle, als wir denken. Das Marketing muss stärker berücksichtigen, dass die Kunden vielfach aus dem Bauch heraus entscheiden. Von Albert Hans Haeckl

Als der Mensch anfing sich niederzulassen, begann eine neue Ära der Evolution. Das nackte Überleben war plötzlich Nebensache. "Erfolg" als Ergebnis planvollen Handelns trat an dessen Stelle. Seither investieren Menschen alle Energie in die Optimierung ihrer neuen Ziele. Das offensichtlich wichtigste Ziel in unserer heutigen Welt ist der wirtschaftliche Erfolg. Aus ihm wird Geld, materieller Wohlstand und Vermögen. Dabei handeln Unternehmen nicht anders als Privatpersonen. Der individuelle Nutzen hat Priorität. Moralisch mag das bedenklich sein – faktisch ist es einfach Realität.

Im Marketing manifestiert sich heute unser Streben nach wirtschaftlichem Erfolg. Denn gestern war überhaupt kein "Marketing" notwendig; wenn man etwas zu verkaufen hatte, rissen es einem die Leute aus der Hand. Dann kam die Sättigung. Wir haben alles. Neues wird viel zu selten erfunden. Und so bleibt austauschbaren Gütern und ihren Verkäufern nichts anderes übrig, als sich aktiv um Abnehmer zu bemühen. Nach aktueller Lehre soll Marketing marktorientiertes Verhalten sein. Tatsächlich ist es in den meisten Fällen das Gegenteil: Ein Unternehmen hat die Lager voll mit irgendetwas und "die im Marketing" sollen sich schnell etwas einfallen lassen, das das Zeug unter die Leute bringt.

In der Theorie ist Marketing ein wunderbarer Ansatz. Wir sehen uns den Markt an, analysieren, bewerten, finden eine Nische, ein fehlendes Angebot oder eine unbefriedigte Nachfrage. Wir lassen dieses Produkt herstellen, statten es mit der gewünschten Qualität und Leistung aus – und sagen den Menschen, dass sich ihre Wünsche ab heute erfüllen lassen. Nämlich von uns als marktorientiertem Unternehmen. Die Praxis sieht ganz anders aus: Marketing-Profis, Agenturen, Berater sitzen zusammen mit Entscheidern in Unternehmen und sind professionell. Als Ergebnis der eingangs erwähnten, unentwegten Optimierung haben wir heute auch (oder gerade) im Marketing ausentwickelte Kenntnisse und Instrumente. Nichts wird dem Zufall überlassen. Selbst wenn vieles nicht verifizierbar ist und überraschend oft Bauchentscheidungen getroffen werden – nach außen herrscht die Aura der Vollkommenheit. Ja, es hat etwas Guruhaftes, wie innerhalb der Entscheiderzirkel argumentiert und sich schließlich auf jemanden verlassen wird.

Ein ganz wesentlicher Aspekt kommt in aller Regel zu kurz: Menschen sind Menschen. Als Endprodukt einer jahrtausendelangen Evolution sitzen archaische Mechanismen sehr viel dominanter in unseren Köpfen als das, was wir in den wenigen Jahren unseres Lebens gelernt haben. Und diese Grundlage ist uns dabei nicht einmal wirklich bewusst. Wenn Sie heute eine Entscheidung treffen, sagen wir für ein Versicherungsprodukt des Anbieters A statt B, dann haben Sie in rund 90 Prozent der Fälle nicht abgewogen und dann nach Fakten entschieden. Maßgeblich und schließlich die Entscheidung herbeiführend war die Summe all Ihrer Lebenserfahrung. Die Gehirnforschung hat eindeutig belegt, dass sich das, was wir Bauchentscheidung nennen, zum einen nicht wirklich ausschalten lässt. Und dass es zum anderen sehr viel häufiger unser Handeln dominiert, als wir glauben.

Für den wirtschaftlichen Erfolg und für das Marketing hat das unglaubliche Bedeutung. Denn es ist keineswegs so, dass man als Anbieter nur die Vorteile nennen und das Ganze attraktiv darstellen muss. Vielmehr muss es darum gehen, die Dimension "Gefühl" tief in unsere Aktivitäten zu integrieren.

"Emotional Brand Marketing" ist ein erweiterter Ansatz, dem klassischen Marketing Dimensionen zuzuführen, die bis heute untergewichtet bleiben. Und die in Zukunft das berühmte Zünglein an der Waage sind, ob ein Marketing-Konzept am Ende erfolgreich sein wird, oder nicht.

Sehen wir uns die Strategie genauer an: Die Basis bildet nach wie vor das klassische Marketing. Erprobt, ausoptimiert und vollständig, bildet es eine solide Grundlage für alle Aspekte und Themen, die festzulegen sind, wenn wir etwas verkaufen wollen. Wir brauchen das optimale Produkt zum optimalen Preis und zu optimalen Bedingungen. Und wir brauchen die optimale Kommunikation in Richtung potenzieller Kunden. Damit diese Kommunikation maximale Wirkung erzielen kann, orientieren wir uns an der klassischen Markenführung. Wir definieren ein Gesicht, eine Aussage und eine Begründung – und ziehen die fixierten (und überprüften) Bedingungen durch. Konsequent und ohne Kompromisse. So wie wir uns darauf verlassen können, dass ein bester Freund so ist, wie er ist. Genau so soll eine Marke sein: Verlässlich, kalkulierbar, bekannt, einschätzbar und sich nachvollziehbar entwickelnd.

Haben wir bis hierher alles richtig gemacht, dann geht es jetzt zur Kür: Addieren wir Emotionen! Bevor Sie jetzt etwas falsch verstehen: Beim Emotional Brand Marketing ist nicht damit getan, dass Sie emotionale Bilder oder Texte verarbeiten. Darum geht es nicht. Emotional meint, dass wir alle gefühlsrelevanten Dimensionen gleichwertig dominant in die Fakten des Marketing integrieren.

Ein Beispiel: Sie sind Anbieter einer Versicherung. Sie haben ein wirklich gutes Produkt. Tolle Leistung, attraktiver Preis, klasse Bedingungen. Mit diesem Produkt gehen Sie in den Markt. Sie erklären alle Ihre Vorteile in einem perfekten Konzept und haben das perfekte Werbemittel. Und trotzdem enttäuschen Ihre Absatzzahlen. Warum? Wo ist das Problem? Das Problem kann in der menschlichen Wahrnehmung liegen. "Versicherung" löst beim Adressaten Ihrer Botschaft Assoziationen aus, die Sie nicht kontrollieren können. Aber die wir berücksichtigen müssen. Emotional Brand Marketing tut genau das.

Neben der Entwicklung der klassischen Marketing-Strategie wird in einer parallelen Konzeption aus der Zielgruppen-Perspektive gearbeitet. Wir beschäftigen uns mit der Frage, was in den Menschen, denen wir etwas verkaufen wollen, vorgehen kann. Welche Erfahrungen, Meinungen, Gefühle spielen eine Rolle? Auf welche Wahrnehmung werden wir im Durchschnitt treffen? Und dann – wie muss unsere Argumentation aufgebaut sein, dass wir in die richtige Kerbe treffen?

Bei der Durchführung kann es sein, dass wir eben nicht die Vorzüge unserer beispielhaften Versicherung in den Fokus rücken, sondern dass wir uns darum kümmern, die Vorurteile gegenüber Finanzdienstleistungsprodukten aktiv aufzuarbeiten. Sodass unser Adressat überhaupt erst in die emotionale Verfassung gebracht wird, uns zuzuhören.

Noch einmal: 90 Prozent aller vermeintlich bewussten Entscheidungen werden durch das Unterbewusstsein gesteuert und schließlich entschieden. Und dieses unterbewusste Sein ist die Summe all unserer Erfahrungen. Guter und schlechter. Emotional Brand Marketing arbeitet intensiv mit diesem Faktum. Es integriert Biologie und Psychologie in alle Ebenen marktorientierten Verhaltens. Oder mit anderen Worten: Es erweitert Marketing um menschenorientiertes Verhalten. Alleine das Nachdenken über die emotionale Dimension einer Marketing-Strategie und das in Frage stellen gewohnten Wissens kann bereits Erfolg versprechen. Und Erfolg macht glücklich.

Externer Kontakt:

Albert Hans Haeckl ist Mitglied des Vorstands und CCO der arsmedium group, Nürnberg (www.arsmedium.com).

 

WiM – Wirtschaft in Mittelfranken, Ausgabe 10|2009, Seite 26

 
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