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Ein Käufer nutzt eine Ware, schickt sie dann aber während der Widerrufsfrist wieder an den Händler zurück. Nach einem Urteil des Europäischen Gerichtshofes darf dieser dann vom Verbraucher nur in Ausnahmefällen einen Wertersatz verlangen.

Nach Auskunft von Dr. Carsten Föhlisch, Justiziar des Gütesiegelanbieters Trusted Shops, ist der Wertersatz im deutschen Recht bislang folgendermaßen geregelt: Einerseits muss der Verbraucher einen Wertersatz für gezogene Nutzungen zahlen, z.B. wenn eine Party-Musikanlage einen Tag genutzt wurde („Nutzungswertersatz“ laut Paragraf 346 Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch BGB). Dieser ist eine Art Miete ohne Gewinnanteil oder wird anhand der AfA-Tabelle berechnet. Im Versandhandel gibt es zudem eine Sonderregelung in Paragraf 357 Abs. 3 BGB, wonach der Verbraucher auch für Verschlechterungen durch die erstmalige Nutzung („bestimmungsgemäße Ingebrauchnahme“) Wertersatz leisten muss, z.B. wenn er einen Rasenmäher eine Stunde nutzt („Abnutzungswertersatz“).

Nun hat sich der Europäische Gerichtshof (EuGH) in einem Urteil vom 3. September 2009 (Aktenzeichen C-489/07) des Themas angenommen. Laut Föhlisch hat der EuGH ausdrücklich lediglich entschieden, dass der Händler für die bloße Nutzungsmöglichkeit der Ware keinen Wertersatz verlangen darf. Ansonsten wäre das durch die europäische Fernabsatzrichtlinie garantierte Recht auf kostenloses Prüfen und Ausprobieren der Ware beeinträchtigt. Weiterhin wurden jedoch Vorgaben für die Auslegung der sonstigen Wertersatz-Regelungen im deutschen Recht gemacht. Verbraucher dürfen demnach für die Nutzung einer Ware während der fernabsatzrechtlichen Widerrufsfrist nur dann zu Wertersatz verpflichtet werden, wenn die Nutzung der Ware gegen die Grundsätze von „Treu und Glauben“ oder der „ungerechtfertigen Bereicherung“ verstoßen würde.

Der deutsche Gesetzgeber muss nun prüfen, ob die deutschen Regelungen zum Wertersatz geändert werden müssen. Die Gerichte müssen bei der Auslegung der bestehenden Normen ab sofort die Vorgaben des EuGH berücksichtigen. Der Händler kann demnach nur ausnahmsweise Wertersatz verlangen, selbst wenn tatsächlich Nutzungen gezogen wurden oder wenn sich die Ware durch bestimmungsgemäße Ingebrauchnahme erheblich verschlechtert hat.

Widerrufsbelehrungen ändern?
Ob jetzt die Händler die Widerrufsbelehrungen ändern müssen, ist unter Juristen umstritten. Manche sagen, alles könne so bleiben wie es ist. Überwiegend wird jedoch angenommen, dass die Muster-Belehrung des Bundesjustizministeriums in ihrer bisherigen Form zu pauschal ist. Denn dort wird der Kunde belehrt, dass er im Regelfall Wertersatz für die Nutzung zahlen muss, obwohl dies nur ausnahmsweise der Fall ist. Föhlisch rechnet deshalb damit, dass bald die ersten unveränderten Belehrungen durch Abmahnungen angegriffen werden.

Internet-Händler, die auf den Wertersatz wegen ihres Produktsortiments dringend angewiesen sind und keine Änderungen ihrer Belehrung vornehmen wollen, müssen laut Föhlisch auch finanziell bereit sein, eine Abmahnung und möglicherweise einen Rechtsstreit durch mehrere Instanzen abzuwehren.

Wer hingegen in erster Linie das Abmahnrisiko reduzieren will und auf Wertersatz weitgehend verzichten kann, der sollte zwei Änderungen an der Widerrufsbelehrung vornehmen. Der Abschnitt „Widerrufsfolgen“ muss in diesem Fall wie folgt geändert werden: „

Im Falle eines wirksamen Widerrufs sind die beiderseits empfangenen Leistungen zurückzugewähren und ggf. von uns gezogene Nutzungen (zum Beispiel Zinsen) herauszugeben. Können Sie uns die empfangene Leistung ganz oder teilweise nicht oder nur in verschlechtertem Zustand zurückgewähren, müssen Sie uns insoweit ggf. Wertersatz leisten. Bei der Überlassung von Sachen gilt dies nicht, wenn die Verschlechterung der Sache ausschließlich auf deren Prüfung – wie sie Ihnen etwa im Ladengeschäft möglich gewesen wäre – zurückzuführen ist. Für eine durch die bestimmungsgemäße Ingebrauchnahme der Sache entstandene Verschlechterung müssen Sie keinen Wertersatz leisten. Paketversandfähige Sachen sind auf unsere Gefahr zurückzusenden.“

Externer Kontakt: Trusted Shops, Dr. Carsten Föhlisch Tel. 0221/77536-78, foehlisch@trustedshops.de
 

WiM – Wirtschaft in Mittelfranken, Ausgabe 12|2009, Seite 36

 
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