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Master und Bachelor

Genug studiert?

Die ersten Absolventen mit den neuen Studienabschlüssen kommen von den Hochschulen. Erfüllen sie die Erwartungen der Wirtschaft?

Im Bologna-Abkommen hatten sich Bildungsminister von 46 Ländern darauf geeinigt, einen einheitlichen europäischen Hochschulraum zu schaffen. Durch vergleichbare Studiengänge soll nach Angaben des Bayerischen Wissenschaftsministeriums die Mobilität von Studierenden, Absolventen, Hochschullehrern und Wissenschaftlern verbessert werden. In einer Regelstudienzeit von drei bis vier Jahren führt das Bachelor-Studium zu einem ersten berufsqualifizierenden Hochschulabschluss. Es soll grundlegende Kenntnisse und Fähigkeiten für einen schnellen Berufseinstieg vermitteln. Mit dem eher forschungsorientierten Hochschulabschluss zum Master, der auf dem Bachelor aufbaut, wird das erworbene Wissen und Können dann vertieft und verbreitert. Master-Abschlüsse berechtigen dann grundsätzlich zu einer Promotion an einer Universität.

Doch die Verkürzung des Studiums ist nach Ansicht von Studenten mit mehr Zeit- und Notendruck verbunden. Bertram Brossardt, Hauptgeschäftsführer der vbw – Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft e.V., stellt fest, „dass viele Studierende zu Recht Verschulung, gestiegenen Prüfungsdruck und mangelnde Praxisrelevanz kritisieren“. Nach Angaben von Dr. Elfriede Eberl, Referentin für Innovation, Hochschulen und neue Technologien bei der IHK Nürnberg für Mittelfranken, wurde der Praxisanteil während des Studiums an den Hochschulen deutlich reduziert, eine vollständige Berufsbefähigung könnten die Studierenden deshalb kaum erreichen. Prof. Dr. Hans-Ulrich Küpper, Leiter des Staatsinstituts für Hochschulforschung, sagt: „Ein Bachelor nach sechs oder sieben Semestern kann nicht dasselbe können wie ein Diplom-Ingenieur nach zehn oder zwölf Semestern.“

Aktuelle Studien allerdings zeigen das Gegenteil: So ergab eine Untersuchung des Zentrums für Hochschulforschung an der Universität Kassel, dass schon heute drei von fünf Bachelor-Absolventen der Fachhochschulen sich für eine Berufstätigkeit entscheiden und auf den Master verzichten. Nach Angabe dieser Studie ist die Arbeitslosigkeit von Bachelor-Absolventen 18 Monate nach Studienende mit drei Prozent genauso gering wie die der anderen Abschlussgruppen. Auch die Suchzeiten von Bachelor-Absolventen seien kurz: Durchschnittlich 3,2 Monate nach ihrem Abschluss haben sie bereits eine Stelle gefunden.

Größere Unternehmen der Metropolregion Nürnberg haben sich bereits auf die veränderten Studiengänge eingestellt, zum Beispiel Areva, mit über 5 000 Mitarbeitern das führende Unternehmen beim Bau von Kernkraftwerken. „Unsere Herausforderung wird zukünftig darin bestehen, in der geballten und stark verschulten Anlage der akademischen Ausbildung für Studenten zeitlich realisierbare Praktika anzubieten und attraktive Praxissemester zu schaffen, die dem Ausbildungsstand der Bachelor-Kandidaten gerecht werden“, erklärt Tim Hanneforth, Leiter des Bereichs Talent Sourcing für Areva in Deutschland. Da die ingenieur- und naturwissenschaftlichen Studiengänge erst mit Verzögerung die Ausbildung umstellen, schließen erst jetzt die ersten Studenten mit dem Bachelor ab und kommen auf den Arbeitsmarkt. Hanneforth sagt: „Die Integration der jungen Absolventen in unsere sehr spezifischen Aufgaben sollte unser Unternehmen vor nicht zu große Herausforderungen stellen, denn durch die außerordentliche Spezifikation und den hohen Spezialisierungsgrad der Fachbereiche ist eine langjährige Einarbeitung der Absolventen geübtes und gelebtes Procedere.“

Auch bei der Schaeffler-Gruppe in Herzogenaurach liegen bisher erst wenige Erfahrungen mit Bachelor-Kandidaten vor. Nach Aussagen von Thomas Liebel, Leiter des Competence Centers Personalentwicklung, Recruiting und Talent Management, stehen direkt bei Schaeffler ausgebildete Bachelor-Absolventen erst seit Februar 2010 zur Verfügung: „Ein Teil hat sofort die Qualifizierung zum Master begonnen. Die anderen wurden genauso im Unternehmen übernommen wie vorher die Diplom-Ingenieure FH.“ Liebel ergänzt: „Aufgrund der Einarbeitung, die die Studenten durch das praxisbegleitende Studium in unserem Unternehmen bekommen, gibt es hier aus Unternehmenssicht keine Unterschiede.“

Kooperation mit den Hochschulen
Bei Schaeffler gibt es eigene Ausbildungsprogramme in Kooperation mit der Dualen Hochschule in Mannheim und der GSO in Nürnberg. „Die bestanden auch schon vor Bologna und wurden 1:1 umgestellt.“ Bei Areva werden Qualifikations- und Zertifizierungsmaßnahmen nach Angaben von Hanneforth verlagert, indem die Bewerber verstärkt ein Studium an Berufsakademien und in integrierten Studiengängen aufnehmen.

Zu tun jedenfalls gibt es bei den neuen Studiengängen zum Bachelor/Master noch genug. „Die Missstände sind“, so vbw-Hauptgeschäftsführer Brossardt, „keine Folge des Bologna-Prozesses, sondern seiner oft halbherzigen und unflexiblen Umsetzung.“ Und Elfriede Eberl von der IHK sagt: „Alle Beteiligten müssen die vorhandenen Schwachpunkte erkennen und verbessern.“ An einer „Reform der Reform“ werden Hochschulen, Studierende und Unternehmen nach ihrer Ansicht nicht vorbeikommen. Vor allem Fakultäten und Professorenschaft müssten ihre Blockadehaltung aufgeben und die Neugestaltung der Studiengänge vorantreiben. Brossardt versichert: „Die bayerische Wirtschaft steht weiter zum Bologna-Prozess und seinen Zielen: International ausgebildete Studierende, generelle Berufsbefähigung des Studiums, offene Hochschulen für heterogene Studierendengruppen und Optionen lebenslangen Lernens."

Autor/in: 
Horst Peter Wickel
 

WiM – Wirtschaft in Mittelfranken, Ausgabe 04|2010, Seite 12

 
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