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Interview

Was ist los an den Hochschulen?

Bildungsstreik und Bologna-Reformen: Welche Folgen haben die Studentenproteste? Was sind die ersten Erfahrungen mit den neuen Studienabschlüssen? WiM fragte Prof. Dr. Michael Braun, Präsident der Georg-Simon-Ohm-Hochschule Nürnberg.

Herr Professor Braun, die Studierenden sind deutschlandweit auf die Straßen gegangen. Auch viele Lehrende solidarisierten sich. Ist der Bildungsstreik für Sie nachvollziehbar?

Ob eine vierwöchige Hörsaalbesetzung, die anderen Studierenden sehr geschadet hat, dazu geeignet ist, um Verständnis und um Unterstützung für Positionen zu werben, darüber werden wir wohl auch in Zukunft unterschiedlicher Meinung sein. Der hochschulinterne Dialog hätte auch anders geführt werden können. Man hat aber durch die flächendeckende Aktion viel Aufmerksamkeit erregt, auch wenn die Botschaften sehr heterogen waren. Bildung für alle, ohne Beschränkungen und umsonst: Einige Forderungen gingen an den aktuellen gesellschaftlichen Realitäten vorbei, andere waren sinnvoll und berechtigt. Wenn es darum geht, Chancengerechtigkeit zu fordern, den Wert und die Bedeutung von Bildung stärker ins Bewusstsein der Öffentlichkeit zu rücken, über Exzellenz, Elite und Wettbewerbsorientierung zu diskutieren und eine Debatte darüber zu führen, ob wir Bildung als Ausbildung oder als Menschenrecht betrachten wollen, dann bin ich gerne dabei.

Was folgt nun nach den Studentenprotesten, und wie sind Sie für die Zukunft gerüstet?

Bund, Land, Hochschulverbünde und die einzelnen Hochschulen haben bereits viele Anregungen aufgegriffen und Verbesserungsprozesse angestoßen. Dazu gehört eine Reihe von Sofortmaßnahmen, die sich beispielsweise auf die Prüfungsdichte und die Prüfungszeitregelungen beziehen. Letztlich wollen doch alle ein studierbares, qualitativ hochwertiges und vielseitiges Studium, das die Lebensumstände der jungen Menschen angemessen berücksichtigt. Dazu sind in der konkreten Umsetzung noch einige Zielkonflikte aufzulösen, Kompromisse zu schließen und gangbare Lösungen zu finden.

Wie erfolgreich war die Umstellung auf Bachelor und Master? Sind die Ziele aus Sicht der Ohm-Hochschule erreicht?

Der Bildungsstreik war definitiv keine Fundamentalkritik am Bologna-Prozess, höchstens an einigen Auswirkungen, die u.a. durch die sogenannten „Ländergemeinsamen Strukturvorgaben“ entstanden sind. Die neue Studienstruktur mit Bachelor- und Master-Studiengängen bietet für uns die Möglichkeit, hochwertige Abschlüsse anzubieten, die denen an der Universität gleichgesetzt sind. Sie bietet für den Einzelnen eine größere Vielfalt, aber fordert auch mehr Eigenverantwortung für die eigene Bildungskarriere. Trotzdem: Die Themen Mobilität, Prüfungs- und Arbeitsbelastung sowie Anerkennung von externen Leistungen sind noch nicht überall zufriedenstellend gelöst. Der Spagat zwischen Studienzeitverkürzung und der Herstellung von Berufsfähigkeit inklusive Erwerb von Mehrfachkompetenzen ist nicht einfach. Wir hatten 2002 die ersten Bachelor-Absolventinnen und -Absolventen und die Umstellung bereits zum Wintersemester 2007/2008 abgeschlossen. Bislang sind die Erfahrungen gut und unsere Abschlüsse bei den meisten Arbeitgebern geschätzt. Das ist uns wichtig. Schließlich orientiert sich das Gelingen der Reform vor allem am beruflichen Erfolg der Absolventinnen und Absolventen. Und da liegen wir ziemlich gut.

Sie sind gerade in Ihre zweite Amtszeit als Präsident der Ohm-Hochschule gestartet. Wo liegen Ihre Schwerpunkte?

Die Ohm-Hochschule ist für Nürnberg ein nicht zu unterschätzender Standortfaktor – als Hochschule und als Arbeitgeber. Wir haben viele Initiativen, von denen auch die Region profitieren wird, bereits im letzten Jahr angestoßen und bald werden wir über 10 000 Studierende haben, die alle möglichst gute Studienbedingungen vorfinden sollen. Dazu treiben wir intensiv den räumlichen, technischen und personellen Ausbau voran, ebenso die Abrundung des Studienangebots und die inhaltliche Weiterentwicklung der bestehenden Studiengänge. Wir wollen die Serviceleistungen für Studierende verbessern, international noch attraktiver werden und in der angewandten Forschung und Entwicklung auch weiterhin die Nummer 1 in Bayern sein. Jetzt ist aber auch die Zeit, um die Voraussetzungen für die weitere Zukunft zu schaffen und um uns langfristig auf neue Studienformen und neue Zugangsgruppen wie z.B. die beruflich Qualifizierten einzustellen. Wir haben sehr klare Vorstellungen davon, wie die Ohm-Hochschule in zehn Jahren aussehen soll.

 

WiM – Wirtschaft in Mittelfranken, Ausgabe 04|2010, Seite 14

 
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