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Arbeitsmarkt

Mehr Menschen in Arbeit

Einführung von Mindestlöhnen, Reform von Hartz IV und Regulierung von Zeitarbeit: Diese Themen bestimmen derzeit die arbeitsmarktpolitische Diskussion. Aber der Arbeitsmarkt braucht statt solcher Eingriffe mehr Offenheit. Von Dr. Stefan Hardege und Hildegard Reppelmund

Von Seiten der Opposition wird mehr oder minder eine Rolle rückwärts weg von der Agenda 2010 gefordert, während sich die schwarz-gelbe Regierung auffällig zurückhält, wenn es um Arbeitsmarktreformen geht. Unternehmensumfragen des Deutschen Industrie- und Handelskammertages (DIHK) zeigen hingegen, dass mehr und nicht weniger Flexibilität nötig ist, damit der sich abzeichnende Aufschwung auch auf dem Arbeitsmarkt ankommt: So stellt zum Beispiel für jedes zweite Unternehmen ein flexiblerer Kündigungsschutz eine wichtige Bedingung dar, um neue Stellen zu schaffen.

Agenda 2010

Die mit der Agenda 2010 vorgenommenen Flexibilisierungsmaßnahmen waren ein wichtiger Schritt und hatten einen wesentlichen Anteil am rekordverdächtigen Jobaufbau in den Jahren 2005 bis 2008. Auch zu der erstaunlich robusten Arbeitsmarktentwicklung in der zurückliegenden Krise trugen sie ihren Teil bei. Durch die Reformen erfolgte allerdings in erster Linie eine Flexibilisierung an den Arbeitsmarkträndern, während der Kern weitgehend unangetastet blieb. Als Folge zeigt sich eine Zweiteilung des Arbeitsmarktes: Auf der einen Seite flexible Beschäftigungsverhältnisse wie beispielsweise Zeitarbeit, Befristung oder Minijobs, und auf der anderen Seite das eher inflexible und gegen Kündigung gut geschützte „Normalarbeitsverhältnis“. Die Betriebe sind also gezwungen, auf diese flexiblen Formen auszuweichen, weil das traditionelle Beschäftigungsverhältnis zu starr ist.

Die Regierung plant lediglich die Aufhebung des umfassenden Wiederbeschäftigungsverbotes bei der sachgrundlosen Befristung – manchmal hat man den Eindruck, selbst das eher widerwillig. Weitere Schritte in Richtung Flexibilität sind nicht zu erwarten. Vielmehr besteht die Gefahr, dass das Pendel in die entgegengesetzte Richtung ausschlägt. Dies gilt vor allem für den Kündigungsschutz, der ohnehin auf der Tabuliste der Regierung steht.

Hier muss der Gesetzgeber auf ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) zur Berechnung der Kündigungsfristen reagieren. Darin hat der EuGH die deutsche Vorschrift als diskriminierend eingestuft, nach der Beschäftigungszeiten vor Vollendung des 25. Lebensjahres nicht bei der Berechnung der Kündigungsfristen zu berücksichtigen sind. Im Raum steht hier nun die ersatzlose Streichung dieser Regelung, was insgesamt auf längere Kündigungsfristen als bisher hinausliefe. Damit würde jedoch auf eine Flexibilisierungsmöglichkeit verzichtet, die bislang die Einstellungsbereitschaft der Unternehmen unterstützt und Jugendarbeitslosigkeit vorbeugt. Der DIHK plädiert deshalb für eine EU-rechtskonforme Regelung, bei der die ersten beiden Beschäftigungsjahre bei der Berechnung der Dauer des Arbeitsverhältnisses nicht berücksichtigt werden, damit die Beschäftigungshürde „Kündigungsschutz“ nicht weiter erhöht wird.

Auch bei der Zeitarbeit drohen Maßnahmen, die die Flexibilität hemmen würden. Auf generellen Druck der Gewerkschaften, aber auch infolge von nicht vermittelbaren Verhaltensweisen einzelner Unternehmen, werden strengere Regelungen für alle gefordert. Dies betrifft zum Beispiel die Beschränkung der Überlassungsdauer sowie die Forderung nach gleichen Arbeitsbedingungen, insbesondere Löhnen (sogenanntes „Equal Treatment“), ab dem ersten Einsatztag und nach Aufnahme der Branche in das Arbeitnehmerentsendegesetz mit dem Ziel eines Branchenmindestlohns. Ferner muss bis zum 5. Dezember 2011 die EU-Zeitarbeitsrichtlinie umgesetzt werden, womit die Gefahr weiterer Regulierungen besteht. Es ist somit zu befürchten, dass die im Zuge der Agenda 2010 geschaffenen Flexibilitätspotenziale zum Teil konterkariert, in jedem Fall aber nicht positiv fortentwickelt werden. Im beginnenden Aufschwung ist dies das falsche Signal. Wichtig ist es deshalb, die Dynamik am Arbeitsmarkt zu stärken, womit sich der nach wie vor hohe Bestand an Langzeitarbeitslosen vermindern lässt.

Neue Jobs schaffen

Eine konkrete Maßnahme dazu besteht in der moderaten Lockerung des Kündigungsschutzes. Hierzu sollte die Schwelle, ab der der Kündigungsschutz in den Betrieben gilt, von derzeit mehr als zehn auf mehr als 20 Beschäftigte angehoben werden. Gerade kleine Unternehmen könnten so von bürokratischem Aufwand, Rechtsunsicherheit und hoher Kostenbelastung im Kündigungsfall befreit werden. Als eine weitere Maßnahme schlägt der DIHK schon seit langem eine Abfindungsoption vor: Arbeitgeber und Arbeitnehmer sollen sich bereits bei Abschluss des Arbeitsvertrages darauf einigen können, dass für den Fall der betriebsbedingten Kündigung die Zahlung einer Abfindung geleistet wird. Damit verzichtet der Arbeitnehmer auf die Möglichkeit, gegen die Kündigung zu klagen. Für den Arbeitgeber steigt dadurch die Rechtssicherheit, weil er nicht mit langwierigen Rechtsstreitigkeiten mit ungewissem Ausgang rechnen muss. Das erhöht wiederum von vornherein die Bereitschaft zur Einstellung. Durch eine solche Regelung lässt sich zudem der beschriebenen Zweiteilung des Arbeitsmarktes begegnen, weil das „Normalarbeitsverhältnis“ im Interesse der Betriebe flexibler wird.

Eine solche Lösung sollte den derzeitigen Kündigungsschutz nicht ersetzen, sondern als freiwillig wählbare Alternative zur Verfügung stehen. Es soll sich also um eine Option handeln. Gerade kleine Unternehmen befürchten hier öfter eine im Vergleich zum Status quo höhere Kostenbelastung im Fall der Kündigung. Diese Sorge kann allerdings relativiert werden: Auch bislang geht die Beendigung von Arbeitsverhältnissen häufig mit Abfindungszahlungen einher – sei es nach einer Klage oder bereits im Vorfeld, um eine solche zu vermeiden. Zudem fallen durch Rechtsberatung, administrativen Aufwand, mögliche Zahlung von Verzugslohn sowie den Einsatz zeitlicher Ressourcen weitere Kosten an, die nicht zu unterschätzen sind. Zusätzlich bietet die Existenz einer solchen Abfindungsoption die Gelegenheit, von anderen Unternehmen – die diese dann praktizieren – zu lernen. Sofern positive Erfahrungen damit gemacht werden, können auch Unternehmen, die zunächst skeptisch sind, im Sinne eines Best-Practice-Ansatzes wertvolle Informationen gewinnen. 

Eine solche Abfindungsoption stellt einen Baustein im Gesamtsystem eines flexiblen Arbeitsmarktes dar, von dem keine Wunderdinge erwartet werden können. Dennoch kann ein solcher Lösungsansatz helfen, einen Schritt in Richtung mehr Dynamik zu gehen und damit auch die Beschäftigungschancen derer zu verbessern, die derzeit ohne Arbeit außen vor stehen.

 

WiM – Wirtschaft in Mittelfranken, Ausgabe 11|2010, Seite 14

 
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